Ganz- oder Teilausgrabung jungpaläolitischer Lagerplätze
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Ganz- oder Teil-Ausgrabung jungpaläolithischer Lagerplätze: Möglichkeiten der Rekonstruktion des Kulturverhaltens

 

© 1993 ff. Dirk Siebers M.A. (2007 für das Internet neu formatiert und aus Copyrightgründen ohne Abbildungen)

Dirk Siebers
Sievekingsallee 109 I.
20535 Hamburg



09.214 Hauptseminar:

"Forschungsprobleme zur Geschichte des Menschen im Jungpleistozän"
Von Prof. Dr. Helmut Ziegert im Sommersemester 1993



Thema A 3

"Ganz- oder Teil-Ausgrabung jungpaläolithischer Lagerplätze:
Möglichkeiten der Rekonstruktion des Kulturverhaltens"




Gliederung



I. Einleitung

1. Problemstellung

2. Themenabgrenzung

3. Forschungsstand

4. Quellenlage

5. Methodischer Ansatz

II. Probleme der Deutung von Überresten in Bezug auf das ehemalige Kulturverhalten

1. Erkennen der einmaligen, gelegentlichen oder häufigen Nutzung eines Platzes

2. Differenzierung der Überreste und Spuren nach Kulturen, Gruppen und Individuen

3. Differenzierung nach einzelnen Aufenthalten bzw. Tätigkeiten

4. Bestimmung der Jahreszeit

5. Problem der Erhaltungsfähigkeit

III. Ganzausgrabung

1. Woher weiß man, dass man einen Lagerplatz ganz ausgegraben hat?

IV. Teilausgrabung

1. Überlegungen zur räumlichen Verteilung von Aktivitäten und der Wahl von Lagerplätzen

a) Aktualistischer Vergleich

b) Ethnographischer Vergleich

c) Funde und Befunde archäologischer Untersuchungen

d) Topographie und Klima eines Ortes

e) Art (Zweck) des Lagers

f) Welche Funde und Befunde sind am Ort erhaltungsfähig?

g) Zufallsfaktoren (Wetter, Tageszeit, abweichendes Individualverhalten)

h) Kultur- und Gruppenverhalten

IV. 2. Techniken zur Festlegung eines Teilbereiches, der ausgegraben werden soll

a) Festlegung ohne Einflussmöglichkeit des Archäologen (nur noch teilweise erhalten, teilweise bebaut, etc.)

b) Echte Zufallsfestlegung

c) Festlegung durch geometrische Muster

d) Festlegung nach Modellbildung

1. Mathematische Modelle

2. Aus dem angenommenen oder schon bekannten Kulturverhalten

3. Das "Pareto-Prinzip" und das Prinzip der Konzentration der Kräfte

4. Vorgehensweisen bei der Teilgrabung

a) Sturheil die einmal gewählten Flächen

b) Nach einem (optimalen?) Suchraster und Erweiterung bei Funden und Befunden, bis die veranschlagten Mittel erschöpft sind

c) Nach einem problemorientierten Ansatz = Fragenkatalog mittels eines (optimalen?) Suchrasters und Erweiterung bei Funden und Befunden bis die jeweiligen Fragen geklärt sind. So exemplarisches Arbeiten, bis die Mittel erschöpft sind.

d) Arbeitseinheiten

V. Test der Techniken IV. 3 a - c an publizierten ganz? gegrabenen Fundplätzen unterschiedlicher Art und topographischer Lage

1. Höhle / Abri

2. Freiland (Wald und Steppe)

3. (Sub)rezente Wildbeuterkultur in einem gemäßigten Kaltklima

VI. Diskussion der Ergebnisse

VII. Verallgemeinerung und Versuch einer Strategie für Teilgrabungen

VIII. Literatur




I. Einleitung

I. 1. Problemstellung

Da in der archäologischen Forschung Zeit, Geld und Personal regelmäßig knapp oder Fundplätze nur noch teilweise erhalten bzw. für die Forschung zugänglich sind, wäre es gut, Methoden und Techniken zu entwickeln, die es erlauben, mit Teilausgrabungen alle oder ein Höchstmaß an Erkenntnissen zu gewinnen. In dieser Arbeit soll versucht werden, solche Methoden und Techniken zu entwickeln und "trocken" zu testen. Ist es möglich, mit Teilausgrabungen genau so viele Erkenntnisse zu gewinnen, wie mit Ganzausgrabungen?

Ist es möglich, eine optimale Strategie für Teilausgrabungen zu entwickeln?

Ist es möglich, Wahrscheinlichkeiten für Informationsverlust bei Teilausgrabungen anzugeben?

Dieses sind die Fragen, die untersucht werden sollen.



I. 2. Themenabgrenzung

Es sollen jungpaläolithische Lagerplätze in Europa untersucht werden. Für ethnographische Vergleiche sollen geeignete Kulturen ohne räumliche Beschränkung genutzt werden. Die zeitliche und sachliche Abgrenzung ergibt sich aus der Themenstellung.



I. 3. Forschungsstand


I. 4. Quellenlage



I. 5. Methodischer Ansatz

Verschiedene Vergleichsverfahren (aktualistischer, ethnographischer V.), logische Diskussion von Forschungsergebnissen, Modellbildung (Kulturmodelle, mathematische Modelle), Hypothesenbildung und Hypothesentest, Experimente.

Die erarbeiteten Hypothesen und Modelle sollen an publizierten, ganz ausgegrabenen Fundplätzen überprüft werden.



II. Probleme der Deutung von Überresten in Bezug auf das ehemalige Kulturverhalten

II. 1. Erkennen der einmaligen, gelegentlichen oder häufigen Nutzung eines Platzes

Dieses ist ein wichtiger Punkt, um gesicherte Aussagen über das Kulturverhalten früherer Menschengruppen machen zu können.

An häufig genutzten Plätzen haben wir das Problem, dass sich z.B. Geräteinventare verschiedener Gruppen und Kulturen gemeinsam, für uns ununterscheidbar, in einer Schicht oder einem Horizont befinden (können) und so eventuell zu einer neuen Gruppen- oder gar Kulturdefinition führen, besonders wenn Gerätehäufigkeiten statistisch miteinander verglichen werden. Ein weiterer Punkt ist, dass immer wieder aufgesuchte Lagerplätze wahrscheinlich auf eine ehemalige besonders günstige Lage zurückzuführen sind, so etwa im Ahrensburger Tunneltal zur Rentierjagd. Wenn die Rentiere bereits damals jahreszeitliche Wanderungen unternahmen, kann man davon ausgehen, dass es sich um Jagdlager handelt, in denen sich das Inventar zur Jagd und zur Verarbeitung der Beute befindet. Sollten dieselben Gruppen, die hier jagten, an anderen Orten, z.B. dem damaligen Elbufer zu anderen Jahreszeiten Wanderfische wie etwa Lachse in größerem Ausmaß gefangen haben, würde sich an diesen Stellen das Fischfanginventar finden, obwohl es von denselben Personen und vielleicht aus demselben Jahr, stammt.

II. 2. Differenzierung der Überreste und Spuren nach Kulturen, Gruppen und Individuen

Die Differenzierung der Überreste und Spuren ist ein sehr schwieriges Problem. Selbst wenn es nur einen ehemaligen Laufhorizont, wie etwa die ehemalige Erdoberfläche bei einem Freilandlagerplatz gibt, können doch unterschiedliche Menschengruppen mit verschiedenen, uns überlieferungsfähigen Kulturverhalten, wie z.B. Werkzeugtraditionen, diesen Lagerplatz innerhalb weniger Jahre (oder eines einzigen Jahres) für uns ununterscheidbar, nutzen. Eine Nutzung durch Gruppen mit unterschiedlichen nicht überlieferungsfähigem Kulturverhalten -- z.B. Rechtstradition, Sprache -- ist natürlich auch möglich, für uns aber in diesem Zusammenhang nicht von Interesse, wenn sich diese Unterschiede nicht im Befund niederschlagen. Ein weiteres Problem ist das Gruppen- bzw. Individualverhalten. Da wir bei den Überresten und Spuren zumeist Beispiele des Individualverhaltens vor uns haben, so werden die Steingeräte wohl in den allermeisten Fällen von Individuen hergestellt, die darüber hinaus noch unterschiedlich geschickt bzw. geübt sind und ein jeweils individuelles Stück Rohmaterial benutzen, um daraus Geräte aus dem Typenspektrum der jeweiligen Kultur herzustellen. Diese Geräte wurden aber nicht für uns Archäologen für unsere Zwecke hergestellt, sondern sollten damals eine Funktion (oder mehrere Funktionen) erfüllen, wenn eine einfache Form, z.B. eine scharfe Schneidkante, für die momentan benötigte Funktion ausreichte, brauchte der damalige Hersteller den Abschlag nicht weiter in einer tradierten Technik zu einer tradierten Form zu verarbeiten. Wir können dann den Abschlag nicht aufgrund von Merkmalen oder Merkmalsgruppen einem bestimmten Typ zuordnen. Nur wenn wir eine größere Anzahl von Einzelstücken gleichen oder ähnlichen Typs haben, können wir vom Individualverhalten, nämlich der immer wiederholten Herstellung desselben Typs durch verschiedene Individuen, auf das Gruppenverhalten und durch immer wiederholte Beobachtung desselben Gruppenverhaltens, dieses als einer Kultur typischen Kulturverhaltens definieren.

II. 3. Differenzierung nach einzelnen Aufenthalten bzw. Tätigkeiten

Selbst wenn es jährlich wiederkehrende Phänomene, wie etwa Warvensedimentation, an einem Fundplatz geben sollte, so könnten doch innerhalb eines Jahres mehrere verschiedene Gruppen oder eine Gruppe mehrfach diesen Platz für immer dieselbe oder auch verschiedene Tätigkeiten genutzt haben. Außerdem gibt es hierbei noch die Möglichkeiten,

a) jeweils genau dieselben Plätze zu nutzen, das hieße z.B. das Feuer genau in der alten Feuerstelle und das Zelt mit denselben Steinen am selben Ort

b) am selben Lagerplatz, aber nicht genau am selben Ort

c) eine Mischform aus a) und b).

Im Falle a) haben wir das Problem, dass sich Überreste und Spuren aus zwei oder mehr Aufenthalten überlagern. Bei gleichen Tätigkeiten würde nur die Menge der Überreste und Spuren ansteigen, bei unterschiedlichen Tätigkeiten würde sich zusätzlich die Art der Überreste und Spuren ändern.

Im Fall b) würde sich die Struktur des Lagerplatzes ändern, so würden z.B. drei Aufenthalte mit je fünf Zeltgemeinschaften dieselben Spuren und Überreste hinterlassen, wie fünf Aufenthalte á drei Zeltgemeinschaften oder ein Aufenthalt von fünfzehn Zeltgemeinschaften unter der Voraussetzung, dass keine Überschneidungen vorliegen, die ausschließen, dass an dem Ort zwei Zelte gleichzeitig standen (hier wäre natürlich auch an die Möglichkeit eines "Sonderbaues" für Gemeinschaftszwecke, wie etwa Kulthandlungen, zu denken).

Bei c) hätte man die Probleme von a) und b).

Ein weiterer Problembereich ist die zeitliche Zuordnung unterschiedlicher, räumlich getrennter Tätigkeitsbereiche. z.B. die Frage ist ein etwas abseits gelegener Schlachtplatz, gleichzeitig mit Feuerstellen und Zeltringen. Gehört er auch zu diesen Lagerplatz oder einen in anderer Richtung gelegenem? Dieses gilt verstärkt auch für Ansitzverstecke an Wildwechseln, sofern diese aus Stein errichtet (und damit zumindest potentiell über lange Zeiträume erhaltungsfähig) sind. Solange sich das Verhalten, sprich Wanderweg, des Wildes nicht ändert, können die Ansitze immer wieder bezogen werden. Wie sollte man diese Ansitze nun zuordnen? Wenn man sie vor einem Lagerplatz findet und ihren Zweck richtig interpretiert, so könnte man wohl davon ausgehen, dass es zumindest einen (Jagd)lagerplatz in der (wohl nicht allzu nahen) Umgebung gibt oder gab. Sollte man diesen finden, schließt das aber nicht aus, dass es weitere Plätze in der Umgebung gibt oder gab, an denen sich Jagdlager befanden.

II. 4. Bestimmung der Jahreszeit

Als Möglichkeit, um die Jahreszeit zu bestimmen, in der ein Lagerplatz genutzt wurde, bieten sich Überreste an, die saisonal gehäuft oder ausschließlich vorkommen. Zu denken wäre an Knochen von Jungtieren, Pflanzenteile, insbesondere Überresten von Nüssen (Schalen), Früchte und Beeren (Kerne), sowie Überresten von Wanderfischen (Schuppen und Gräten) oder von Molusken, die nur saisonal genießbar sind (Muscheln in den Monaten mit "r").

Auch beim Vorhandensein solcher Indikatoren ist zu beachten, dass zum einen eine Mehrfachnutzung im Laufe des/r Jahre(s) möglich ist, zum anderen, beim Vorhandensein einer Vorratswirtschaft, z.B. Nußschalen oder Jungtierknochen, auch eine unbekannte Zeit nach dem Sammeln bzw. der Jagd an diesen Platz gelangen konnten.

II. 5. Problem der Erhaltungsfähigkeit

Aufgrund der langen Verweildauer der Überreste und Spuren im Boden sind, außer bei ungewöhnlich guten Erhaltungsbedingungen, nur anorganische Stoffe erhaltungsfähig. Das heißt, oberflächennah werden sich nur Steine und evtl. Holzkohle erhalten haben, in tieferen Schichten und günstigen Bedingungen auch Knochen. Nur beim Vorhandensein ganz besonders guter Erhaltungsbedingungen auch andere organische Reste. Daraus müssen wir schließen, dass wir nur einen sehr geringen Ausschnitt des Kulturverhaltens an diesen Plätzen überliefert bekommen. Je tiefer die Funde und Befunde unter der heutigen Oberfläche liegen, d.h. je besser die Erhaltungsbedingungen, z.B. unter dem Grundwasserspiegel, desto unwahrscheinlicher ist es, sie mit den üblichen Prospektionsmethoden der Archäologie entdecken zu können und desto schwieriger und aufwendiger ist eine Ausgrabung nach heutigem Standard, wenn z.B. im Rahmen von Baumaßnahmen ein solcher Fundplatz angeschnitten wird. Zudem wird es sich bei den zu erreichenden Tiefen wohl meist um Großprojekte, wie etwa Tunnel- oder U-Bahnbau bzw. Tagebaue handeln, bei denen Verzögerungen richtig teuer und damit höchst unbeliebt sind. Auch gute Erhaltungsbedingungen in extrem trockenen Gebieten oder in Gebieten mit Permafrost oder dauerfeuchten Gebieten haben Nachteile. Zum einen wird die Arbeit durch die Umstände erschwert, zum anderen werden durch die dünne Besiedelung oder heutige Besiedlungsleere derartige Fundorte seltener angeschnitten oder aufgefunden, d.h. der Archäologe hat zwar die Chance ungestörte Fundplätze in Ruhe ausgraben zu können, er muss sie aber selber suchen und auch finden.

Ein weiterer Aspekt der Erhaltungsfähigkeit ist die Erhaltungsfähigkeit in der Zukunft, die bei der Frage Teil- oder Ganzausgrabung eine wichtige Rolle spielt.

Wenn die nicht ausgegrabenen Teile nicht durch Baumaßnahmen oder andere Eingriffe in die Landschaft gefährdet sind, fällt die Entscheidung Teile der Fundstelle nicht auszugraben, relativ leicht. Man erhält sich zum einen die Möglichkeit, Nachuntersuchungen durchzuführen bzw. anderen Wissenschaftlern die Möglichkeit, die eigenen Ergebnisse unabhängig zu überprüfen. Zum anderen könnten in der Zukunft mit neuen oder verbesserten Methoden und Techniken neue Fragestellungen untersucht werden. Werden die nicht ausgegrabenen Teile jedoch zerstört, so steckt der Wissenschaftler in einem unlösbaren Dilemma, denn einerseits besteht immer die Möglichkeit, gerade in dem Teil der nicht ausgegraben wurde, Neues oder Ungewöhnliches zu entdecken, andererseits ist es nicht möglich, alle archäologischen Fundstellen mit dem heute anzuwendenden Standard auszugraben und wissenschaftlich aufzuarbeiten. Lediglich die Objekte vor der Baggerschaufel zu retten und in Museumsmagazinen zu "horten", um sie später irgendwann "wissenschaftlich zu bearbeiten" bringt uns nicht weiter, da in den meisten Fällen nur eine Sortierung der Objekte und Aussagen wie: "Dieser Typ kommt auch dort und dort noch vor und der Ausgräber dort meint, es sei so und so alt". Die beste Strategie sowohl hinsichtlich der Wissenschaft wie auch seinem Gewissen dieses Dilemma anzugehen ist, sich Probleme und Fragestellungen zu suchen, die man längerfristig bei Ausgrabungen erforscht, wie es die Grabungen erlauben, so dass man bei den meisten Ausgrabungen Antworten auf Teile seines Fragenkataloges erhält bzw. diesen erweitern kann und sich um die nicht untersuchten Fundstellen, die zerstört werden, nicht kümmert, da die geborgenen Objekte ohne vernünftige Fragestellungen und darauf abgestimmte Grabungstechnik und -dokumentation kaum wissenschaftlichen Aussagewert haben und für Konservierung und Lagerung nur kostenträchtig sind. Dieses Vorgehen setzt eine Prospektierung vermuteter Fundstellen voraus, um sich auf die vermutlich wissenschaftlich wichtigsten zu konzentrieren. Hat man mit seiner Einschätzung falsch gelegen, kann man entweder versuchen zu retten was zu retten ist, oder sich gar nicht drum kümmern, nach dem Motto "was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß".

Was allerdings zu Schlagzeilen wie "Goldschatz auf den Müll gefahren! Krasses Versagen der Archäologen" führen könnte, so dass das eigene Vorgehen sich im Nachhinein als falsch erweisen könnte.



III. Ganzausgrabung

III. 1. Woher weiß man, dass man einen Lagerplatz ganz ausgegraben hat?

Dieses ist ein wesentliches Problem. Man könnte es sich einfach machen und "Lagerplatz" sehr eng definieren, z.B. Reste oder Spuren eines Wohnbaues oder einer Feuerstelle und, soweit im Umkreis bis auf drei folgende Meter, keine Funde mehr gemacht werden. Auf diese Weise hätte man meist überschaubare Grabungsareale, aber hier taucht das Problem der Überschneidung mehrerer so definierter Objekte auf. Außerdem sind so nur eingeschränkte Aussagen zum Kulturverhalten der Menschen an diesem Platz möglich, da es nicht wahrscheinlich ist, dass die früheren Jäger ihr Lager einige Meter neben dem Wildwechsel errichteten oder größere Menge Jagdbeute direkt neben ihren Wohnbauten zerlegten und noch länger an diesem Platz blieben.



IV. Teilausgrabung

IV. 1. Überlegungen zur räumlichen Verteilung von Aktivitäten und der Wahl von Lagerplätzen

IV. 1.a) Aktualitischer Vergleich


Zu diesem Punkt können wir nur eingeschränkt Aussagen machen, da unser heutiges Jagdverhalten aufgrund der modernen Technik (Reichweite und Zielgenauigkeit moderner Schusswaffen) sich stark von den im Jungpaläolithikum angewandten Jagdtechniken unterscheiden dürfte. Wenn wir aus dem Aktualismusprinzip heraus annehmen, dass sich das Verhalten von Wildtieren seit dem Paläolithikum nicht signifikant verändert hat, können wir jedoch einige Aussagen machen. So muss der Lagerplatz so weit von den vorgesehenen Jagdplätzen entfernt sein, dass das Wild nicht vergrämt wird und den Ort verlässt, bzw. so wenig wie möglich beunruhigt wird, da man sich, um es zu erlegen (sofern man keine Fallen benutzte), nahe an das Wild anschleichen musste. Ist das Wild beunruhigt, wird dieses schwieriger oder ganz unmöglich. Andererseits soll das Lager natürlich so nahe wie möglich an den Jagdplätzen sein, um die Anmarsch- und Transportwege des erlegten Wildes so kurz wie möglich zu halten. Ein weiterer Gesichtspunkt bei der Wahl des Lagerplatzes ist die Verfügbarkeit anderer Nahrungsmittel und Ressourcen, wie etwa Beeren und Früchte, Trinkwasser, die Möglichkeit zu fischen sowie das Vorhandensein von Brennholz und Baumaterialien für Unterkünfte.

Über Faktoren wie Organisation, Sauberkeit und Ordnung, Belästigung durch Insekten usw. lässt sich aus unseren heutigen Vorstellungen auf die damaligen Ansichten nicht zurückschliessen.

IV. 1. b) Ethnographischer Vergleich

Ein Problem beim ethnographischen Vergleich ist, dass heutige Jäger- und Sammlervölker von der über die ganze Erde verbreiteten Pflanzbau- und Viehzüchterbevölkerung in Ungunst-Gebiete abgedrängt wurden, die sich klimatisch nicht für Pflanzbau und Viehhaltung eignen. Vor der Neolithisierung der Erde waren die Jäger und Sammler natürlich in der Lage, die jeweils günstigsten Räume zu besiedeln und Ungunst-Gebiete zu meiden. Deshalb stellt das heutige oder subrezente Kulturverhalten der Jäger und Sammler in den Ungunst-Gebieten kein unkritisch zu übernehmendes Modell für früheres Kulturverhalten dar.

Wenn wir unterstellen, dass während einer Kaltzeit in der Nähe des Eisrandes nur "Ungunst-Gebiete" zur Besiedelung zur Verfügung standen und die Verhältnisse am Eisrand Norddeutschlands etwa denen des heutigen Alaskas entsprachen, mag das folgende Beispiel nicht ganz falsch sein.

Es stammt von L. R. BINFORD aus seinem Buch "Die Vorzeit war ganz anders" S. 120 ff. Es handelt sich um ein Karibu-Jagdlager alaskanischer Inlandeskimos, das Binford Mitte der 60ziger Jahre beobachtete, der sog. "Komplex von Anavik Springs".

Binford beschreibt ihn folgendermaßen (siehe auch Abbildungen): "Der Komplex von Anavik Springs besteht aus drei deutlich voneinander getrennten Plätzen, an denen man Arbeiten verrichtete, die miteinander zu tun hatten. Und zwar geschah dies, wenn man die im Frühjahr auf ihrer üblichen Route über den Anaktuvuk-Paß nach Norden ziehenden Karibuherden jagte. Über den Anaktuvuk-Paß führt der Weg in die flache, offene Tundra. Die funktional miteinander in Verbindung stehenden Plätze bestehen in diesem Falle:

1. aus einem Jagdlager (einschließlich eines besonderen 'Liebeslagers'),

2. einem Schlachtplatz mit besonderen Zonen für das Ausweiden und Zerlegen der getöteten Jagdbeute und

3. einer Reihe steinerner caches ('Verstecke', 'verborgener Vorratslager'), in denen man das Fleisch der erlegten Tiere aufbewahrte.

An allen drei Plätzen, die bis zu einem Kilometer voneinander entfernt sind, ging man völlig verschiedenen Tätigkeiten nach, doch alle drei dienten letztlich dem gleichen Zweck (der Nutzung der Karibuherden), ja im Regelfall nutzte eine und dieselbe Menschengruppe alle drei an einem und demselben Tage."

[Abb. 54, 55, 56]

Bei der archäologischen Untersuchung eines solchen Komplexes, ohne die Möglichkeit der direkten Beobachtung seiner Entstehung sowie der Möglichkeit der Befragung der ihn verursachenden Personen dürften erhebliche Schwierigkeiten auftreten. Zum einen, das Auffinden der verschiedenen Strukturen, die über mehrere Quadratkilometer verteilt sind (siehe Abb. 54), zum anderen, der Nachweis, dass diese Strukturen gleichzeitig und zusammengehörig sind. Diese Probleme stellen sich bereits bei dem "Jagdlager in den Weiden" (siehe Abb. 55). Auch hier müsste man die Gleichzeitigkeit und Zusammengehörigkeit nachweisen, da es auch möglich wäre, dass über mehrere Jahre jeweils nur ein Platz genutzt wurde und nicht alle gleichzeitig in einem Jahr bzw. die Plätze von gleichen Personengruppen über mehrere Jahre.

Auch der hier angeführte Komplex wurde früher schon häufiger benutzt und ist ununterscheidbar mehrphasig.

Eine Technik zwischen Ethnologie und Archäologie ist die site catchment analysis,(1) die jedoch auch Probleme aufwirft. Zum einen gibt es das Problem, das Einzugsgebiet einzugrenzen. Dieses geschieht entweder räumlich oder zeitlich. "Typische(2)" Werte für Wildbeuter wären etwa 10 km bzw. 2 Wegestunden. Das räumliche Begrenzen lässt sich am Schreibtisch mittels Karte und Zirkel zwar wunderbar einfach ausführen, jedoch hat so ein Kreis mit der damaligen Wirklichkeit wenig gemein, da stillschweigend vorausgesetzt wird, dass jeder Punkt gleich zugänglich ist, was in einer natürlichen Landschaft mit Flüssen, unterschiedlichstem Bewuchs und eventuellen Geländehindernissen (z.B. Schluchten) nicht der Normalität entspricht. Wir müssten also zumindest eine Urlandschaftsrekonstruktion durchführen, was besonders für die damalige Vegetationsdichte und eventueller "Naturstraßen", wie z.B. breite Schotterbänder an Flüssen, schwierig bis unmöglich sein wird. Mit dieser Rekonstruktion und den 2 Wegestunden(3) wird sich dann ein unregelmäßig geformtes Gebiet eingrenzen lassen. Ob dieses jedoch wirklich das Einzugsgebiet der damaligen Gruppe an einem bestimmten Lagerplatz war, ist sehr unsicher. Zum einen wissen wir nicht, welche Bedürfnisse jeweils an gerade diesem Lagerplatz befriedigt werden mussten und welche, vielleicht später, an einem anderen Platz leichter befriedigt werden konnten. Zum anderen kann man zwar im groben die Produktion von Biomasse (jagdbares Wild und sammelbare Pflanzennahrung) berechnen, aber die individuelle Wilddichte und Häufigkeit bestimmter Pflanzen ist nicht sicher bestimmbar. Deshalb ist es sowohl möglich, dass an günstigen Stellen das Einzugsgebiet viel kleiner war, an anderen Stellen vielleicht ausgedehnter, wenn auch nur in einer Richtung. Deshalb ist diese Technik für die hier behandelten Fragestellungen, selbst wenn man "Lagerplatz" sehr weiträumig definiert, wenig brauchbar. Besser wäre es, ausgehend von einem Kulturmodell und der rekonstruierten Urlandschaft, Orte und Gebiete auf der Karte bzw. im Gelände zu suchen, an denen sich die aus dem Modell abgeleiteten Bedürfnisse vermutlich am Besten befriedigen lassen und dort nach Spuren und Überresten dieser Tätigkeiten zu suchen.

IV. 1. c) Funde und Befunde archäologischer Untersuchungen

Man könnte eine Vielzahl (theoretisch auch alle) ausgegrabenen JPL auf die vorgefundenen Verteilungsmuster von Spuren und Überresten auswerten und daraus Durchschnittswerte bzw. "Typen" und "typische Verteilungen" berechnen. Neben der Schwierigkeit auszusagen, daß jeweils alle vorhandenen Teile eines Lagers noch vorhanden, erkannt und dokumentiert, und für die damaligen Zeiten, Orte und Kulturen repräsentativ sind, also die Ergebnisse der statistischen Analyse nicht nur rechnerisch richtig, sondern auch sinnvoll sind, lässt sich nie ausschließen, das gerade das Lager, dass man untersuchen will, vollkommen untypisch ist und den durchschnittlichen Ergebnissen nicht entspricht, vielleicht sogar in einer Art und Weise, die sich beim Anwenden eines Durchschnittes nicht schnell erkennen lässt, sondern erst später während der Ausgrabung und bereits durch nicht angemessenes Vorgehen bei der Ausgrabung schon Funde und Befunde vernichtet oder nicht mehr nachweisbar sind.



IV. 1. d. Topograhpie und Klima eines Ortes

Besonders bei länger bestehenden Lagern, sind topographische und mikroklimatische Faktoren wichtig für die Auswahl eines Lagerplatzes. So etwa Schutz vor starken oder kalten Winden, Abflussmöglichkeit für Regenwasser, Aussicht auf die Landschaft bzw. Schutz gegen Entdeckung, Freiheit von Tau und Morgennebel, Sonnenschein bzw. Schatten. Durch eine Urlandschaftsrekonstruktion können wir uns in Grenzen ein Bild von möglichen günstigen Plätzen machen. Probleme hierbei sind Faktoren wie Bewuchs und das Revierverhalten von Tieren (Wildwechsel und Wilddichte), die wir nicht erschließen können, aber die durchaus Faktoren für die Wahl eines Lagerplatzes sein konnten, auch wenn er dadurch "topographisch" ungünstig liegt. Die Topographie hat natürlich auch Einfluss auf die Erhaltungsfähigkeit eines Lagerplatzes, z.B. wird ein Lagerplatz in Hanglage oder an einem Flussufer durch Erosion leicht abgetragen oder in einer Senke durch Sedimentation überdeckt, so dass er zerstört oder für uns nicht auffindbar ist.



IV. 1. e) Art (Zweck) des Lagers

Je nach Zweck eines Lagers, und damit verbundener Bestandsdauer und ausgeführter Arbeiten und Tätigkeiten, entstehen unterschiedlich viele Spuren und Überreste. Diese unterscheiden sich nach Zweck und Tätigkeit. So kann man davon ausgehen, dass eine Gruppe von Jägern und Sammlern im Laufe eines Jahres (oder mehrerer Jahre) ganz unterschiedliche Läger errichtet und damit auch ganz verschiedene Spuren und Überreste hinterlässt. So können wir nach der Dauer unterscheiden:

a) Sehr kurzzeitige, z.B. Übernachtung auf dem Marsch von einem länger genutzten Lagerplatz zum nächsten, kurzfristiger Schutz vor schlechtem Wetter bei der Jagd oder beim Sammeln, wenn das Hauptlager nicht schnell erreichbar ist.

Bei dieser Art Lager werden keine oder kaum erhaltungsfähige Spuren zurückbleiben, vielleicht eine Feuerstelle und Abfälle der Steingeräteherstellung, falls solche Arbeiten ausgeführt wurden. Eventuelle Wind- oder Wetterschutzbauten werden auch nur sehr geringe Spuren im Boden hinterlassen haben, z.B. im Boden verankerte Stangen.

b) Lager, die einige Tage bis einige Wochen genutzt wurden, z.B. für die Jagd. Hier würden sich mehr Spuren und Überreste finden lassen, sofern sie bis heute erhaltungsfähig sind. Schlachtabfälle (Knochen und Geweihe) wären über die lange Zeit nur unter sehr günstigen Bedingungen erhaltungsfähig, wenn sie bald nach ihrer Entstehung in den Boden eingebettet und vor schädlichen Faktoren (Sauerstoff, Bakterien etc.) geschützt sind. Auch die Überreste von Bauwerken, wie etwa Hütten, Steinringe zur Zeltbefestigung oder Bodeneingriffe, könnten erhaltungsfähig sein.

c) Permanente Lager, die mehrere Monate (Winterlager?) oder evtl. sogar mehrere Jahre an besonders günstigen Stellen bestanden haben. Hier wäre mit einer großen Menge erhaltungsfähiger Reste und Spuren zu rechnen, da für den Winter stabilere und besser isolierte Bauwerke zu erwarten wären, was sich am Besten durch Grubenhäuser erreichen ließe. Auch Vorratsgruben wären zu erwarten sowie eine große Anzahl bzw. länger genutzte Feuerstellen mit entsprechend verziegeltem Untergrund. Auch Steingeräte bzw. deren Herstellungsabfälle wären in größerer Zahl zu erwarten.



IV. 1. f) Welche Funde und Befunde sind am Ort erhaltungsfähig?

Diese Frage ist für uns von entscheidender Bedeutung, da z.B. von einem Lager zum Fischfang auf einer Sandbank oder dem Kiesufer eines Flusses keine Überreste erhalten bleiben werden, jedoch bei dessen Lage auf einer Uferterrasse am Gleithang einer Flussschleife oder im Feuchtboden eines Seeufers sehr wohl Reste und Spuren erhalten sein können. Hier ergibt sich das Problem, auch wenn wir an einem Fluss keine Lagerplätze nachweisen können, können sie doch sehr wohl bestanden haben.

IV. 1. g) Zufallsfaktoren

Beim Zustandekommen von Verteilungsmustern innerhalb eines Lagerplatzes spielen neben geplantem Verhalten, sei es sachlich begründet oder traditionell oder kultisch bedingt, auch zufällige Faktoren wie z.B. Sonnenstand, Windrichtung, oder auch abweichendes Individualverhalten einzelner Personen, eine (für uns nicht nachvollziehbare) Rolle. Dieses ist eine zusätzliche Schwierigkeit bei der Rekonstruktion des damaligen Kulturverhaltens.

Wir müssen uns in diesem Zusammenhang auch nach der Relevanz bestimmter Funde und Befunde für das Kulturverhalten fragen, so ist etwa die Größe und Verteilung von Abschlägen bei der Steingeräteherstellung wahrscheinlich von Zufallsfaktoren abhängig, so dass nach der Klärung grundlegender Fragen zur Herstellungstechnik kaum mehr historisch relevante Aussagen z.B. aus einer statistischen Auswertung tausender Steinsplitter und Absplisse zu erwarten sind(4). Wie uns der aktualistische Vergleich zeigt, ist die Körperhaltung (stehend, knieend oder sitzend) die Blickrichtung und damit Arbeitsrichtung, die Größe des Schlagsteins und des Ausgangsmaterials und daraus resultierend Menge und Größe der Abschläge von so vielen zufälligen Parametern abhängig, dass sich aus einer statistischen Analyse keine gesicherten Erkenntnisse ableiten lassen. Man kann einzig die an einer Schlagstelle liegenden Teile zusammensetzen, um so festzustellen, welches Gerät hergestellt wurde (durch Ausgießen des Hohlraumes nach dem Zusammensetzen) und in welcher Reihenfolge die Splitter abgeschlagen wurden. Es genügt dabei exemplarisch vorzugehen, wenn man in einem neuen Gebiet arbeitet, in dem sich solche Befunde häufig finden (Wüsten), und dann nur noch in außergewöhnlichen Fällen.

IV. 1. h) Kultur- und Gruppenverhalten

Wir müssend davon ausgehen, dass an den meisten (wenn nicht sogar an allen) Lagerplätzen nur ein Teil des Kultur- oder Gruppenverhaltens stattgefunden, bzw. Spuren und Überreste, die für uns auffind- bzw. interpretierbar sind, hinterlassen haben.

So ist es z.B. möglich, das ein und dieselbe Gruppe von Jägern und Sammlern über ein Jahr Lagerplätze hinterlässt, an denen völlig unterschiedliche Überreste und Spuren verbleiben. So würde ein Jagd- und Schlachtplatz neben den Überresten der Jagdbeute ein Steingeräteinventar hinterlassen, dessen Funktionen das Zerlegen der Jagdbeute und evtl. der Fellbearbeitung war. Ein Lager, das zum Sammeln bestimmter Pflanzen z.B. Beeren diente, würde solche Geräte nicht oder nur in geringer Zahl enthalten. Da "Sammelgeräte" wie Körbe, Taschen oder Grabstöcke aus organischem Material mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht erhalten wären, könnten wir den Zweck eines solchen Lagers auch nicht rekonstruieren. Ein weiterer Gesichtspunkt ist, das sich ein Kulturverhalten, obwohl vorhanden, durch seine Art nicht an jedem Fundplatz nachweisen lässt. Selbst wenn das Kulturverhalten erhaltungsfähige und deutbare Reste hinterlassen könnte, so z.B. bei Schmuck, der außer bei Verlust oder so starker Beschädigung, dass er vom Träger nicht mehr als "schön" empfunden und fortgeworfen wird, immer an Mann oder Frau bleibt und so von Lagerplatz zu Lagerplatz verbracht wird. Ohne eine nachweisbare Grabsitte und auch auffindbaren Gräbern ist der Nachweis von Schmuck nur durch glückliche Umstände möglich. So wie in El Greifa (Fezzan Libyen) - Fundplatz E - durch eine offenbar zerrissene Straußeneischalen-Perlenkette mit sofortiger Einlagerung in weiche Aschensedimente, die evtl. zu diesem Zeitpunkt etwas unter Wasser standen. Dazu muss auch eine den jeweiligen Erhaltungsbedingungen angepasste Ausgrabungstechnik und Strategie kommen, um kleine aber wichtige Funde und Befunde zu erkennen.

Andererseits können Gruppen mit unterschiedlichem Kulturverhalten identische Spuren und Überreste hinterlassen, wenn ihre Ökonomie und Technologie identisch oder zumindest sehr ähnlich ist, was den erhaltungsfähigen Anteil betrifft, sie sich aber in Sprache, Religion und Rechtssystem fundamental unterscheiden.



IV. 2. Techniken zur Festlegung eines Teilbereiches der ausgegraben werden soll

IV. 2. a) Festlegung ohne Einflussmöglichkeit des Archäologen

Dieses wäre gegeben, wenn Teile des Fundplatzes z.B. erodiert sind oder das Gelände teilweise bebaut ist, ohne dass bekannt wäre, ob und wie sich der Lagerplatz unter der Bebauung ausgedehnt hat. Eine weitere Möglichkeit wäre, dass nur ein zu bebauender Teil, z.B. eine auszuhebende Baugrube, untersucht werden kann.

In solchen Fällen muss der Ausgräber mit dem zufrieden sein, was sich zufällig in dem untersuchten Gebiet befindet.

IV. 2. b) Echte Zufallsfestlegung

Hier wird das Gebiet in Quadranten eingeteilt, (wobei natürlich die Frage bleibt: Wie groß soll man das Gebiet auswählen? und wie groß soll man die Quadranten anlegen?) und durch Los oder andere Zufallsverfahren, ein bestimmter Teil Quadranten ausgewählt um diese dann auszugraben. Ist die Stichprobe groß genug, sollten sich alle vorhandenen Phänomene der Theorie nach in den ausgewählten Bereichen finden lassen. Gegen dieses Verfahren lässt sich einiges einwenden. Zum ersten ist es nicht so, dass sich die Tätigkeiten oder Verteilungen von Mustern über den Lagerplatz im Sinne einer "Normalverteilung" abbilden, sondern es unterschiedliche Bereiche gibt oder zumindest geben kann. Zum zweiten ist es möglich, dass durch das Losverfahren Bereiche bestimmt werden, die räumlich eng beieinander liegen und so nur einen kleinen Teil des Areals abdecken oder sich an den äußeren Grenzen des gewählten Areals befinden.

Es ist auch möglich, dass schwierig auszugrabende oder wahrscheinlich gestörte Quadranten gelost werden, wenn man sie nicht von vornherein ausschließt. Sollte dieses eintreten, müsste man entweder "mogeln" und das Losverfahren wiederholen, oder willkürlich eine gleichmäßigere Verteilung vornehmen, oder man sollte sich damit abfinden, dass große Teile des Areals nicht untersucht werden, auch wenn der prozentuale Anteil der ausgegraben wird, stets gleich ist. Es ist ja immer schon ein zumindest kleiner Teil des Lagerplatzes bekannt, anhand dessen und der Topographie des Ortes man die Fläche von der man meint, dass sie den ganzen Lagerplatz beinhaltet, festlegen muss. Diese Entscheidung beeinflusst, je nach dem ob man "gut geraten" hat oder nicht, zusammen mit Größe und Anzahl der zu untersuchenden Quadranten die Wahrscheinlichkeit, Quadranten dabei zu haben, die überhaupt Funde und Befunde enthalten oder noch unwahrscheinlicher, einen repräsentativen Querschnitt durch das Spektrum der vorhandenen Funde und Befunde des Lagerplatzes aufweist. Selbst wenn wir eine Wahrscheinlichkeit von sagen wir 70 % für diesen Fall nachweisen könnten, hieße das ja nur, von 100 gleichen oder sehr ähnlichen Lagerplätzen hätten wir mit unserem Ansatz bei 70 Ausgrabungen Erfolg, für diesen einen bestimmten Fall ist aber keine Aussage möglich.



IV. 2. c) Festlegung durch geometrische Muster

Hier haben wir den Vorteil, dass wir die zu grabenden Flächen zum einen gleichmäßig verteilen können, zum anderen Stellen oder Bereiche, die gute Erhaltungsbedingungen versprechen oder aufgrund ihrer Lage oder anderer Eigenschaften besonders "fundhöffig" sind, zu bevorzugen bzw. im Umkehrschluss solche auszuschließen, die uns als nicht viel versprechend bzw. gestört oder besonders schwierig auszugraben erscheinen oder sind.

Auch hier ist das Problem, dass wir, wenn wir nach der "Quadrantenmethode" vorgehen wollen, ein einzuteilendes Areal festlegen müssen sowie Anzahl und Größe der zu grabenden Flächen. Bei der Festlegung der geometrischen Figuren sind wir im Prinzip frei. Da es aber unpraktisch ist, in Kreisen oder unregelmäßigen Vielecken zu graben, bieten sich Rechtecke an. Wie diese am Besten angeordnet werden, soll unter Punkt IV. 3. b) / c) näher ausgeführt werden.



IV. 2. d) Festlegung nach Modellbildung

IV. 2. d. 1) Mathematische Modelle

Man könnte bereits ausgegrabene Lagerplätze nach einer durchschnittlichen Verteilung untersuchen und daraus ein Verteilungsmodell für die zu untersuchenden Bereiche ableiten. Dieses Vorgehen hat zwei Nachteile:

1. müsste man den zuerst entdeckten Bereich als einen bestimmten des Lagers identifizieren können, um ihn als "Null-Punkt" verwenden zu können

2. gibt es, bedingt durch Zweck des Lagers, Topographie, zufällige Faktoren und evtl. noch anderer Parameter, die Möglichkeit einer so großen Variationsbreite in dem Verteilungsmuster, dieses einen paläolithischen Lagerplatzes, der dann mit einem solchen Modell des "Durchschnitts vieler (aller) bekannten Lagerplätze" an nahezu jedem konkreten neuen Lagerplatz mehr oder minder falsch liegen würde.



IV. 2. d. 2) Aus dem angenommenen oder schon bekannten Kulturverhalten

Indem wir ein Modell des damaligen Kulturverhaltens konstruieren, aus dem die Bedürfnisse und Möglichkeiten paläolithischer Jäger und Sammler abzuleiten sind, können wir zusammen mit einer Urlandschaftsrekonstruktion des jeweiligen Platzes bzw. der Landschaft Rückschlüsse auf Stellen ziehen, die besonders günstig für bestimmte Zwecke wären und somit eine hohe Wahrscheinlichkeit für das Vorhandensein von Funden bzw. Befunden bieten. Ausgehend von einem schon bekannten Punkt des Lagerplatzes, kann man nach günstigen Stellen für bestimmte Tätigkeiten oder Bedürfnisse (z.B. Jagd oder Trinkwasser) suchen und diese dann gezielt untersuchen. Diese Verfahrensweise eignet sich als einzige hier vorgestellte auch dazu, in einer Landschaft Lagerplätze zu suchen und, sofern diese in der betreffenden Zeit besiedelt war, auch mit vertretbarem Aufwand zu finden.



IV. 3. Das "Pareto - Prinzip" und das Prinzip der Konzentration der Kräfte

Der italienische Nationalökonom und Soziologe Vilfredo Pareto (1848-1923)(5) fand bei statistischen Untersuchungen heraus, dass 20 % der Bevölkerung 80 % des Volksvermögens besaßen. Dieses Verhältnis von etwa 80 : 20 konnte in vielen Bereichen nachgewiesen werden:

20 % der Kunden oder Waren bringen 80 % des Umsatzes

20 % der Produktionsfälle verursachen 80 % des Ausschusses

20 % der Zeitung enthalten 80 % der Nachrichten

20 % der Besprechungszeit bewirkt 80 % der Beschlüsse

20 % der Schreibtischarbeit ermöglicht 80 % des Arbeitserfolges.

Dieser Sachverhalt bildet auch die Grundlage vieler Managementtheorien und Anleitungen(6), zusammen mit der Konzentration der eigenen - immer beschränkten - Kräfte und Möglichkeiten auf den Kernpunkt der Aufgaben und Vernachlässigung der peripheren Aspekte. Neben dieser Konzentration auf das Wichtigste ist ein zweiter Aspekt seine Kräfte dort anzusetzen, wo sie am Besten wirken kann um den Erfolg größer, sicherer oder einfacher erreichbar (weniger Einsatz bzw. Verschleiß von Ressourcen) zu machen. Ein Beispiel für solches Vorgehen ist die so genannte "Schiefe Schlachtordnung", die, seit der Antike angewandt, darin besteht, die eigenen stärksten Kräfte auf die schwächste Stelle des Gegners zu werfen und dessen stärksten Kräfte mit möglichst geringem Aufwand lediglich zu binden bis der Sieg errungen ist.

Lassen sich diese vielfach bewährten Prinzipien auch auf archäologische Ausgrabungen übertragen?

Dabei müssen wir ein weiteres Managementprinzip, das sog. ZPO-Prinzip, berücksichtigen: Zielsetzung, Planung und Ordnung bzw. Organisation.

Die Ziele müssen drei Kriterien genügen um mit den oben genannten Methoden verwirklicht werden zu können:

1. Das Ziel muss konkret formuliert und messbar sein, d.h. durch Zahlen, Daten, Fakten überprüft werden können.

2. Das Ziel muss realistisch sein, sonst bleibt es unerreichbar und damit eine Utopie, daraus folgt Frustration.

3. Das Ziel muss planbar sein, d.h. einen festen zeitlichen Bezug (Fristen, Termine) aufweisen und bei größeren oder langfristigeren Zielen sich in sachliche und zeitliche Teilziele zergliedern lassen, die sich einzeln erreichen und dann zum Erreichen des Gesamtzieles zusammenführen lassen.

Die Planung ist gedanklich vorgeleistete Arbeit, sie bedeutet die Zukunft geistig vorwegzunehmen, in Alternativen zu denken, Chancen und Gefahren rechtzeitig zu erkennen und Pläne zu ihrer Nutzung bzw. Abwehr bereit zu haben, sollten sie eintreten.

Ordnung bzw. Organisation beinhaltet die bestmögliche (im Hinblick auf Zeit- und Ressourcenbedarf) Durchführung aller Maßnahmen für die systematische Umsetzung des oben genannten.

Problematisch ist die Zieldefinition archäologischer Ausgrabungen hinsichtlich der Überprüfbarkeit nach Zahlen, Daten, Fakten und damit die Erfolgskontrolle (Erfolg = Grad der Zielerreichung). Aussagen wie: "Auf diesem Gräberfeld haben wir 4000 Urnen ausgegraben" oder "in diesem Jahr haben wir 10000 m² ausgegraben" sind zwar nach dem Zahlen/Daten/Fakten - Ansatz richtig, wenn wir jedoch die Archäologie als historische Disziplin auffassen, können die Anzahl der geborgenen Objekte bzw. der m² Ausgrabungsfläche nicht das Ziel der archäologischen Feldforschung sein, sondern nur der geleistete Arbeitsaufwand zur Klärung relevanter historischer Fragestellungen. Ich kann mir also für eine Ausgrabung sinnvoller Weise nicht das Ziel setzen, 100 m² auszugraben oder mir vornehmen, nach dem 37. gefundenen Kernstein die Ausgrabung zu beenden, sondern muss mir die Beantwortung historischer Fragestellungen zum Ziel nehmen. Diese beginnen meist mit einem der sieben W's: Wer (hat), Was, Wie, Warum, Wann, Wo, Weshalb (wessen halber) früher getan?

Die Beantwortung solcher Fragen ist aber in dieser Form kein operables Ziel, wenn ich nicht Mittel und Wege finde, die Fortschritte kontrollierbar (durch Schaffung von Zahlen, Daten, Fakten) bzw. den Beantwortungsprozess untergliederungsfähig zu gestalten im Sinne der Planbarkeit (siehe oben). Dieses geschieht z.B. durch einen Problem-Lösungs-Plan (ZIEGERT, 1986, S. 34), in dem alle Maßnahmen zur Lösung der Fragestellungen oder eines Teiles von ihr aufgeführt werden. Zusätzlich ist dann noch die zeitliche Dimension zu planen, zum einen nach der benötigten Zeit für die einzelnen Tätigkeiten und - da sie sich teilweise bedingen - auch deren Abfolge.

Ob sich das Ziel bzw. die Ziele bei der Ausgrabung erreichen lassen, kann sich erst im Laufe der Durchführung erweisen, da viele Faktoren die zur Planung benötigt würden, vor der Aufnahme der Arbeiten nicht bekannt sind. Deshalb muss die Planung auch flexibel gehalten und laufend an die fortschreitende Grabung angepasst werden, bzw. die Grabung an die sich ändernde Planung. Auch das Ziel muss flexibel bleiben und kann sich im Laufe der Ausgrabung gegebenenfalls total verändern.

Aus diesen Gründen ist zweifelhaft, ob sich das Pareto-Prinzip auf Ausgrabungen generell anwenden lässt. Es ist sicher richtig, dass mit zunehmender Grabungsdauer bzw. ergrabener Fläche die Redundanz der beobachtbaren Phänomene ansteigt und der Informationsgewinn pro aufgewendeter Arbeit bei Beginn der Ausgrabung am höchsten ist, seien es nun die ersten Funde, die ersten Profile oder Plana. Andererseits gibt es beobachtbare Phänomene, die nur selten einmal vorkommen bzw. an einem Platz Spuren hinterlassen. Sie folgen also nicht einer von uns feststellbaren wie auch immer gearteten Verteilungskurve oder Häufigkeit, sondern können nur durch "Glück" (unterstützt von guten Modellbildungen und angemessener Grabungstechnik) gefunden und erkannt werden.

Beispiel: Die Straußenei-Schalen-Perlen von El Greifa.

Außerdem scheint es meiner Erfahrung nach so zu sein, dass bei zeitlich begrenzten Grabungen häufig zum Schluss die interessantesten Funde und Befunde auftauchen, die zur Dokumentation und Bergung Zeit erfordern, die dann regelmäßig knapp wird. Ferner nimmt mit zunehmender Grabungszeit die Vertrautheit mit den jeweiligen Verhältnissen zu, so dass häufig erst nach einiger Zeit neue Ideen entstehen bzw. Beobachtungen gemacht werden.

Da wir als Wissenschaftler Neues und Unbekanntes untersuchen (Bekanntes nur zur Überprüfung der Ergebnisse bzw. Absicherung und Entwicklung von Methoden und Theorien), sind wir am Außergewöhnlichen, Seltenen mehr interessiert als am Häufigen und Gewöhnlichen. Somit besteht bei aller Redundanz im Gewöhnlichen immer die Möglichkeit, Neues im Verlauf einer Ganzausgrabung zu finden, denn ob das Außergewöhnliche - wenn es überhaupt vorhanden ist - bei der 5. von uns ausgegrabenen Brandbestattung auftritt, oder bei der 3847., darauf können wir keinen Einfluss nehmen und deshalb ist das Entdecken in diesem Sinne auch nicht planbar.

Was wir jedoch planen können, ist die Forschungsarbeit, die zur Entdeckung des Neuen und zur Erklärung des Unbekannten führt.

Um die Chancen für die Zielerreichung (= Beantwortung historisch relevanter Fragestellungen) zu erhöhen, die nicht durch diese Ausgrabung geklärt werden können, sondern hier nur einzelne Aspekte klären, also Teilziel - Erreichung sind, kann es im Sinne der Gesamtziel - Erreichung sinnvoll sein, nur Teilausgrabungen bis zum Erreichen des Teilziels durchzuführen und seine Kräfte dann auf einen anderen Punkt zu lenken, wo sie für das Erreichen des Gesamtziels nun am Stärksten wirken können im Sinne der Konzentration der Kräfte auf das Wesentliche. Unter Verzicht auf die vage Möglichkeit bei einer Ganzausgrabung zufällig auf das Sensationelle zu stoßen.

Deshalb ist es - wenn man problemorientiert arbeitet - langfristig sinnvoller Teilausgrabungen vorzunehmen, bei denen man sich auf das Wesentliche im Hinblick auf die übergeordneten Fragestellungen konzentriert, als seine Kräfte an Ganzausgrabungen zu verschleißen und noch Nebensächlichkeiten zu klären, die weder in Bezug auf eigene Fragestellungen noch mit hoher Wahrscheinlichkeit für das Fach oder die Wissenschaft wichtig sind. .

Sollte man zufällig auf das Unbekannte, Neue stoßen, so wird man es in seine Planungen und Arbeiten einbeziehen oder sollten die eigenen Ressourcen nicht ausreichen, an andere Wissenschaftler oder Mitarbeiter delegieren oder abtreten.



IV. 4. Vorgehensweise bei der Teilgrabung

Bei jeder begrenzten (sei es zeitlich, räumlich oder geldlich) Ausgrabung stellt sich die Frage, wie wird das bestmögliche Ergebnis erzielt? Ein grundsätzliches Problem ist bei jeder Ausgrabung, dass der Umfang der anfallenden Funde und Befunde sowie der Arbeitsaufwand bei der Ausgrabung im voraus nicht sicher planbar ist. Im seltenen Fall bei unbeschränkten Ressourcen ist dieses egal, im Normalfall, wenn zumindest ein Faktor begrenzt ist, ist es äußerst ärgerlich. Wie kann man bei einer Teilgrabung (aus welchen Gründen auch immer) vorgehen?

IV. 4. a) Sturheil die einmal gewählten Flächen

Dieses Verfahren löst auch nicht das Problem des nicht bekannten Arbeitsaufwandes, bietet aber, wenn man die Anzahl und Ausdehnung der Flächen klein hält, eine gewisse Wahrscheinlichkeit, mit den vorhandenen Mitteln auszukommen. Sollten nach Abschluss der Ausgrabung dieser Flächen noch Mittel vorhanden sein, so könnten weitere neue Schnitte angelegt oder bereits vorhandene erweitert werden, bei denen noch Funde oder Befunde zu erwarten sind. Wurde realistisch geplant und nur die von Anfang an ausgewählten Flächen gegraben, so ist man - was das Ergebnis der Ausgrabung angeht - bei Zufallsauswahl auf das Glück, bei sonstigen Auswahlverfahren auf das Glück und die eigene Erfahrung bzw. die Richtigkeit der Ausgangshypothesen angewiesen.

IV. 4. b) Nach einem (optimalen?) Suchraster und Erweiterung bei Funden und Befunden, bis die veranschlagten Mittel erschöpft sind

Ausgehend von dem schon bekannten Punkt des Lagers und der Topographie wird ein Kreuzschnitt angemessener Breite angelegt, bis auf einige Meter keine Funde oder Befunde mehr erkennbar sind. Dieses Vorgehen hat den Vorteil, dass durchgehende Profile des Fundplatzes vorhanden sind, so dass sich aus diesen Rückschlüsse zu Geologie und Morphologie des Ortes gewinnen lassen, was bei nur kleinen Profilstücken in verteilten Schnitten nur schwer, oder auch gar nicht möglich ist, und evtl. zu Fehlinterpretation oder Interpretationsschwierigkeiten führen kann. Bei besonders dichten Fund- oder Befundkonzentrationen, oder bei sonstigem Bedarf, kann dieser Schnitt bis zur Klärung oder bis zum Ende der Konzentration erweitert werden. In den vier Quadranten des Kreuzes können nach Topographie oder in gleichmäßiger Verteilung weitere kleine Testschnitte angelegt werden, um auch hier die Stratigraphie zu erfassen und zu prüfen, ob und welche Funde und Befunde hier vorhanden sind. Bei Bedarf und vorhandenen Mitteln können diese Schnitte erweitert werden.

IV. 4. c) Nach einem problemorienterten Ansatz = Fragenkatalog mittels eines (optimalen?) Suchrasters und Erweiterung bei Funden und Befunden, bis die jeweiligen Fragen geklärt sind. So exemplarisches Arbeiten bis die Mittel erschöpft sind.

Das technische Vorgehen entspricht IV. 3. b), der Unterschied ist der, dass ich nicht erweitere, bis nichts mehr kommt, sondern bis ich die jeweilige Fragestellung hinreichend geklärt habe. Dieses setzt natürlich voraus, dass ich eine umfangreiche und differenzierte Fragenliste für die untersuchte Zeit und/oder Kultur habe, da ich nicht erwarten kann, jede Frage an jedem Fundplatz untersuchen oder gar beantworten zu können.

IV. 4. d) Arbeitseinheiten

Naturgemäß ist der Arbeits- und Zeitaufwand an verschiedenen Stellen einer Ausgrabung unterschiedlich. So geht das Abtragen von Deckschichten (nachdem man überprüft hat, ob sie Funde oder Befunde enthalten) schneller, als die Präparation eines Befundes innerhalb einer Fundschicht. Gleiches gilt zwischen Fundkonzentration und fundleeren Stellen innerhalb oder am Rand eines Lagerplatzes. Deshalb wäre es interessant bei zukünftigen Grabungen über diesen Sachverhalt Untersuchungen anzustellen, um für die Planung Durchschnittswerte oder wenigstens Anhaltspunkte zu gewinnen. Da auch hierbei die individuelle Ausgrabung ganz unterschiedliche Anforderungen stellen kann, insbesondere wenn in Feuchtböden mit Schicht- oder Grundwasser oder in besonders tiefen Schnitten gegraben werden muss, schlägt sich der zu treibende technische Aufwand sowohl auf die Kosten wie auch die Arbeitsleistung nieder. Ein weiterer unberechenbarer Faktor ist die Witterung. Auch hier muss "schlechtem Wetter" mit Technik begegnet werden, dieses kann von einfachem Regenschutz bis zu beheizten und beleuchteten winterfesten mobilen Hallen reichen. Weiterhin ist der Kenntnisstand und die Motivation der Mitarbeiter ein entscheidender Faktor, nicht nur hinsichtlich der individuellen täglichen Arbeitsleistung, sondern auch hinsichtlich der Beanspruchung des Wissenschaftlers, denn je ungeübter und unselbständiger desto mehr Aufgaben bleiben am Grabungsleiter hängen bzw. da er nicht überall gleichzeitig sein kann, besteht a) die Gefahr, dass wichtige Funde und Befunde nicht bemerkt und beschädigt oder zerstört werden b) dass die Arbeitsleistung ohne Aufsicht bis gegen Null absinkt.

Aus diesen Gründen habe ich starke Zweifel, dass sich verlässliche Werte für eine "Normalgrabung" bestimmen lassen werden. Aber für ähnlich gelagerte Fälle, z.B. in einem bestimmten Landschaftstyp oder Abri-Situationen, sollten sich Aussagen über den zu erwartenden Arbeitsanfall machen lassen. Für alle anderen Fälle wäre dafür eine umfangreiche Prospektion nötig.





Für die in Teil V. folgenden Tests werden hypothetische Werte "Arbeitseinheiten" benutzt werden.

V. Test der Techniken IV. a - c an publizierten ganz (?) gegrabenen Fundplätzen unterschiedlicher Art und topographischer Lage


V. 1. Höhle / Abri

V. 2. Freiland ( Wald / Steppe)

V. 3. (Sub)rezente Wildbeuterkultur in einem gemäßigten Kaltklima




VI. Diskussion der Ergebnisse


VII. Verallgemeinerung und Versuch einer Strategie für Teilgrabungen



VIII. Literatur


BINFORD, Lewis R. 1984 Die Vorzeit war ganz anders. Methoden und Ergebnisse der Neuen Archäologie, München

GRAICHEN, Winfried U. / SEIWERT, Lothar J. 1989 Das ABC der Arbeitsfreude. Techniken, Tipps und Tricks für Vielbeschäftigte, Speyer, 4. Aufl.

KRAFT, Ingo 1993 Zum Problem der Ansprache (Charakterisierung) von Fundplätzen des älteren Paläolithikums In: Ethnographisch archäologische Zeitschrift 2 /1993, S. 178 - 193

SEIWERT, Lothar J. 1989 Das 1 x 1 des Zeitmanagement, Speyer, 12., durchges. Aufl.

SEIWERT, Lothar J. / WAGNER, Hardy (Hrsg) 1991 Management mit Zeitplanung plus PC, Speyer, 2., völlig neu bearb. Aufl.

WAGNER, Hardy 1992 Persönliche Arbeitstechniken. Grundlagen und Methoden erfolgreichen Selbstmanagements (= Sonderdruck aus: RKW-Handbuch Führungstechnik und Organisation HFO 13. Lfg. XI. 83), Speyer, 4. verbesserte und erweiterte Aufl.

ZIEGERT, Helmut 1986 Arbeitstechniken in den Kulturwissenschaften unter besonderer Berücksichtigung der archäologischen Disziplinen, München

ZIELKE, Wolfgang 1988 Handbuch der Lern-, Denk- und Arbeitstechniken. So rationalisieren Sie Ihre geistige Arbeit. Landsberg am Lech

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1. Siehe z.B. ROPER, Donna C. "The Method and Theory of Site Catchment Analysis: A Review" In: "Advances in Archaeological Method and Theory, Vol 3?", 1980, S. 119 - 140, bzw. "Site Catchment Analysis: A concise guide to field methods"(= Appendix A) In: "Palaeoeconomy", E. S. HIGGS, (ed.), London and New York , 1975, S. 223 - 225.

2. Wahrscheinlich in der Literatur mehr als in der Wirklichkeit

3. Was ist eine Wegestunde , umgerechnet in zurückgelegte Strecke? So kann man, wenn es nur darum geht ein weiter entferntes Ziel zu erreichen, auf gut gängigem Gelände vielleicht fünf oder mehr Kilometer in der Stunde zurücklegen. Auf der Pirsch in dichtem Bewuchs oder in feindlichem Gebiet unter Ausnutzung aller Deckungen im Gelände vielleicht nur hundert Meter oder weniger. Auch wenn dieses Extreme sind und der "Normalwert" wohl in der Mitte liegt, ist er für den Einzelfall nicht sicher feststellbar und damit ein Unsicherheitsfaktor in unserer Rechnung.

4. Davon zu unterscheiden sind Untersuchungen zusammenpassender Teile von Steingeräten und Produktionsresten oder Absplissen vom Nachschärfen von Steingeräten. Da sich hieraus wichtige Aussagen zur Stratigraphie ableiten lassen. Wo hingegen das Erstellen von Bewegungsplänen anhand zusammenpassender Stücke immer voraussetzt, dass alle Funde und Befunde gleichzeitig sind und die Verlagerungen nicht zufällig später erfolgten.

5. Er war von 1893 bis 1911 Professor in Lausanne, Mitbegründer der "Grenznutzen-Schule" er suchte durch Anwendung mathematischer Methoden eine exakte Wirtschafts- und Sozialtheorie zu schaffen; das Verhalten des "Homo oeconomicus", das er als exemplarisch für soziales Handeln überhaupt betrachtete, erfasste er in Modellen. Dabei führte er in die Gesellschaftstheorie Begriffsbildungen wie System, Struktur und Interaktion ein und nahm damit spätere Entwicklungen voraus.

6. GRAICHEN/SEIWERT, 1989, - SEIWERT, 1989, - SEIWERT/WAGNER (Hg), 1991, - WAGNER, 1992, - ZIELKE, 1988