© 1993 ff.
              Dirk Siebers M.A. (2007 für das Internet neu formatiert und aus
              Copyrightgründen ohne Abbildungen)
              
              Dirk Siebers
              Sievekingsallee 109 I.
              20535 Hamburg
              
              
              
              09.214 Hauptseminar:
              
              "Forschungsprobleme zur Geschichte des Menschen im
              Jungpleistozän"
              Von Prof. Dr. Helmut Ziegert im Sommersemester 1993
              
              
              
              Thema A 3
              
              "Ganz- oder
              Teil-Ausgrabung jungpaläolithischer Lagerplätze:
              Möglichkeiten der Rekonstruktion des Kulturverhaltens"
              
              
              
              
              
              Gliederung
              
              
              
              
              I. Einleitung
              
              1. Problemstellung
              
              2. Themenabgrenzung
              
              3. Forschungsstand
              
              4. Quellenlage
              
              5. Methodischer Ansatz
              
              
              II. Probleme der Deutung von Überresten in Bezug auf das
              ehemalige Kulturverhalten
              
              
              1. Erkennen der einmaligen, gelegentlichen oder häufigen Nutzung
              eines Platzes
              
              2. Differenzierung der Überreste und Spuren nach Kulturen,
              Gruppen und Individuen
              
              3. Differenzierung nach einzelnen Aufenthalten bzw. Tätigkeiten
              
              4. Bestimmung der Jahreszeit
              
              5. Problem der Erhaltungsfähigkeit
              
              
              III. Ganzausgrabung
              
              1. Woher weiß man, dass man einen Lagerplatz ganz ausgegraben
              hat?
              
              
              IV. Teilausgrabung
              
              1. Überlegungen zur räumlichen Verteilung von Aktivitäten und
              der Wahl von Lagerplätzen
              
              a) Aktualistischer Vergleich
              
              b) Ethnographischer Vergleich
              
              c) Funde und Befunde archäologischer Untersuchungen
              
              d) Topographie und Klima eines Ortes
              
              e) Art (Zweck) des Lagers
              
              f) Welche Funde und Befunde sind am Ort erhaltungsfähig?
              
              g) Zufallsfaktoren (Wetter, Tageszeit, abweichendes
              Individualverhalten)
              
              h) Kultur- und Gruppenverhalten
              
              
              IV. 2. Techniken zur Festlegung eines Teilbereiches, der
              ausgegraben werden soll
              
              a) Festlegung ohne Einflussmöglichkeit des Archäologen (nur noch
              teilweise erhalten, teilweise bebaut, etc.)
              
              b) Echte Zufallsfestlegung
              
              c) Festlegung durch geometrische Muster
              
              d) Festlegung nach Modellbildung
              
              1. Mathematische Modelle
              
              2. Aus dem angenommenen oder schon bekannten Kulturverhalten
              
              3. Das "Pareto-Prinzip" und das Prinzip der
              Konzentration der Kräfte
              
              4. Vorgehensweisen bei der Teilgrabung
              
              a) Sturheil die einmal gewählten Flächen
              
              b) Nach einem (optimalen?) Suchraster und Erweiterung bei Funden
              und Befunden, bis die veranschlagten Mittel erschöpft sind
              
              c) Nach einem problemorientierten Ansatz = Fragenkatalog mittels
              eines (optimalen?) Suchrasters und Erweiterung bei Funden und
              Befunden bis die jeweiligen Fragen geklärt sind. So
              exemplarisches Arbeiten, bis die Mittel erschöpft sind.
              
              d) Arbeitseinheiten
              
              
              V. Test der Techniken IV. 3 a - c an publizierten ganz? gegrabenen
              Fundplätzen unterschiedlicher Art und topographischer Lage
              
              1. Höhle / Abri
              
              2. Freiland (Wald und Steppe)
              
              3. (Sub)rezente Wildbeuterkultur in einem gemäßigten Kaltklima
              
              
              VI. Diskussion der Ergebnisse
              
              VII. Verallgemeinerung und Versuch einer Strategie für
              Teilgrabungen
              
              VIII. Literatur
              
              
              
              
              I. Einleitung
              
              
              I. 1. Problemstellung
              
              Da in der archäologischen Forschung Zeit, Geld und Personal
              regelmäßig knapp oder Fundplätze nur noch teilweise erhalten
              bzw. für die Forschung zugänglich sind, wäre es gut, Methoden
              und Techniken zu entwickeln, die es erlauben, mit Teilausgrabungen
              alle oder ein Höchstmaß an Erkenntnissen zu gewinnen. In dieser
              Arbeit soll versucht werden, solche Methoden und Techniken zu
              entwickeln und "trocken" zu testen. Ist es möglich, mit
              Teilausgrabungen genau so viele Erkenntnisse zu gewinnen, wie mit
              Ganzausgrabungen?
              
              Ist es möglich, eine optimale Strategie für Teilausgrabungen zu
              entwickeln?
              
              Ist es möglich, Wahrscheinlichkeiten für Informationsverlust bei
              Teilausgrabungen anzugeben?
              
              Dieses sind die Fragen, die untersucht werden sollen.
              
              
              
              
              I. 2. Themenabgrenzung
              
              Es sollen jungpaläolithische Lagerplätze in Europa untersucht
              werden. Für ethnographische Vergleiche sollen geeignete Kulturen
              ohne räumliche Beschränkung genutzt werden. Die zeitliche und
              sachliche Abgrenzung ergibt sich aus der Themenstellung.
              
              
              
              
              I. 3. Forschungsstand
              
              
              I. 4. Quellenlage
              
              
              
              I. 5. Methodischer Ansatz
              
              
              Verschiedene Vergleichsverfahren (aktualistischer,
              ethnographischer V.), logische Diskussion von
              Forschungsergebnissen, Modellbildung (Kulturmodelle, mathematische
              Modelle), Hypothesenbildung und Hypothesentest, Experimente.
              
              Die erarbeiteten Hypothesen und Modelle sollen an publizierten,
              ganz ausgegrabenen Fundplätzen überprüft werden.
              
              
              
              
              II. Probleme der Deutung von Überresten in Bezug auf das
              ehemalige Kulturverhalten
              
              
              
              II. 1. Erkennen der einmaligen, gelegentlichen oder häufigen
              Nutzung eines Platzes
              
              
              Dieses ist ein wichtiger Punkt, um gesicherte Aussagen über das
              Kulturverhalten früherer Menschengruppen machen zu können.
              
              An häufig genutzten Plätzen haben wir das Problem, dass sich
              z.B. Geräteinventare verschiedener Gruppen und Kulturen
              gemeinsam, für uns ununterscheidbar, in einer Schicht oder einem
              Horizont befinden (können) und so eventuell zu einer neuen
              Gruppen- oder gar Kulturdefinition führen, besonders wenn Gerätehäufigkeiten
              statistisch miteinander verglichen werden. Ein weiterer Punkt ist,
              dass immer wieder aufgesuchte Lagerplätze wahrscheinlich auf eine
              ehemalige besonders günstige Lage zurückzuführen sind, so etwa
              im Ahrensburger Tunneltal zur Rentierjagd. Wenn die Rentiere
              bereits damals jahreszeitliche Wanderungen unternahmen, kann man
              davon ausgehen, dass es sich um Jagdlager handelt, in denen sich
              das Inventar zur Jagd und zur Verarbeitung der Beute befindet.
              Sollten dieselben Gruppen, die hier jagten, an anderen Orten, z.B.
              dem damaligen Elbufer zu anderen Jahreszeiten Wanderfische wie
              etwa Lachse in größerem Ausmaß gefangen haben, würde sich an
              diesen Stellen das Fischfanginventar finden, obwohl es von
              denselben Personen und vielleicht aus demselben Jahr, stammt.
              
              
              II. 2. Differenzierung der Überreste und Spuren nach Kulturen,
              Gruppen und Individuen
              
              
              Die Differenzierung der Überreste und Spuren ist ein sehr
              schwieriges Problem. Selbst wenn es nur einen ehemaligen
              Laufhorizont, wie etwa die ehemalige Erdoberfläche bei einem
              Freilandlagerplatz gibt, können doch unterschiedliche
              Menschengruppen mit verschiedenen, uns überlieferungsfähigen
              Kulturverhalten, wie z.B. Werkzeugtraditionen, diesen Lagerplatz
              innerhalb weniger Jahre (oder eines einzigen Jahres) für uns
              ununterscheidbar, nutzen. Eine Nutzung durch Gruppen mit
              unterschiedlichen nicht überlieferungsfähigem Kulturverhalten --
              z.B. Rechtstradition, Sprache -- ist natürlich auch möglich, für
              uns aber in diesem Zusammenhang nicht von Interesse, wenn sich
              diese Unterschiede nicht im Befund niederschlagen. Ein weiteres
              Problem ist das Gruppen- bzw. Individualverhalten. Da wir bei den
              Überresten und Spuren zumeist Beispiele des Individualverhaltens
              vor uns haben, so werden die Steingeräte wohl in den allermeisten
              Fällen von Individuen hergestellt, die darüber hinaus noch
              unterschiedlich geschickt bzw. geübt sind und ein jeweils
              individuelles Stück Rohmaterial benutzen, um daraus Geräte aus
              dem Typenspektrum der jeweiligen Kultur herzustellen. Diese Geräte
              wurden aber nicht für uns Archäologen für unsere Zwecke
              hergestellt, sondern sollten damals eine Funktion (oder mehrere
              Funktionen) erfüllen, wenn eine einfache Form, z.B. eine scharfe
              Schneidkante, für die momentan benötigte Funktion ausreichte,
              brauchte der damalige Hersteller den Abschlag nicht weiter in
              einer tradierten Technik zu einer tradierten Form zu verarbeiten.
              Wir können dann den Abschlag nicht aufgrund von Merkmalen oder
              Merkmalsgruppen einem bestimmten Typ zuordnen. Nur wenn wir eine
              größere Anzahl von Einzelstücken gleichen oder ähnlichen Typs
              haben, können wir vom Individualverhalten, nämlich der immer
              wiederholten Herstellung desselben Typs durch verschiedene
              Individuen, auf das Gruppenverhalten und durch immer wiederholte
              Beobachtung desselben Gruppenverhaltens, dieses als einer Kultur
              typischen Kulturverhaltens definieren.
              
              
              II. 3. Differenzierung nach einzelnen Aufenthalten bzw. Tätigkeiten
              
              
              Selbst wenn es jährlich wiederkehrende Phänomene, wie etwa
              Warvensedimentation, an einem Fundplatz geben sollte, so könnten
              doch innerhalb eines Jahres mehrere verschiedene Gruppen oder eine
              Gruppe mehrfach diesen Platz für immer dieselbe oder auch
              verschiedene Tätigkeiten genutzt haben. Außerdem gibt es hierbei
              noch die Möglichkeiten,
              
              a) jeweils genau dieselben Plätze zu nutzen, das hieße z.B. das
              Feuer genau in der alten Feuerstelle und das Zelt mit denselben
              Steinen am selben Ort
              
              b) am selben Lagerplatz, aber nicht genau am selben Ort
              
              c) eine Mischform aus a) und b).
              
              Im Falle a) haben wir das Problem, dass sich Überreste und Spuren
              aus zwei oder mehr Aufenthalten überlagern. Bei gleichen Tätigkeiten
              würde nur die Menge der Überreste und Spuren ansteigen, bei
              unterschiedlichen Tätigkeiten würde sich zusätzlich die Art der
              Überreste und Spuren ändern.
              
              Im Fall b) würde sich die Struktur des Lagerplatzes ändern, so würden
              z.B. drei Aufenthalte mit je fünf Zeltgemeinschaften dieselben
              Spuren und Überreste hinterlassen, wie fünf Aufenthalte á drei
              Zeltgemeinschaften oder ein Aufenthalt von fünfzehn
              Zeltgemeinschaften unter der Voraussetzung, dass keine Überschneidungen
              vorliegen, die ausschließen, dass an dem Ort zwei Zelte
              gleichzeitig standen (hier wäre natürlich auch an die Möglichkeit
              eines "Sonderbaues" für Gemeinschaftszwecke, wie etwa
              Kulthandlungen, zu denken).
              
              Bei c) hätte man die Probleme von a) und b).
              
              Ein weiterer Problembereich ist die zeitliche Zuordnung
              unterschiedlicher, räumlich getrennter Tätigkeitsbereiche. z.B.
              die Frage ist ein etwas abseits gelegener Schlachtplatz,
              gleichzeitig mit Feuerstellen und Zeltringen. Gehört er auch zu
              diesen Lagerplatz oder einen in anderer Richtung gelegenem? Dieses
              gilt verstärkt auch für Ansitzverstecke an Wildwechseln, sofern
              diese aus Stein errichtet (und damit zumindest potentiell über
              lange Zeiträume erhaltungsfähig) sind. Solange sich das
              Verhalten, sprich Wanderweg, des Wildes nicht ändert, können die
              Ansitze immer wieder bezogen werden. Wie sollte man diese Ansitze
              nun zuordnen? Wenn man sie vor einem Lagerplatz findet und ihren
              Zweck richtig interpretiert, so könnte man wohl davon ausgehen,
              dass es zumindest einen (Jagd)lagerplatz in der (wohl nicht allzu
              nahen) Umgebung gibt oder gab. Sollte man diesen finden, schließt
              das aber nicht aus, dass es weitere Plätze in der Umgebung gibt
              oder gab, an denen sich Jagdlager befanden.
              
              
              II. 4. Bestimmung der Jahreszeit
              
              
              Als Möglichkeit, um die Jahreszeit zu bestimmen, in der ein
              Lagerplatz genutzt wurde, bieten sich Überreste an, die saisonal
              gehäuft oder ausschließlich vorkommen. Zu denken wäre an
              Knochen von Jungtieren, Pflanzenteile, insbesondere Überresten
              von Nüssen (Schalen), Früchte und Beeren (Kerne), sowie Überresten
              von Wanderfischen (Schuppen und Gräten) oder von Molusken, die
              nur saisonal genießbar sind (Muscheln in den Monaten mit
              "r").
              
              Auch beim Vorhandensein solcher Indikatoren ist zu beachten, dass
              zum einen eine Mehrfachnutzung im Laufe des/r Jahre(s) möglich
              ist, zum anderen, beim Vorhandensein einer Vorratswirtschaft, z.B.
              Nußschalen oder Jungtierknochen, auch eine unbekannte Zeit nach
              dem Sammeln bzw. der Jagd an diesen Platz gelangen konnten.
              
              
              II. 5. Problem der Erhaltungsfähigkeit
              
              
              Aufgrund der langen Verweildauer der Überreste und Spuren im
              Boden sind, außer bei ungewöhnlich guten Erhaltungsbedingungen,
              nur anorganische Stoffe erhaltungsfähig. Das heißt, oberflächennah
              werden sich nur Steine und evtl. Holzkohle erhalten haben, in
              tieferen Schichten und günstigen Bedingungen auch Knochen. Nur
              beim Vorhandensein ganz besonders guter Erhaltungsbedingungen auch
              andere organische Reste. Daraus müssen wir schließen, dass wir
              nur einen sehr geringen Ausschnitt des Kulturverhaltens an diesen
              Plätzen überliefert bekommen. Je tiefer die Funde und Befunde
              unter der heutigen Oberfläche liegen, d.h. je besser die
              Erhaltungsbedingungen, z.B. unter dem Grundwasserspiegel, desto
              unwahrscheinlicher ist es, sie mit den üblichen
              Prospektionsmethoden der Archäologie entdecken zu können und
              desto schwieriger und aufwendiger ist eine Ausgrabung nach
              heutigem Standard, wenn z.B. im Rahmen von Baumaßnahmen ein
              solcher Fundplatz angeschnitten wird. Zudem wird es sich bei den
              zu erreichenden Tiefen wohl meist um Großprojekte, wie etwa
              Tunnel- oder U-Bahnbau bzw. Tagebaue handeln, bei denen Verzögerungen
              richtig teuer und damit höchst unbeliebt sind. Auch gute
              Erhaltungsbedingungen in extrem trockenen Gebieten oder in
              Gebieten mit Permafrost oder dauerfeuchten Gebieten haben
              Nachteile. Zum einen wird die Arbeit durch die Umstände
              erschwert, zum anderen werden durch die dünne Besiedelung oder
              heutige Besiedlungsleere derartige Fundorte seltener angeschnitten
              oder aufgefunden, d.h. der Archäologe hat zwar die Chance ungestörte
              Fundplätze in Ruhe ausgraben zu können, er muss sie aber selber
              suchen und auch finden.
              
              Ein weiterer Aspekt der Erhaltungsfähigkeit ist die Erhaltungsfähigkeit
              in der Zukunft, die bei der Frage Teil- oder Ganzausgrabung eine
              wichtige Rolle spielt.
              
              Wenn die nicht ausgegrabenen Teile nicht durch Baumaßnahmen oder
              andere Eingriffe in die Landschaft gefährdet sind, fällt die
              Entscheidung Teile der Fundstelle nicht auszugraben, relativ
              leicht. Man erhält sich zum einen die Möglichkeit,
              Nachuntersuchungen durchzuführen bzw. anderen Wissenschaftlern
              die Möglichkeit, die eigenen Ergebnisse unabhängig zu überprüfen.
              Zum anderen könnten in der Zukunft mit neuen oder verbesserten
              Methoden und Techniken neue Fragestellungen untersucht werden.
              Werden die nicht ausgegrabenen Teile jedoch zerstört, so steckt
              der Wissenschaftler in einem unlösbaren Dilemma, denn einerseits
              besteht immer die Möglichkeit, gerade in dem Teil der nicht
              ausgegraben wurde, Neues oder Ungewöhnliches zu entdecken,
              andererseits ist es nicht möglich, alle archäologischen
              Fundstellen mit dem heute anzuwendenden Standard auszugraben und
              wissenschaftlich aufzuarbeiten. Lediglich die Objekte vor der
              Baggerschaufel zu retten und in Museumsmagazinen zu
              "horten", um sie später irgendwann
              "wissenschaftlich zu bearbeiten" bringt uns nicht
              weiter, da in den meisten Fällen nur eine Sortierung der Objekte
              und Aussagen wie: "Dieser Typ kommt auch dort und dort noch
              vor und der Ausgräber dort meint, es sei so und so alt". Die
              beste Strategie sowohl hinsichtlich der Wissenschaft wie auch
              seinem Gewissen dieses Dilemma anzugehen ist, sich Probleme und
              Fragestellungen zu suchen, die man längerfristig bei Ausgrabungen
              erforscht, wie es die Grabungen erlauben, so dass man bei den
              meisten Ausgrabungen Antworten auf Teile seines Fragenkataloges
              erhält bzw. diesen erweitern kann und sich um die nicht
              untersuchten Fundstellen, die zerstört werden, nicht kümmert, da
              die geborgenen Objekte ohne vernünftige Fragestellungen und
              darauf abgestimmte Grabungstechnik und -dokumentation kaum
              wissenschaftlichen Aussagewert haben und für Konservierung und
              Lagerung nur kostenträchtig sind. Dieses Vorgehen setzt eine
              Prospektierung vermuteter Fundstellen voraus, um sich auf die
              vermutlich wissenschaftlich wichtigsten zu konzentrieren. Hat man
              mit seiner Einschätzung falsch gelegen, kann man entweder
              versuchen zu retten was zu retten ist, oder sich gar nicht drum kümmern,
              nach dem Motto "was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß".
              
              Was allerdings zu Schlagzeilen wie "Goldschatz auf den Müll
              gefahren! Krasses Versagen der Archäologen" führen könnte,
              so dass das eigene Vorgehen sich im Nachhinein als falsch erweisen
              könnte.
              
              
              
              
              III. Ganzausgrabung
              
              
              
              III. 1. Woher weiß man, dass man einen Lagerplatz ganz
              ausgegraben hat?
              
              
              Dieses ist ein wesentliches Problem. Man könnte es sich einfach
              machen und "Lagerplatz" sehr eng definieren, z.B. Reste
              oder Spuren eines Wohnbaues oder einer Feuerstelle und, soweit im
              Umkreis bis auf drei folgende Meter, keine Funde mehr gemacht
              werden. Auf diese Weise hätte man meist überschaubare
              Grabungsareale, aber hier taucht das Problem der Überschneidung
              mehrerer so definierter Objekte auf. Außerdem sind so nur
              eingeschränkte Aussagen zum Kulturverhalten der Menschen an
              diesem Platz möglich, da es nicht wahrscheinlich ist, dass die früheren
              Jäger ihr Lager einige Meter neben dem Wildwechsel errichteten
              oder größere Menge Jagdbeute direkt neben ihren Wohnbauten
              zerlegten und noch länger an diesem Platz blieben.
              
              
              
              
              IV. Teilausgrabung
              
              
              
              IV. 1. Überlegungen zur räumlichen Verteilung von Aktivitäten
              und der Wahl von Lagerplätzen
              
              IV. 1.a) Aktualitischer Vergleich
              
              Zu diesem Punkt können wir nur eingeschränkt Aussagen machen, da
              unser heutiges Jagdverhalten aufgrund der modernen Technik
              (Reichweite und Zielgenauigkeit moderner Schusswaffen) sich stark
              von den im Jungpaläolithikum angewandten Jagdtechniken
              unterscheiden dürfte. Wenn wir aus dem Aktualismusprinzip heraus
              annehmen, dass sich das Verhalten von Wildtieren seit dem Paläolithikum
              nicht signifikant verändert hat, können wir jedoch einige
              Aussagen machen. So muss der Lagerplatz so weit von den
              vorgesehenen Jagdplätzen entfernt sein, dass das Wild nicht vergrämt
              wird und den Ort verlässt, bzw. so wenig wie möglich beunruhigt
              wird, da man sich, um es zu erlegen (sofern man keine Fallen
              benutzte), nahe an das Wild anschleichen musste. Ist das Wild
              beunruhigt, wird dieses schwieriger oder ganz unmöglich.
              Andererseits soll das Lager natürlich so nahe wie möglich an den
              Jagdplätzen sein, um die Anmarsch- und Transportwege des erlegten
              Wildes so kurz wie möglich zu halten. Ein weiterer Gesichtspunkt
              bei der Wahl des Lagerplatzes ist die Verfügbarkeit anderer
              Nahrungsmittel und Ressourcen, wie etwa Beeren und Früchte,
              Trinkwasser, die Möglichkeit zu fischen sowie das Vorhandensein
              von Brennholz und Baumaterialien für Unterkünfte.
              
              Über Faktoren wie Organisation, Sauberkeit und Ordnung, Belästigung
              durch Insekten usw. lässt sich aus unseren heutigen Vorstellungen
              auf die damaligen Ansichten nicht zurückschliessen.
              
              
              IV. 1. b) Ethnographischer Vergleich
              
              
              Ein Problem beim ethnographischen Vergleich ist, dass heutige Jäger-
              und Sammlervölker von der über die ganze Erde verbreiteten
              Pflanzbau- und Viehzüchterbevölkerung in Ungunst-Gebiete abgedrängt
              wurden, die sich klimatisch nicht für Pflanzbau und Viehhaltung
              eignen. Vor der Neolithisierung der Erde waren die Jäger und
              Sammler natürlich in der Lage, die jeweils günstigsten Räume zu
              besiedeln und Ungunst-Gebiete zu meiden. Deshalb stellt das
              heutige oder subrezente Kulturverhalten der Jäger und Sammler in
              den Ungunst-Gebieten kein unkritisch zu übernehmendes Modell für
              früheres Kulturverhalten dar.
              
              Wenn wir unterstellen, dass während einer Kaltzeit in der Nähe
              des Eisrandes nur "Ungunst-Gebiete" zur Besiedelung zur
              Verfügung standen und die Verhältnisse am Eisrand
              Norddeutschlands etwa denen des heutigen Alaskas entsprachen, mag
              das folgende Beispiel nicht ganz falsch sein.
              
              Es stammt von L. R. BINFORD aus seinem Buch "Die Vorzeit war
              ganz anders" S. 120 ff. Es handelt sich um ein
              Karibu-Jagdlager alaskanischer Inlandeskimos, das Binford Mitte
              der 60ziger Jahre beobachtete, der sog. "Komplex von Anavik
              Springs".
              
              Binford beschreibt ihn folgendermaßen (siehe auch Abbildungen):
              "Der Komplex von Anavik Springs besteht aus drei deutlich
              voneinander getrennten Plätzen, an denen man Arbeiten
              verrichtete, die miteinander zu tun hatten. Und zwar geschah dies,
              wenn man die im Frühjahr auf ihrer üblichen Route über den
              Anaktuvuk-Paß nach Norden ziehenden Karibuherden jagte. Über den
              Anaktuvuk-Paß führt der Weg in die flache, offene Tundra. Die
              funktional miteinander in Verbindung stehenden Plätze bestehen in
              diesem Falle:
              
              1. aus einem Jagdlager (einschließlich eines besonderen
              'Liebeslagers'),
              
              2. einem Schlachtplatz mit besonderen Zonen für das Ausweiden und
              Zerlegen der getöteten Jagdbeute und
              
              3. einer Reihe steinerner caches ('Verstecke', 'verborgener
              Vorratslager'), in denen man das Fleisch der erlegten Tiere
              aufbewahrte.
              
              An allen drei Plätzen, die bis zu einem Kilometer voneinander
              entfernt sind, ging man völlig verschiedenen Tätigkeiten nach,
              doch alle drei dienten letztlich dem gleichen Zweck (der Nutzung
              der Karibuherden), ja im Regelfall nutzte eine und dieselbe
              Menschengruppe alle drei an einem und demselben Tage."
              
              [Abb. 54, 55, 56]
              
              Bei der archäologischen Untersuchung eines solchen Komplexes,
              ohne die Möglichkeit der direkten Beobachtung seiner Entstehung
              sowie der Möglichkeit der Befragung der ihn verursachenden
              Personen dürften erhebliche Schwierigkeiten auftreten. Zum einen,
              das Auffinden der verschiedenen Strukturen, die über mehrere
              Quadratkilometer verteilt sind (siehe Abb. 54), zum anderen, der
              Nachweis, dass diese Strukturen gleichzeitig und zusammengehörig
              sind. Diese Probleme stellen sich bereits bei dem "Jagdlager
              in den Weiden" (siehe Abb. 55). Auch hier müsste man die
              Gleichzeitigkeit und Zusammengehörigkeit nachweisen, da es auch möglich
              wäre, dass über mehrere Jahre jeweils nur ein Platz genutzt
              wurde und nicht alle gleichzeitig in einem Jahr bzw. die Plätze
              von gleichen Personengruppen über mehrere Jahre.
              
              Auch der hier angeführte Komplex wurde früher schon häufiger
              benutzt und ist ununterscheidbar mehrphasig.
              
              Eine Technik zwischen Ethnologie und Archäologie ist die site
              catchment analysis,(1) die jedoch auch Probleme aufwirft. Zum
              einen gibt es das Problem, das Einzugsgebiet einzugrenzen. Dieses
              geschieht entweder räumlich oder zeitlich.
              "Typische(2)" Werte für Wildbeuter wären etwa 10 km
              bzw. 2 Wegestunden. Das räumliche Begrenzen lässt sich am
              Schreibtisch mittels Karte und Zirkel zwar wunderbar einfach ausführen,
              jedoch hat so ein Kreis mit der damaligen Wirklichkeit wenig
              gemein, da stillschweigend vorausgesetzt wird, dass jeder Punkt
              gleich zugänglich ist, was in einer natürlichen Landschaft mit
              Flüssen, unterschiedlichstem Bewuchs und eventuellen Geländehindernissen
              (z.B. Schluchten) nicht der Normalität entspricht. Wir müssten
              also zumindest eine Urlandschaftsrekonstruktion durchführen, was
              besonders für die damalige Vegetationsdichte und eventueller
              "Naturstraßen", wie z.B. breite Schotterbänder an Flüssen,
              schwierig bis unmöglich sein wird. Mit dieser Rekonstruktion und
              den 2 Wegestunden(3) wird sich dann ein unregelmäßig geformtes
              Gebiet eingrenzen lassen. Ob dieses jedoch wirklich das
              Einzugsgebiet der damaligen Gruppe an einem bestimmten Lagerplatz
              war, ist sehr unsicher. Zum einen wissen wir nicht, welche Bedürfnisse
              jeweils an gerade diesem Lagerplatz befriedigt werden mussten und
              welche, vielleicht später, an einem anderen Platz leichter
              befriedigt werden konnten. Zum anderen kann man zwar im groben die
              Produktion von Biomasse (jagdbares Wild und sammelbare
              Pflanzennahrung) berechnen, aber die individuelle Wilddichte und Häufigkeit
              bestimmter Pflanzen ist nicht sicher bestimmbar. Deshalb ist es
              sowohl möglich, dass an günstigen Stellen das Einzugsgebiet viel
              kleiner war, an anderen Stellen vielleicht ausgedehnter, wenn auch
              nur in einer Richtung. Deshalb ist diese Technik für die hier
              behandelten Fragestellungen, selbst wenn man
              "Lagerplatz" sehr weiträumig definiert, wenig
              brauchbar. Besser wäre es, ausgehend von einem Kulturmodell und
              der rekonstruierten Urlandschaft, Orte und Gebiete auf der Karte
              bzw. im Gelände zu suchen, an denen sich die aus dem Modell
              abgeleiteten Bedürfnisse vermutlich am Besten befriedigen lassen
              und dort nach Spuren und Überresten dieser Tätigkeiten zu
              suchen.
              
              
              IV. 1. c) Funde und Befunde archäologischer Untersuchungen
              
              
              Man könnte eine Vielzahl (theoretisch auch alle) ausgegrabenen
              JPL auf die vorgefundenen Verteilungsmuster von Spuren und Überresten
              auswerten und daraus Durchschnittswerte bzw. "Typen" und
              "typische Verteilungen" berechnen. Neben der
              Schwierigkeit auszusagen, daß jeweils alle vorhandenen Teile
              eines Lagers noch vorhanden, erkannt und dokumentiert, und für
              die damaligen Zeiten, Orte und Kulturen repräsentativ sind, also
              die Ergebnisse der statistischen Analyse nicht nur rechnerisch
              richtig, sondern auch sinnvoll sind, lässt sich nie ausschließen,
              das gerade das Lager, dass man untersuchen will, vollkommen
              untypisch ist und den durchschnittlichen Ergebnissen nicht
              entspricht, vielleicht sogar in einer Art und Weise, die sich beim
              Anwenden eines Durchschnittes nicht schnell erkennen lässt,
              sondern erst später während der Ausgrabung und bereits durch
              nicht angemessenes Vorgehen bei der Ausgrabung schon Funde und
              Befunde vernichtet oder nicht mehr nachweisbar sind.
              
              
              
              
              IV. 1. d. Topograhpie und Klima eines Ortes
              
              
              Besonders bei länger bestehenden Lagern, sind topographische und
              mikroklimatische Faktoren wichtig für die Auswahl eines
              Lagerplatzes. So etwa Schutz vor starken oder kalten Winden,
              Abflussmöglichkeit für Regenwasser, Aussicht auf die Landschaft
              bzw. Schutz gegen Entdeckung, Freiheit von Tau und Morgennebel,
              Sonnenschein bzw. Schatten. Durch eine Urlandschaftsrekonstruktion
              können wir uns in Grenzen ein Bild von möglichen günstigen Plätzen
              machen. Probleme hierbei sind Faktoren wie Bewuchs und das
              Revierverhalten von Tieren (Wildwechsel und Wilddichte), die wir
              nicht erschließen können, aber die durchaus Faktoren für die
              Wahl eines Lagerplatzes sein konnten, auch wenn er dadurch
              "topographisch" ungünstig liegt. Die Topographie hat
              natürlich auch Einfluss auf die Erhaltungsfähigkeit eines
              Lagerplatzes, z.B. wird ein Lagerplatz in Hanglage oder an einem
              Flussufer durch Erosion leicht abgetragen oder in einer Senke
              durch Sedimentation überdeckt, so dass er zerstört oder für uns
              nicht auffindbar ist.
              
              
              
              
              IV. 1. e) Art (Zweck) des Lagers
              
              
              Je nach Zweck eines Lagers, und damit verbundener Bestandsdauer
              und ausgeführter Arbeiten und Tätigkeiten, entstehen
              unterschiedlich viele Spuren und Überreste. Diese unterscheiden
              sich nach Zweck und Tätigkeit. So kann man davon ausgehen, dass
              eine Gruppe von Jägern und Sammlern im Laufe eines Jahres (oder
              mehrerer Jahre) ganz unterschiedliche Läger errichtet und damit
              auch ganz verschiedene Spuren und Überreste hinterlässt. So können
              wir nach der Dauer unterscheiden:
              
              a) Sehr kurzzeitige, z.B. Übernachtung auf dem Marsch von einem länger
              genutzten Lagerplatz zum nächsten, kurzfristiger Schutz vor
              schlechtem Wetter bei der Jagd oder beim Sammeln, wenn das
              Hauptlager nicht schnell erreichbar ist.
              
              Bei dieser Art Lager werden keine oder kaum erhaltungsfähige
              Spuren zurückbleiben, vielleicht eine Feuerstelle und Abfälle
              der Steingeräteherstellung, falls solche Arbeiten ausgeführt
              wurden. Eventuelle Wind- oder Wetterschutzbauten werden auch nur
              sehr geringe Spuren im Boden hinterlassen haben, z.B. im Boden
              verankerte Stangen.
              
              b) Lager, die einige Tage bis einige Wochen genutzt wurden, z.B. für
              die Jagd. Hier würden sich mehr Spuren und Überreste finden
              lassen, sofern sie bis heute erhaltungsfähig sind. Schlachtabfälle
              (Knochen und Geweihe) wären über die lange Zeit nur unter sehr günstigen
              Bedingungen erhaltungsfähig, wenn sie bald nach ihrer Entstehung
              in den Boden eingebettet und vor schädlichen Faktoren
              (Sauerstoff, Bakterien etc.) geschützt sind. Auch die Überreste
              von Bauwerken, wie etwa Hütten, Steinringe zur Zeltbefestigung
              oder Bodeneingriffe, könnten erhaltungsfähig sein.
              
              c) Permanente Lager, die mehrere Monate (Winterlager?) oder evtl.
              sogar mehrere Jahre an besonders günstigen Stellen bestanden
              haben. Hier wäre mit einer großen Menge erhaltungsfähiger Reste
              und Spuren zu rechnen, da für den Winter stabilere und besser
              isolierte Bauwerke zu erwarten wären, was sich am Besten durch
              Grubenhäuser erreichen ließe. Auch Vorratsgruben wären zu
              erwarten sowie eine große Anzahl bzw. länger genutzte
              Feuerstellen mit entsprechend verziegeltem Untergrund. Auch
              Steingeräte bzw. deren Herstellungsabfälle wären in größerer
              Zahl zu erwarten.
              
              
              
              
              IV. 1. f) Welche Funde und Befunde sind am Ort erhaltungsfähig?
              
              
              Diese Frage ist für uns von entscheidender Bedeutung, da z.B. von
              einem Lager zum Fischfang auf einer Sandbank oder dem Kiesufer
              eines Flusses keine Überreste erhalten bleiben werden, jedoch bei
              dessen Lage auf einer Uferterrasse am Gleithang einer
              Flussschleife oder im Feuchtboden eines Seeufers sehr wohl Reste
              und Spuren erhalten sein können. Hier ergibt sich das Problem,
              auch wenn wir an einem Fluss keine Lagerplätze nachweisen können,
              können sie doch sehr wohl bestanden haben.
              
              
              IV. 1. g) Zufallsfaktoren
              
              
              Beim Zustandekommen von Verteilungsmustern innerhalb eines
              Lagerplatzes spielen neben geplantem Verhalten, sei es sachlich
              begründet oder traditionell oder kultisch bedingt, auch zufällige
              Faktoren wie z.B. Sonnenstand, Windrichtung, oder auch
              abweichendes Individualverhalten einzelner Personen, eine (für
              uns nicht nachvollziehbare) Rolle. Dieses ist eine zusätzliche
              Schwierigkeit bei der Rekonstruktion des damaligen
              Kulturverhaltens.
              
              Wir müssen uns in diesem Zusammenhang auch nach der Relevanz
              bestimmter Funde und Befunde für das Kulturverhalten fragen, so
              ist etwa die Größe und Verteilung von Abschlägen bei der
              Steingeräteherstellung wahrscheinlich von Zufallsfaktoren abhängig,
              so dass nach der Klärung grundlegender Fragen zur
              Herstellungstechnik kaum mehr historisch relevante Aussagen z.B.
              aus einer statistischen Auswertung tausender Steinsplitter und
              Absplisse zu erwarten sind(4). Wie uns der aktualistische
              Vergleich zeigt, ist die Körperhaltung (stehend, knieend oder
              sitzend) die Blickrichtung und damit Arbeitsrichtung, die Größe
              des Schlagsteins und des Ausgangsmaterials und daraus resultierend
              Menge und Größe der Abschläge von so vielen zufälligen
              Parametern abhängig, dass sich aus einer statistischen Analyse
              keine gesicherten Erkenntnisse ableiten lassen. Man kann einzig
              die an einer Schlagstelle liegenden Teile zusammensetzen, um so
              festzustellen, welches Gerät hergestellt wurde (durch Ausgießen
              des Hohlraumes nach dem Zusammensetzen) und in welcher Reihenfolge
              die Splitter abgeschlagen wurden. Es genügt dabei exemplarisch
              vorzugehen, wenn man in einem neuen Gebiet arbeitet, in dem sich
              solche Befunde häufig finden (Wüsten), und dann nur noch in außergewöhnlichen
              Fällen.
              
              
              IV. 1. h) Kultur- und Gruppenverhalten
              
              
              Wir müssend davon ausgehen, dass an den meisten (wenn nicht sogar
              an allen) Lagerplätzen nur ein Teil des Kultur- oder
              Gruppenverhaltens stattgefunden, bzw. Spuren und Überreste, die für
              uns auffind- bzw. interpretierbar sind, hinterlassen haben.
              
              So ist es z.B. möglich, das ein und dieselbe Gruppe von Jägern
              und Sammlern über ein Jahr Lagerplätze hinterlässt, an denen völlig
              unterschiedliche Überreste und Spuren verbleiben. So würde ein
              Jagd- und Schlachtplatz neben den Überresten der Jagdbeute ein
              Steingeräteinventar hinterlassen, dessen Funktionen das Zerlegen
              der Jagdbeute und evtl. der Fellbearbeitung war. Ein Lager, das
              zum Sammeln bestimmter Pflanzen z.B. Beeren diente, würde solche
              Geräte nicht oder nur in geringer Zahl enthalten. Da
              "Sammelgeräte" wie Körbe, Taschen oder Grabstöcke aus
              organischem Material mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht erhalten wären,
              könnten wir den Zweck eines solchen Lagers auch nicht
              rekonstruieren. Ein weiterer Gesichtspunkt ist, das sich ein
              Kulturverhalten, obwohl vorhanden, durch seine Art nicht an jedem
              Fundplatz nachweisen lässt. Selbst wenn das Kulturverhalten
              erhaltungsfähige und deutbare Reste hinterlassen könnte, so z.B.
              bei Schmuck, der außer bei Verlust oder so starker Beschädigung,
              dass er vom Träger nicht mehr als "schön" empfunden
              und fortgeworfen wird, immer an Mann oder Frau bleibt und so von
              Lagerplatz zu Lagerplatz verbracht wird. Ohne eine nachweisbare
              Grabsitte und auch auffindbaren Gräbern ist der Nachweis von
              Schmuck nur durch glückliche Umstände möglich. So wie in El
              Greifa (Fezzan Libyen) - Fundplatz E - durch eine offenbar
              zerrissene Straußeneischalen-Perlenkette mit sofortiger
              Einlagerung in weiche Aschensedimente, die evtl. zu diesem
              Zeitpunkt etwas unter Wasser standen. Dazu muss auch eine den
              jeweiligen Erhaltungsbedingungen angepasste Ausgrabungstechnik und
              Strategie kommen, um kleine aber wichtige Funde und Befunde zu
              erkennen.
              
              Andererseits können Gruppen mit unterschiedlichem Kulturverhalten
              identische Spuren und Überreste hinterlassen, wenn ihre Ökonomie
              und Technologie identisch oder zumindest sehr ähnlich ist, was
              den erhaltungsfähigen Anteil betrifft, sie sich aber in Sprache,
              Religion und Rechtssystem fundamental unterscheiden.
              
              
              
              
              IV. 2. Techniken zur Festlegung eines Teilbereiches der
              ausgegraben werden soll
              
              
              
              IV. 2. a) Festlegung ohne Einflussmöglichkeit des Archäologen
              
              
              Dieses wäre gegeben, wenn Teile des Fundplatzes z.B. erodiert
              sind oder das Gelände teilweise bebaut ist, ohne dass bekannt wäre,
              ob und wie sich der Lagerplatz unter der Bebauung ausgedehnt hat.
              Eine weitere Möglichkeit wäre, dass nur ein zu bebauender Teil,
              z.B. eine auszuhebende Baugrube, untersucht werden kann.
              
              In solchen Fällen muss der Ausgräber mit dem zufrieden sein, was
              sich zufällig in dem untersuchten Gebiet befindet.
              
              
              IV. 2. b) Echte Zufallsfestlegung
              
              
              Hier wird das Gebiet in Quadranten eingeteilt, (wobei natürlich
              die Frage bleibt: Wie groß soll man das Gebiet auswählen? und
              wie groß soll man die Quadranten anlegen?) und durch Los oder
              andere Zufallsverfahren, ein bestimmter Teil Quadranten ausgewählt
              um diese dann auszugraben. Ist die Stichprobe groß genug, sollten
              sich alle vorhandenen Phänomene der Theorie nach in den ausgewählten
              Bereichen finden lassen. Gegen dieses Verfahren lässt sich
              einiges einwenden. Zum ersten ist es nicht so, dass sich die Tätigkeiten
              oder Verteilungen von Mustern über den Lagerplatz im Sinne einer
              "Normalverteilung" abbilden, sondern es unterschiedliche
              Bereiche gibt oder zumindest geben kann. Zum zweiten ist es möglich,
              dass durch das Losverfahren Bereiche bestimmt werden, die räumlich
              eng beieinander liegen und so nur einen kleinen Teil des Areals
              abdecken oder sich an den äußeren Grenzen des gewählten Areals
              befinden.
              
              Es ist auch möglich, dass schwierig auszugrabende oder
              wahrscheinlich gestörte Quadranten gelost werden, wenn man sie
              nicht von vornherein ausschließt. Sollte dieses eintreten, müsste
              man entweder "mogeln" und das Losverfahren wiederholen,
              oder willkürlich eine gleichmäßigere Verteilung vornehmen, oder
              man sollte sich damit abfinden, dass große Teile des Areals nicht
              untersucht werden, auch wenn der prozentuale Anteil der
              ausgegraben wird, stets gleich ist. Es ist ja immer schon ein
              zumindest kleiner Teil des Lagerplatzes bekannt, anhand dessen und
              der Topographie des Ortes man die Fläche von der man meint, dass
              sie den ganzen Lagerplatz beinhaltet, festlegen muss. Diese
              Entscheidung beeinflusst, je nach dem ob man "gut
              geraten" hat oder nicht, zusammen mit Größe und Anzahl der
              zu untersuchenden Quadranten die Wahrscheinlichkeit, Quadranten
              dabei zu haben, die überhaupt Funde und Befunde enthalten oder
              noch unwahrscheinlicher, einen repräsentativen Querschnitt durch
              das Spektrum der vorhandenen Funde und Befunde des Lagerplatzes
              aufweist. Selbst wenn wir eine Wahrscheinlichkeit von sagen wir 70
              % für diesen Fall nachweisen könnten, hieße das ja nur, von 100
              gleichen oder sehr ähnlichen Lagerplätzen hätten wir mit
              unserem Ansatz bei 70 Ausgrabungen Erfolg, für diesen einen
              bestimmten Fall ist aber keine Aussage möglich.
              
              
              
              
              IV. 2. c) Festlegung durch geometrische Muster
              
              
              Hier haben wir den Vorteil, dass wir die zu grabenden Flächen zum
              einen gleichmäßig verteilen können, zum anderen Stellen oder
              Bereiche, die gute Erhaltungsbedingungen versprechen oder aufgrund
              ihrer Lage oder anderer Eigenschaften besonders "fundhöffig"
              sind, zu bevorzugen bzw. im Umkehrschluss solche auszuschließen,
              die uns als nicht viel versprechend bzw. gestört oder besonders
              schwierig auszugraben erscheinen oder sind.
              
              Auch hier ist das Problem, dass wir, wenn wir nach der
              "Quadrantenmethode" vorgehen wollen, ein einzuteilendes
              Areal festlegen müssen sowie Anzahl und Größe der zu grabenden
              Flächen. Bei der Festlegung der geometrischen Figuren sind wir im
              Prinzip frei. Da es aber unpraktisch ist, in Kreisen oder unregelmäßigen
              Vielecken zu graben, bieten sich Rechtecke an. Wie diese am Besten
              angeordnet werden, soll unter Punkt IV. 3. b) / c) näher ausgeführt
              werden.
              
              
              
              
              IV. 2. d) Festlegung nach Modellbildung
              
              
              
              IV. 2. d. 1) Mathematische Modelle
              
              
              Man könnte bereits ausgegrabene Lagerplätze nach einer
              durchschnittlichen Verteilung untersuchen und daraus ein
              Verteilungsmodell für die zu untersuchenden Bereiche ableiten.
              Dieses Vorgehen hat zwei Nachteile:
              
              1. müsste man den zuerst entdeckten Bereich als einen bestimmten
              des Lagers identifizieren können, um ihn als
              "Null-Punkt" verwenden zu können
              
              2. gibt es, bedingt durch Zweck des Lagers, Topographie, zufällige
              Faktoren und evtl. noch anderer Parameter, die Möglichkeit einer
              so großen Variationsbreite in dem Verteilungsmuster, dieses einen
              paläolithischen Lagerplatzes, der dann mit einem solchen Modell
              des "Durchschnitts vieler (aller) bekannten Lagerplätze"
              an nahezu jedem konkreten neuen Lagerplatz mehr oder minder falsch
              liegen würde.
              
              
              
              
              IV. 2. d. 2) Aus dem angenommenen oder schon bekannten
              Kulturverhalten
              
              
              Indem wir ein Modell des damaligen Kulturverhaltens konstruieren,
              aus dem die Bedürfnisse und Möglichkeiten paläolithischer Jäger
              und Sammler abzuleiten sind, können wir zusammen mit einer
              Urlandschaftsrekonstruktion des jeweiligen Platzes bzw. der
              Landschaft Rückschlüsse auf Stellen ziehen, die besonders günstig
              für bestimmte Zwecke wären und somit eine hohe
              Wahrscheinlichkeit für das Vorhandensein von Funden bzw. Befunden
              bieten. Ausgehend von einem schon bekannten Punkt des
              Lagerplatzes, kann man nach günstigen Stellen für bestimmte Tätigkeiten
              oder Bedürfnisse (z.B. Jagd oder Trinkwasser) suchen und diese
              dann gezielt untersuchen. Diese Verfahrensweise eignet sich als
              einzige hier vorgestellte auch dazu, in einer Landschaft Lagerplätze
              zu suchen und, sofern diese in der betreffenden Zeit besiedelt
              war, auch mit vertretbarem Aufwand zu finden.
              
              
              
              
              IV. 3. Das "Pareto - Prinzip" und das Prinzip der
              Konzentration der Kräfte
              
              
              Der italienische Nationalökonom und Soziologe Vilfredo Pareto
              (1848-1923)(5) fand bei statistischen Untersuchungen heraus, dass
              20 % der Bevölkerung 80 % des Volksvermögens besaßen. Dieses
              Verhältnis von etwa 80 : 20 konnte in vielen Bereichen
              nachgewiesen werden:
              
              20 % der Kunden oder Waren bringen 80 % des Umsatzes
              
              20 % der Produktionsfälle verursachen 80 % des Ausschusses
              
              20 % der Zeitung enthalten 80 % der Nachrichten
              
              20 % der Besprechungszeit bewirkt 80 % der Beschlüsse
              
              20 % der Schreibtischarbeit ermöglicht 80 % des Arbeitserfolges.
              
              Dieser Sachverhalt bildet auch die Grundlage vieler
              Managementtheorien und Anleitungen(6), zusammen mit der
              Konzentration der eigenen - immer beschränkten - Kräfte und Möglichkeiten
              auf den Kernpunkt der Aufgaben und Vernachlässigung der
              peripheren Aspekte. Neben dieser Konzentration auf das Wichtigste
              ist ein zweiter Aspekt seine Kräfte dort anzusetzen, wo sie am
              Besten wirken kann um den Erfolg größer, sicherer oder einfacher
              erreichbar (weniger Einsatz bzw. Verschleiß von Ressourcen) zu
              machen. Ein Beispiel für solches Vorgehen ist die so genannte
              "Schiefe Schlachtordnung", die, seit der Antike
              angewandt, darin besteht, die eigenen stärksten Kräfte auf die
              schwächste Stelle des Gegners zu werfen und dessen stärksten Kräfte
              mit möglichst geringem Aufwand lediglich zu binden bis der Sieg
              errungen ist.
              
              Lassen sich diese vielfach bewährten Prinzipien auch auf archäologische
              Ausgrabungen übertragen?
              
              Dabei müssen wir ein weiteres Managementprinzip, das sog.
              ZPO-Prinzip, berücksichtigen: Zielsetzung, Planung und Ordnung
              bzw. Organisation.
              
              Die Ziele müssen drei Kriterien genügen um mit den oben
              genannten Methoden verwirklicht werden zu können:
              
              1. Das Ziel muss konkret formuliert und messbar sein, d.h. durch
              Zahlen, Daten, Fakten überprüft werden können.
              
              2. Das Ziel muss realistisch sein, sonst bleibt es unerreichbar
              und damit eine Utopie, daraus folgt Frustration.
              
              3. Das Ziel muss planbar sein, d.h. einen festen zeitlichen Bezug
              (Fristen, Termine) aufweisen und bei größeren oder
              langfristigeren Zielen sich in sachliche und zeitliche Teilziele
              zergliedern lassen, die sich einzeln erreichen und dann zum
              Erreichen des Gesamtzieles zusammenführen lassen.
              
              Die Planung ist gedanklich vorgeleistete Arbeit, sie bedeutet die
              Zukunft geistig vorwegzunehmen, in Alternativen zu denken, Chancen
              und Gefahren rechtzeitig zu erkennen und Pläne zu ihrer Nutzung
              bzw. Abwehr bereit zu haben, sollten sie eintreten.
              
              Ordnung bzw. Organisation beinhaltet die bestmögliche (im
              Hinblick auf Zeit- und Ressourcenbedarf) Durchführung aller Maßnahmen
              für die systematische Umsetzung des oben genannten.
              
              Problematisch ist die Zieldefinition archäologischer Ausgrabungen
              hinsichtlich der Überprüfbarkeit nach Zahlen, Daten, Fakten und
              damit die Erfolgskontrolle (Erfolg = Grad der Zielerreichung).
              Aussagen wie: "Auf diesem Gräberfeld haben wir 4000 Urnen
              ausgegraben" oder "in diesem Jahr haben wir 10000 m²
              ausgegraben" sind zwar nach dem Zahlen/Daten/Fakten - Ansatz
              richtig, wenn wir jedoch die Archäologie als historische
              Disziplin auffassen, können die Anzahl der geborgenen Objekte
              bzw. der m² Ausgrabungsfläche nicht das Ziel der archäologischen
              Feldforschung sein, sondern nur der geleistete Arbeitsaufwand zur
              Klärung relevanter historischer Fragestellungen. Ich kann mir
              also für eine Ausgrabung sinnvoller Weise nicht das Ziel setzen,
              100 m² auszugraben oder mir vornehmen, nach dem 37. gefundenen
              Kernstein die Ausgrabung zu beenden, sondern muss mir die
              Beantwortung historischer Fragestellungen zum Ziel nehmen. Diese
              beginnen meist mit einem der sieben W's: Wer (hat), Was, Wie,
              Warum, Wann, Wo, Weshalb (wessen halber) früher getan?
              
              Die Beantwortung solcher Fragen ist aber in dieser Form kein
              operables Ziel, wenn ich nicht Mittel und Wege finde, die
              Fortschritte kontrollierbar (durch Schaffung von Zahlen, Daten,
              Fakten) bzw. den Beantwortungsprozess untergliederungsfähig zu
              gestalten im Sinne der Planbarkeit (siehe oben). Dieses geschieht
              z.B. durch einen Problem-Lösungs-Plan (ZIEGERT, 1986, S. 34), in
              dem alle Maßnahmen zur Lösung der Fragestellungen oder eines
              Teiles von ihr aufgeführt werden. Zusätzlich ist dann noch die
              zeitliche Dimension zu planen, zum einen nach der benötigten Zeit
              für die einzelnen Tätigkeiten und - da sie sich teilweise
              bedingen - auch deren Abfolge.
              
              Ob sich das Ziel bzw. die Ziele bei der Ausgrabung erreichen
              lassen, kann sich erst im Laufe der Durchführung erweisen, da
              viele Faktoren die zur Planung benötigt würden, vor der Aufnahme
              der Arbeiten nicht bekannt sind. Deshalb muss die Planung auch
              flexibel gehalten und laufend an die fortschreitende Grabung
              angepasst werden, bzw. die Grabung an die sich ändernde Planung.
              Auch das Ziel muss flexibel bleiben und kann sich im Laufe der
              Ausgrabung gegebenenfalls total verändern.
              
              Aus diesen Gründen ist zweifelhaft, ob sich das Pareto-Prinzip
              auf Ausgrabungen generell anwenden lässt. Es ist sicher richtig,
              dass mit zunehmender Grabungsdauer bzw. ergrabener Fläche die
              Redundanz der beobachtbaren Phänomene ansteigt und der
              Informationsgewinn pro aufgewendeter Arbeit bei Beginn der
              Ausgrabung am höchsten ist, seien es nun die ersten Funde, die
              ersten Profile oder Plana. Andererseits gibt es beobachtbare Phänomene,
              die nur selten einmal vorkommen bzw. an einem Platz Spuren
              hinterlassen. Sie folgen also nicht einer von uns feststellbaren
              wie auch immer gearteten Verteilungskurve oder Häufigkeit,
              sondern können nur durch "Glück" (unterstützt von
              guten Modellbildungen und angemessener Grabungstechnik) gefunden
              und erkannt werden.
              
              Beispiel: Die Straußenei-Schalen-Perlen von El Greifa.
              
              Außerdem scheint es meiner Erfahrung nach so zu sein, dass bei
              zeitlich begrenzten Grabungen häufig zum Schluss die
              interessantesten Funde und Befunde auftauchen, die zur
              Dokumentation und Bergung Zeit erfordern, die dann regelmäßig
              knapp wird. Ferner nimmt mit zunehmender Grabungszeit die
              Vertrautheit mit den jeweiligen Verhältnissen zu, so dass häufig
              erst nach einiger Zeit neue Ideen entstehen bzw. Beobachtungen
              gemacht werden.
              
              Da wir als Wissenschaftler Neues und Unbekanntes untersuchen
              (Bekanntes nur zur Überprüfung der Ergebnisse bzw. Absicherung
              und Entwicklung von Methoden und Theorien), sind wir am Außergewöhnlichen,
              Seltenen mehr interessiert als am Häufigen und Gewöhnlichen.
              Somit besteht bei aller Redundanz im Gewöhnlichen immer die Möglichkeit,
              Neues im Verlauf einer Ganzausgrabung zu finden, denn ob das Außergewöhnliche
              - wenn es überhaupt vorhanden ist - bei der 5. von uns
              ausgegrabenen Brandbestattung auftritt, oder bei der 3847., darauf
              können wir keinen Einfluss nehmen und deshalb ist das Entdecken
              in diesem Sinne auch nicht planbar.
              
              Was wir jedoch planen können, ist die Forschungsarbeit, die zur
              Entdeckung des Neuen und zur Erklärung des Unbekannten führt.
              
              Um die Chancen für die Zielerreichung (= Beantwortung historisch
              relevanter Fragestellungen) zu erhöhen, die nicht durch diese
              Ausgrabung geklärt werden können, sondern hier nur einzelne
              Aspekte klären, also Teilziel - Erreichung sind, kann es im Sinne
              der Gesamtziel - Erreichung sinnvoll sein, nur Teilausgrabungen
              bis zum Erreichen des Teilziels durchzuführen und seine Kräfte
              dann auf einen anderen Punkt zu lenken, wo sie für das Erreichen
              des Gesamtziels nun am Stärksten wirken können im Sinne der
              Konzentration der Kräfte auf das Wesentliche. Unter Verzicht auf
              die vage Möglichkeit bei einer Ganzausgrabung zufällig auf das
              Sensationelle zu stoßen.
              
              Deshalb ist es - wenn man problemorientiert arbeitet - langfristig
              sinnvoller Teilausgrabungen vorzunehmen, bei denen man sich auf
              das Wesentliche im Hinblick auf die übergeordneten
              Fragestellungen konzentriert, als seine Kräfte an
              Ganzausgrabungen zu verschleißen und noch Nebensächlichkeiten zu
              klären, die weder in Bezug auf eigene Fragestellungen noch mit
              hoher Wahrscheinlichkeit für das Fach oder die Wissenschaft
              wichtig sind. .
              
              Sollte man zufällig auf das Unbekannte, Neue stoßen, so wird man
              es in seine Planungen und Arbeiten einbeziehen oder sollten die
              eigenen Ressourcen nicht ausreichen, an andere Wissenschaftler
              oder Mitarbeiter delegieren oder abtreten.
              
              
              
              
              IV. 4. Vorgehensweise bei der Teilgrabung
              
              
              Bei jeder begrenzten (sei es zeitlich, räumlich oder geldlich)
              Ausgrabung stellt sich die Frage, wie wird das bestmögliche
              Ergebnis erzielt? Ein grundsätzliches Problem ist bei jeder
              Ausgrabung, dass der Umfang der anfallenden Funde und Befunde
              sowie der Arbeitsaufwand bei der Ausgrabung im voraus nicht sicher
              planbar ist. Im seltenen Fall bei unbeschränkten Ressourcen ist
              dieses egal, im Normalfall, wenn zumindest ein Faktor begrenzt
              ist, ist es äußerst ärgerlich. Wie kann man bei einer
              Teilgrabung (aus welchen Gründen auch immer) vorgehen?
              
              
              IV. 4. a) Sturheil die einmal gewählten Flächen
              
              
              Dieses Verfahren löst auch nicht das Problem des nicht bekannten
              Arbeitsaufwandes, bietet aber, wenn man die Anzahl und Ausdehnung
              der Flächen klein hält, eine gewisse Wahrscheinlichkeit, mit den
              vorhandenen Mitteln auszukommen. Sollten nach Abschluss der
              Ausgrabung dieser Flächen noch Mittel vorhanden sein, so könnten
              weitere neue Schnitte angelegt oder bereits vorhandene erweitert
              werden, bei denen noch Funde oder Befunde zu erwarten sind. Wurde
              realistisch geplant und nur die von Anfang an ausgewählten Flächen
              gegraben, so ist man - was das Ergebnis der Ausgrabung angeht -
              bei Zufallsauswahl auf das Glück, bei sonstigen Auswahlverfahren
              auf das Glück und die eigene Erfahrung bzw. die Richtigkeit der
              Ausgangshypothesen angewiesen.
              
              
              IV. 4. b) Nach einem (optimalen?) Suchraster und Erweiterung bei
              Funden und Befunden, bis die veranschlagten Mittel erschöpft sind
              
              Ausgehend von dem schon bekannten Punkt des Lagers und der
              Topographie wird ein Kreuzschnitt angemessener Breite angelegt,
              bis auf einige Meter keine Funde oder Befunde mehr erkennbar sind.
              Dieses Vorgehen hat den Vorteil, dass durchgehende Profile des
              Fundplatzes vorhanden sind, so dass sich aus diesen Rückschlüsse
              zu Geologie und Morphologie des Ortes gewinnen lassen, was bei nur
              kleinen Profilstücken in verteilten Schnitten nur schwer, oder
              auch gar nicht möglich ist, und evtl. zu Fehlinterpretation oder
              Interpretationsschwierigkeiten führen kann. Bei besonders dichten
              Fund- oder Befundkonzentrationen, oder bei sonstigem Bedarf, kann
              dieser Schnitt bis zur Klärung oder bis zum Ende der
              Konzentration erweitert werden. In den vier Quadranten des Kreuzes
              können nach Topographie oder in gleichmäßiger Verteilung
              weitere kleine Testschnitte angelegt werden, um auch hier die
              Stratigraphie zu erfassen und zu prüfen, ob und welche Funde und
              Befunde hier vorhanden sind. Bei Bedarf und vorhandenen Mitteln können
              diese Schnitte erweitert werden.
              
              
              IV. 4. c) Nach einem problemorienterten Ansatz = Fragenkatalog
              mittels eines (optimalen?) Suchrasters und Erweiterung bei Funden
              und Befunden, bis die jeweiligen Fragen geklärt sind. So
              exemplarisches Arbeiten bis die Mittel erschöpft sind.
              
              Das technische Vorgehen entspricht IV. 3. b), der Unterschied ist
              der, dass ich nicht erweitere, bis nichts mehr kommt, sondern bis
              ich die jeweilige Fragestellung hinreichend geklärt habe. Dieses
              setzt natürlich voraus, dass ich eine umfangreiche und
              differenzierte Fragenliste für die untersuchte Zeit und/oder
              Kultur habe, da ich nicht erwarten kann, jede Frage an jedem
              Fundplatz untersuchen oder gar beantworten zu können.
              
              
              IV. 4. d) Arbeitseinheiten
              
              Naturgemäß ist der Arbeits- und Zeitaufwand an verschiedenen
              Stellen einer Ausgrabung unterschiedlich. So geht das Abtragen von
              Deckschichten (nachdem man überprüft hat, ob sie Funde oder
              Befunde enthalten) schneller, als die Präparation eines Befundes
              innerhalb einer Fundschicht. Gleiches gilt zwischen
              Fundkonzentration und fundleeren Stellen innerhalb oder am Rand
              eines Lagerplatzes. Deshalb wäre es interessant bei zukünftigen
              Grabungen über diesen Sachverhalt Untersuchungen anzustellen, um
              für die Planung Durchschnittswerte oder wenigstens Anhaltspunkte
              zu gewinnen. Da auch hierbei die individuelle Ausgrabung ganz
              unterschiedliche Anforderungen stellen kann, insbesondere wenn in
              Feuchtböden mit Schicht- oder Grundwasser oder in besonders
              tiefen Schnitten gegraben werden muss, schlägt sich der zu
              treibende technische Aufwand sowohl auf die Kosten wie auch die
              Arbeitsleistung nieder. Ein weiterer unberechenbarer Faktor ist
              die Witterung. Auch hier muss "schlechtem Wetter" mit
              Technik begegnet werden, dieses kann von einfachem Regenschutz bis
              zu beheizten und beleuchteten winterfesten mobilen Hallen reichen.
              Weiterhin ist der Kenntnisstand und die Motivation der Mitarbeiter
              ein entscheidender Faktor, nicht nur hinsichtlich der
              individuellen täglichen Arbeitsleistung, sondern auch
              hinsichtlich der Beanspruchung des Wissenschaftlers, denn je ungeübter
              und unselbständiger desto mehr Aufgaben bleiben am Grabungsleiter
              hängen bzw. da er nicht überall gleichzeitig sein kann, besteht
              a) die Gefahr, dass wichtige Funde und Befunde nicht bemerkt und
              beschädigt oder zerstört werden b) dass die Arbeitsleistung ohne
              Aufsicht bis gegen Null absinkt.
              
              Aus diesen Gründen habe ich starke Zweifel, dass sich verlässliche
              Werte für eine "Normalgrabung" bestimmen lassen werden.
              Aber für ähnlich gelagerte Fälle, z.B. in einem bestimmten
              Landschaftstyp oder Abri-Situationen, sollten sich Aussagen über
              den zu erwartenden Arbeitsanfall machen lassen. Für alle anderen
              Fälle wäre dafür eine umfangreiche Prospektion nötig.
              
              
              
              
              
              Für die in Teil V. folgenden Tests werden hypothetische Werte
              "Arbeitseinheiten" benutzt werden.
              
              
              V. Test der Techniken IV. a - c an publizierten ganz (?)
              gegrabenen Fundplätzen unterschiedlicher Art und topographischer
              Lage
              
              
              
              V. 1. Höhle / Abri
              
              V. 2. Freiland ( Wald / Steppe)
              
              V. 3. (Sub)rezente Wildbeuterkultur in einem gemäßigten
              Kaltklima
              
              
              
              
              
              
              VI. Diskussion der Ergebnisse
              
              
              VII. Verallgemeinerung und Versuch einer Strategie für
              Teilgrabungen
              
              
              
              VIII. Literatur
              
              BINFORD, Lewis R. 1984 Die Vorzeit war ganz anders. Methoden und
              Ergebnisse der Neuen Archäologie, München
              
              GRAICHEN, Winfried U. / SEIWERT, Lothar J. 1989 Das ABC der
              Arbeitsfreude. Techniken, Tipps und Tricks für Vielbeschäftigte,
              Speyer, 4. Aufl.
              
              KRAFT, Ingo 1993 Zum Problem der Ansprache (Charakterisierung) von
              Fundplätzen des älteren Paläolithikums In: Ethnographisch archäologische
              Zeitschrift 2 /1993, S. 178 - 193
              
              SEIWERT, Lothar J. 1989 Das 1 x 1 des Zeitmanagement, Speyer, 12.,
              durchges. Aufl.
              
              SEIWERT, Lothar J. / WAGNER, Hardy (Hrsg) 1991 Management mit
              Zeitplanung plus PC, Speyer, 2., völlig neu bearb. Aufl.
              
              WAGNER, Hardy 1992 Persönliche Arbeitstechniken. Grundlagen und
              Methoden erfolgreichen Selbstmanagements (= Sonderdruck aus:
              RKW-Handbuch Führungstechnik und Organisation HFO 13. Lfg. XI.
              83), Speyer, 4. verbesserte und erweiterte Aufl.
              
              ZIEGERT, Helmut 1986 Arbeitstechniken in den Kulturwissenschaften
              unter besonderer Berücksichtigung der archäologischen
              Disziplinen, München
              
              ZIELKE, Wolfgang 1988 Handbuch der Lern-, Denk- und
              Arbeitstechniken. So rationalisieren Sie Ihre geistige Arbeit.
              Landsberg am Lech
              
              ******************************
              
              1. Siehe z.B. ROPER, Donna C. "The Method and Theory of Site
              Catchment Analysis: A Review" In: "Advances in
              Archaeological Method and Theory, Vol 3?", 1980, S. 119 -
              140, bzw. "Site Catchment Analysis: A concise guide to field
              methods"(= Appendix A) In: "Palaeoeconomy", E. S.
              HIGGS, (ed.), London and New York , 1975, S. 223 - 225.
              
              2. Wahrscheinlich in der Literatur mehr als in der Wirklichkeit
              
              3. Was ist eine Wegestunde , umgerechnet in zurückgelegte
              Strecke? So kann man, wenn es nur darum geht ein weiter entferntes
              Ziel zu erreichen, auf gut gängigem Gelände vielleicht fünf
              oder mehr Kilometer in der Stunde zurücklegen. Auf der Pirsch in
              dichtem Bewuchs oder in feindlichem Gebiet unter Ausnutzung aller
              Deckungen im Gelände vielleicht nur hundert Meter oder weniger.
              Auch wenn dieses Extreme sind und der "Normalwert" wohl
              in der Mitte liegt, ist er für den Einzelfall nicht sicher
              feststellbar und damit ein Unsicherheitsfaktor in unserer
              Rechnung.
              
              4. Davon zu unterscheiden sind Untersuchungen zusammenpassender
              Teile von Steingeräten und Produktionsresten oder Absplissen vom
              Nachschärfen von Steingeräten. Da sich hieraus wichtige Aussagen
              zur Stratigraphie ableiten lassen. Wo hingegen das Erstellen von
              Bewegungsplänen anhand zusammenpassender Stücke immer
              voraussetzt, dass alle Funde und Befunde gleichzeitig sind und die
              Verlagerungen nicht zufällig später erfolgten.
              
              5. Er war von 1893 bis 1911 Professor in Lausanne, Mitbegründer
              der "Grenznutzen-Schule" er suchte durch Anwendung
              mathematischer Methoden eine exakte Wirtschafts- und Sozialtheorie
              zu schaffen; das Verhalten des "Homo oeconomicus", das
              er als exemplarisch für soziales Handeln überhaupt betrachtete,
              erfasste er in Modellen. Dabei führte er in die
              Gesellschaftstheorie Begriffsbildungen wie System, Struktur und
              Interaktion ein und nahm damit spätere Entwicklungen voraus.
              
              6. GRAICHEN/SEIWERT, 1989, - SEIWERT, 1989, - SEIWERT/WAGNER (Hg),
              1991, - WAGNER, 1992, - ZIELKE, 1988