"Methodologische Probleme in der Archäologie"
Von Prof. Dr. Helmut Ziegert im Wintersemester 1992/93
Thema 13:
"Landschaft und Besiedlung
in alten Landkarten und Ansichten:
Eine exemplarische Analyse".
[nicht komplett, aus Urheberrechtsgründen ohne Abbildungen]
Gliederung:
I. Einleitung
1. Problemstellung
2. Themenabgrenzung
3. Forschungsstand
4. Quellenlage
5. Methodischer Ansatz
II. Karten als archäologische Quellen
1. Wie unterscheidet sich eine Landkarte von der Natur?
2. Aus welchem Grund wurden Karten und Ansichten hergestellt?
3. Welche Techniken zur Aufnahme und Umsetzung wurden angewendet?
4. Welche Quellenkritik ist angebracht?
5. Für welche Fragestellungen eignen sich Karten besonders?
6. Die Karteninterpretation
III. Älteste Karten
1. Prähistorische Karten
2. Babylonische Karten
3. Ägyptische Karten
4. Phönizische Karten
5. Griechische Karten
6. Römische Karten
IV. Karten der "Naturvölker"
V. Mittelalterliche Karten
VI. Karten der Frühen Neuzeit
1. Die Elbkarte von 1568 von Melchior Lorichs
2. Die "Stader Elbkarte"
VII. Erste systematische Landesaufnahmen und die Herausbildung der
modernen topographischen Karte
1. Topographische Karten
2. Thematische Karten
VIII. Alte Dorf- und Stadtansichten
IX. Der Aspekt der Landschafts- und Besiedelungsgeschichte in
unterschiedlich alten Karten und Ansichten
X. Zusammenfassung
XI. Literaturverzeichnis
Anhang: Abbildungen und Karten
I. Einleitung
I. 1. Problemstellung
Neben einem kurzen und streiflichtartigen Überblick über die
Geschichte der Kartographie, hauptsächlich unter dem
Gesichtspunkt der Brauchbarkeit ihrer jeweiligen Produkte für die
Archäologie (Inhalt, Überlieferungsfähigkeit bzw. Überlieferung
und Arten von kartographischen Darstellungen, um zu wissen, worauf
bei Ausgrabungen zu achten ist, um solche Darstellungen zu
erkennen), soll exemplarisch untersucht werden, zu welchen
Fragestellungen alte Karten und Stadtansichten als Quellen in
Frage kommen (etwa zu Siedlungs- und Bauweisen, zu Handel und
Handwerk, Landwirtschaft, Ressourcen und deren Nutzung sowie zu
Veränderungen im Laufe der Zeit, wie etwa Änderung der
Siedlungsweise, Verlagerung von Siedlungen, der Wirtschaftsweise
und Veränderungen oder Zerstörung der umgebenden Landschaft) und
welche Probleme und Gefahrenpunkte, die zu Fehlinterpretationen führen
können, dabei auftreten.
I. 2. Themenabgrenzung
Der Einfachheit halber und wegen guter Zugänglichkeit sollen
deutsche und insbesondere norddeutsche Beispiele gewählt werden,
jedoch für grundsätzliche Fragen auch andere geeignete
Beispiele. Dem Gegenstand angemessen, dürfte ein Zeitansatz ab
dem Mittelalter bis zur Herausbildung der modernen Kartographie
und Landesaufnahme im 18. bis 19. Jahrhundert sein. Die Zeit vor
dem Mittelalter soll nur kurz behandelt werden. Es sollen Karten
und Abbildungen aller Art, aus verschiedenen Beweggründen
erstellte, untersucht werden.
I. 3. Forschungsstand
Die historische Kartographie bzw. Geschichte der Kartographie sind
beliebte Arbeitsfelder wohl auch weil die meisten alten Karten schön
anzusehen sind. Aus der überaus umfangreichen Literatur zur
Kartographiegeschichte, die von nach "Schönheit"
ausgesuchten Abbildungsammlungen bis zur Kongreßliteratur alle
Spielarten umfaßt, seien hier nur zwei neuere für unsere
Fragestellungen geeigneten Werke angeführt, zum einen das LEXIKON
ZUR GESCHICHTE DER KARTOGRAPHIE, 1986. In diesem Werk wird auch
die Kartographiegeschichte der einzelnen Länder und Staaten
jeweils mit Vorstellung der einzelnen Karten und Kartenwerke und
Literaturangaben dargestellt, so daß man für Gebiete, die man
bearbeiten will, schnell Informationen zu frühen Karten bekommt.
Zum anderen HARLEY / WOODWARD, THE HISTORY OF CARTOGRAPHY Bd.I,
1987 mit einer umfangreichen Bibliographie zu jedem Kapitel sowie
einer Forschungsgeschichte zur Prähistorischen Kartographie.
Während es mit "Speculum Orbis", "Cartographica
Helvetica" und "The Map Collector" mehrere
Zeitschriften zur historischen Kartographie gibt, erschien mit
"Archaeoligia Geographica", begründet von Hans Jürgen
Eggers, nur kurze Zeit (1950 bis 1960) eine Zeitschrift, die sich
mit chorologischen Aspekten in der Archäologie beschäftigte. Bei
Arbeiten im Rahmen der mittelalterlichen Stadtkern - Archäologie
werden Karten und Ansichten häufig verwendet, insbesondere bei
der Publikation der Ergebnisse benutzt, so z.B. im Katalog zur
Ausstellung "Stadtluft, Hirsebrei und Bettelmönch. Die Stadt
um 1300".
Methodische Abhandlungen unter archäologischen Gesichtspunkten
sind mir nicht bekannt. Weitere Literaturangaben werden in den
jeweiligen Kapiteln gegeben.
I. 4. Quellenlage
Je weiter wir in der Zeit zurückgehen, desto weniger Originale
werden erhalten sein. Dieses gilt besonders für Karten, die auf
organisches Trägermaterial (Leder, Rinde, Pergament oder Papyrus)
gezeichnet wurden. Außerdem besteht die Gefahr, daß die Inhalte
mit zunehmendem Alter der Karten für uns unverständlicher
werden. SAMMET,1990 S.32, 34, gibt in seinem Buch Zahlen über die
uns überlieferten originalen Kartenwerke wie folgt an:(1)
Aus dem Altertum nahezu keine erhalten,
aus dem frühen Mittelalter 95 % verloren,
1200 bis 1400 80 % verloren,
mit der Einführung von Drucktechniken zur Vervielfältigung
beginnt die Zahl der erhaltenen Werke zu steigen:
1400 bis 1475 60 % verloren,
1475 bis 1600 25 % verloren,
im 17. Jh. 15 % verloren,
im 18. Jh. 5 % verloren,
im 19. Jh. 2 % verloren.
Diesen Zahlen stellt er die Kenntnisse (der europäischen
Kulturen) über die Erdoberfläche gegenüber:
400 v.Chr. >3 %
1000 n.Chr. 8,1 %,
um 1600 49 %.
Dieser Wert steigt dann um etwa 10 % pro 100 Jahre.(2)
Auch im Hinblick auf die archäologisch-historischen
Fragestellungen, zu deren Beantwortung alte Karten dienen können,
werden mit der Kombination Alter und damit Darstellungsweise und
Genauigkeit sowie dem Maßstab (und der Kartengröße), beträchtliche
Unterschiede bestehen. Nicht zu vergessen ist auch, daß es zuerst
einmal eine für unsere Fragestellungen brauchbare Karte des zu
untersuchenden Gebietes
a) überhaupt gegeben haben muß
b) sie heute noch erhalten ist
c) wir auch Kenntnis von ihr haben oder im Laufe des
Forschungsprozesses erhalten
d) wir den Wahrheitsgehalt der in der Karte vorhandenen
Informationen bzw. die (Lage)genauigkeit zumindest teilweise unabhängig
überprüfen können.
Weiter können wir davon ausgehen, daß sich hauptsächlich die
wertvollen und schönen Karten erhalten haben, während die, die häufigem
Gebrauch und damit Verschleiß unterlagen bzw. Einzelstücke oder
Kleinstauflagen, nicht erhalten sind.
Die Auflagenhöhe alter Karten untersucht Eckard JÄGER, 1983b in
seiner Arbeit "Bemerkungen zur Auflagenhöhe älterer
Kartenwerke, Beispiele aus der europäischen Landkartenproduktion
des 16. bis 19 Jahrhunderts", wobei die Auflagenhöhe meist
zumindest einige hundert bzw. einige tausend Exemplare betrug.
Danach hatte sich der Kupferstich der als Druckvorlage diente,
abgenutzt und mußte erneuert werden. Dieses lohnte sich nur bei
großer Nachfrage, so daß nur von einigen Karten auch Auflagen im
zehntausender Bereich hergestellt wurden.
I. 5. Methodischer Ansatz
Als Methoden bieten sich der Vergleich und die logische Diskussion
an.
II. Karten als archäologische Quellen
II. 1. Wie unterscheidet sich eine Landkarte von der Natur?
Die kartographische Darstellung einer Landschaft weicht in vier
wesentlichen Punkten von der Natur ab, das Kartenbild ist nämlich
verkleinert
verebnet
vereinfacht
erläutert.
Da die Karte eben ist, wird sie der Oberflächenform der Erde in
zweierlei Hinsicht nicht gerecht.
Erstens ist jeder Ausschnitt der Erdoberfläche Teil einer (angenäherten)
Kugeloberfläche, d. h. gewölbt und zweitens lassen sich die
Oberflächenformen der Landschaft -- das Relief -- nicht ohne
weiteres in einer ebenen Karte darstellen.
Da die Karte stark verkleinert ist um handhabbar zu sein, muß sie
auch vereinfacht sein, weil sich nicht alle Gegebenheiten
proportional verkleinern lassen, ohne so klein zu werden, daß sie
nicht mehr sicht- bzw. zeichenbar werden, (Wege, einzelne Gebäude,
Wasserläufe, etc., je nach Maßstab der Karte auch Ortschaften),
und somit entfallen oder auch verlagert eingezeichnet werden müßten,
wenn sie nahe beieinander liegen.
Eine Karte ist im allgemeinen erläutert, d.h. sie enthält
Informationen, die der Landschaft in der Natur nicht anzusehen
sind, etwa die Namen von Ortschaften, Flüssen, Seen oder
Landschaftsteilen sowie Gebiets- oder Landesgrenzen.
Um eine Kugeloberfläche auf einer planen Oberfläche abzubilden
muß man Kompromisse eingehen. Für die Umformung gibt es
verschiedene Möglichkeiten, die sich durch unterschiedliche
Verzerrungen unterscheiden(3). So muß für genauere Messungen an
Karten die Projektionsart bekannt sein. Bei allen angewandten
Projektionsarten denkt man sich einen Strahlenursprung im
Erdinneren und projeziert Punkt für Punkt der Erdoberfläche an
eine einfachere Referenzfläche, beispielsweise auf einen
Zylinder- oder Kegelmantel, der dann aufgeschnitten und in der
Ebene ausgerollt werden kann. Je größer das in der Karte
dargestellte Gebiet (= je kleiner der Maßstab) desto größer
sind die Verzerrungen. Je nach Art der Projektion ist eine Karte
winkeltreu, distanztreu oder flächentreu. Großmaßstäbliche
Karten können auch "treu in jeder Beziehung" sein, d.h.
bei der gewählten Projektion und dem gewählten Maßstab sind die
sich daraus ergebenden Verzerrungen geringer als die
Zeichengenauigkeit bzw. die Verzerrungen durch Dimensionsänderungen
des Trägermaterials (heutige topographische Karten bis etwa
1:500.000).
Dieses verzerrte Bild der Erde prägt auch unser Weltbild, wenn
wir ohne den Zusammenhang zu kennen oder ohne ihn zu reflektieren,
täglich in den Nachrichten eine Weltkarte sehen, die nicht flächentreu
ist, so daß ein Vergleich von Ländern hinsichtlich ihrer Fläche
nicht möglich ist, so daß Deutschland und Europa immer relativ
zu groß dargestellt sind. So können Karten auch für Ideologie
und Propaganda benutzt werden, da die kartographische Darstellung
in weiten Bereichen die Wahl zwischen verschiedenen Möglichkeiten
bietet, etwa in der Farbgebung, dem Grad der Generalisierung oder
gewählten Zeichen und Symbolen.
II. 2. Aus welchem Grunde wurden Karten und Ansichten hergestellt?
Für den Kartenzeichner selbst, um sein Gedächtnis zu entlasten
und Plätze oder Wege auch nach längerer Zeit wieder zu finden,
z.B. Schatzkarten. Zur Information anderer, Reisekarten oder
Wegebeschreibungen um Personen, die ein Gebiet nicht kennen,
Informationen darüber zu geben bzw. aus wissenschaftlichen Gründen,
für Forschung und Lehre.
Aus politisch/militärischen Gründen, für die Verwaltung und
Planung. Bei Ansichten auch aus Prestigegründen, z.B. Ansichten
von Städten, um aller Welt kund zu tun, wie groß, reich und mächtig
(in der frühen Neuzeit: welche modernen Befestigungsanlagen man
hat) man sei.
Für Rechtsstreitigkeiten als Argumentationshilfe oder auch
"Beweismittel" (hier dürfte es wahrscheinlich von jeder
Prozeßpartei eine eigene Karte geben, die dem eigenen
Rechtsstandpunkt gemäß verschieden ausfällt, z.B. in den
Grenzziehungen, Lage und Größe von Orten, Bezeichnungen, etc.).
II. 3. Welche Techniken zur Aufnahme und Umsetzung wurden
angewendet?
Zum einen können Karten und Ansichten nach oder während
Vermessungsarbeiten am Ort hergestellt werden. Zum anderen können
sie nach Beschreibungen (mündlich oder schriftlich), Abbildungen
(auch anderen Karten), als Umsetzung dieser Information in der
Phantasie des Herstellers entstehen.
Außerdem besteht die Möglichkeit, daß Karten bzw. Ansichten als
reine Phantasieprodukte hergestellt werden, sei es als eine
"Ideal-Vorstellung" z.B. zur Illustration oder auch zu
Betrugszwecken, z.B. eine falsche Schatzkarte. Ein Beispiel für
Ersteres wäre z.B. der Stich des Palladio der das römische und
das gallische Lager bei Lutetia, bzw. das ägyptische Alexandria
mit Hafen zeigt und für eine Ausgabe aus dem 16. Jh. der "Commentarii
de bello Gallico" des Julius Caesar angefertigt wurde. Er
stellt diese Orte im Stil mittelalterlicher bzw. frühneuzeitlicher
Städte dar. [Abb. aus Caesar und seine Zeit].
Bei Stadt- und Gebäudedarstellungen muß die Möglichkeit bedacht
werden, daß es sich auch um nicht bzw. nur teilweise realisierte
Planungsunterlagen handeln könnte. J. B. POST, 1979, zeigt in
seinem Buch "An Atlas of Fantasy" imaginäre Länder in
ihren Landkarten, angefangen von Karten des Garten Eden bis zu den
Ländern und Gebieten, die sich Schriftsteller des 20. Jh. für
ihre Helden erdachten.
Bei Karten, die nach Beschreibungen hergestellt werden, müssen
wir die Genauigkeit, die jeweils erreichbar war, in Rechnung
stellen, da Entfernungsangaben bei nichtindustrialisiertem
Verkehr, z.B. in Tagesreisen oder Wegestunden , sicher
angebrachter waren als Entfernungsangaben in Kilometern, (oder ähnlichen
Maßeinheiten), da diese für normale Reisende sowieso nicht
nachvollziehbar (nachmeßbar) waren(4). Dasselbe Problem hatte natürlich
auch der Kartograph, wenn er Orte, deren Entfernung in Tagesreisen
ihm bekannt war, auf einer Karte einzeichnen wollte, da je nach
Gelände, Reisemittel, z.B. eine kleine Gruppe Reiter gegenüber
einer Reisegruppe mit Ochsenwagen, der Jahreszeit der Reise sowie
sonstiger besonderer Umstände, die Anzahl der Tagesreisen
zwischen zwei oder mehr Orten sehr unterschiedlich sein kann. Sind
die näheren Umstände dem Kartographen nicht bekannt, so kann es
entweder sein, daß seine Angaben nicht in Übereinstimmung zu
bringen sind, d.h. er kann keinen Ort auf der Karte festlegen, an
dem alle seine Distanzangaben "wahr" sind, sofern er die
Karte maßstäblich ausführen will. Oder aber die Karte ist für
die Messung von Distanzen ungeeignet und die Orte mehr oder minder
willkürlich auf ihr verteilt. In diesem Fall wäre für den späteren
Benutzer entweder zusätzlich eine Art Itinerarium notwendig, das
alle anderen Angaben wie etwa Transportmittel, Jahreszeit etc.
angibt, damit das ganze für Reisezwecke oder sonstige
Planungsaufgaben brauchbar wird. Die Karte dient dann nur noch zur
Illustration, ist ansonsten aber, sofern sie nicht Angaben über
die des Itinerars hinaus enthält, eigentlich überflüssig.
Bei den Meßverfahren können wir verschiedene Arten
unterscheiden:
a) Einfache Verfahren:
Richtungsmessung durch Sonnen- oder Sternbeobachtung (mit
einfachen oder ohne Instrumente) oder mit Magnetkompaß.
Entfernungsmessung mittels Meßschnur oder Schritte zählen und
mit mittlerer Schrittlänge multiplizieren. Die Geländeaufnahme
auf diese Weise ist einfach auszuführen (auch als Nebenbeschäftigung).
Nach diesem Verfahren wurden auch noch im letzten Jahrhundert bei
Expeditionen in unerforschte Teile der Erde Karten der "neu
entdeckten" Gebiete (in denen ja meist schon Menschen lebten)
hergestellt. Gelegentlich wurden auch astronomische
Ortsbestimmungen durchgeführt.
Diese so genannten "Routenaufnahmekarten", meist in
mittleren Maßstäben, könnten auch teilweise für die Archäologie
der entsprechenden Gebiete wichtige Informationen aus der
vorkolonialen Zeit überliefern, wie etwa Lage und Verteilung von
Siedlungen, Verkehrswegen, Vegetation usw.
b) Anspruchsvolle Verfahren:
Diese Verfahren können nicht nebenbei ausgeführt werden, sondern
nur als planmäßige Geländeaufnahme. Es braucht also eine
Stelle, die die nicht unerheblichen Aufwendungen an Zeit und
Personal finanziert. Anstoß für die Durchführung solcher
Arbeiten im modernen Europa(5) lagen in den Verwaltungen der
Territorialstaaten der Neuzeit bei der Einrichtung von Katastern
zur Erfassung (und Besteuerung) von Grundbesitz. Auch die
systematische Kartierung des eigenen Territoriums für Zwecke der
Landesverteidigung und staatlicher Planung wurde so initiiert und
meist in Verantwortung des Militärs durchgeführt.
Die dabei überwiegend verwendete Aufnahmetechnik war die sog. Meßtischaufnahme,
auf die die heute noch geläufige Bezeichnung Meßtischblatt für
die topographische Karte im Maßstab 1:25.000 (TK 25) zurückzuführen
ist, da die Landesaufnahme des deutschen Reiches ??? erfolgte.
Das Gerät soll hier kurz beschrieben werden:
"Der Tisch besteht aus einer Platte und einem Stativ mit drei
Stangen. Auf der Tischplatte sind eine Hauptregel zur
Richtungsmessung und drei Nebenregeln zur Höhenmessung
angebracht. Die Hauptregel ist ein Messinglineal mit Visierlöchern
und Absehen zum Visieren ferner Punkte. Mit dem Lineal werden die
Richtungen zu den jeweiligen Punkten gezeichnet, die sich mit
entsprechenden Richtungen von einem zweiten Standpunkt aus in den
gesuchten Punkten schneiden. Die beiden Standpunkte sind Endpunkte
der Basis, die gemessen und in einem bestimmten Maßstab auf das
Zeichenblatt des Meßtisches übertragen wird.
Die Höhenmessung geht so vor sich, daß mit einer Nebenregel der
Zielpunkt anvisiert und die Höhe durch den Schnitt dieser Regel
mit einer zweiten Nebenregel bestimmt wird, die senkrecht zu der
dritten, auf dem Meßtisch aufliegenden Nebenregel steht. Es ist
aus der horizontalen Regel und den sich schneidenden anderen
Regeln ein Dreieck entstanden, das dem Dreieckstandpunkt,
Zielpunkt, Lotfußpunkt des Zielpunktes ähnlich ist.
Die Seiten sind bekannt, und die Neigung der Visierlinie, damit
auch die Höhe des Zielpunktes, kann leicht bestimmt werden.
Vor Beginn des Messens und Zeichnens ist der Meßtisch zu
horizontieren. Dazu wird ein 'Bleywäglein' genommen, das aus
einem gleichschenkligen Holzdreieck besteht und mit einer Seite
auf den Tisch gesetzt wird. Kommt das von der Spitze des Dreiecks
herabhängende Lot in die vorgesehene Lage, die an der Basis
markiert ist, so ist der Tisch horizontiert."
BIALLAS, 1970, S. 6 hier nach WOLFF, 1988, S. 94-95
Eine Abbildung, die die Vermessungsgeräte und eine Anweisung für
die Dreiecks-Messung enthält. [aus Copyrightgründen Abbildungen
entfernt] [Abb. SAMMET, 1990, S. 230-231]
Über die Vermessungsmethoden und -geräte der Frühen Neuzeit
informiert uns eine umfangreiche zeitgenössische Literatur, da
mit der Verbreitung der Buchdruckerei im 16. Jh. zahlreiche
Anleitungen für astronomische und terrestrische Vermessungen und
hierzu brauchbarer Instrumente verfaßt wurden(6). Einen Überblick
gibt das Kapitel 3.4 "Methoden und Lehrbücher der
Landmessung im 16. Jahrhundert" in WOLFF, 1988, S. 89-94 und
dem anschließenden Kapitel 3.5 "Der Meßtisch und die
weitere Entwicklung im 17. Jahrhundert", S. 94, 95.
Das erste ausführliche Lehrbuch der Landmessung in deutscher
Sprache war das Methodus Geometrica (1598) von Paul Pfinzing,
einem Nürnberger Kartographen. Darin wird z.B. auch die
Streckenmessung zu Pferde beschrieben mit "Thailern von 40 Roßschritt"
(entspricht 1:30.720) oder größer (10 bzw. 20 Roßschritte).
Pfinzing beschreibt die Eigenschaften, die ein Pferd haben soll.
Neben einer gleichmäßigen Schrittlänge "gehört auch ein
frommer Gaul dazu, der im Feldt nicht tobet, sondern still stehet,
damit man auff ihme schreiben kann, und der einen geraden Gang
oder Schritt an ihme hat".
Nach WOLFF, 1988, S. 91, 92
BEHR/HEYEN, 1985, S. 28, schreiben "Die Benutzung eines
Winkelmessers ist noch im 16. Jahrhundert kaum für einen
Landmesser belegt ... für den im Felde arbeitenden Landmesser
bildeten Rute und Meßseil ... das ganze Arbeitsgerät."
Dieses wird sich aber wohl auf Ackerlandvermessungen zur
Besteuerung beziehen, nicht auf die Kartenherstellung ?
II. 4. Welche Quellenkritik ist angebracht?
Zuerst wäre zu prüfen, welchem Zweck die jeweilige Karte ursprünglich
diente.
Dann wäre zu prüfen, ob die Angaben durch Messung und
Beobachtung am jeweiligen Ort erhoben wurden und bei kleineren Maßstäben,
welche Projektionsform gewählt wurde und die erreichte
Genauigkeit.
Außerdem sollten zumindest stichprobenartig einzelne (für uns
wichtige) Aspekte der Kartendarstellung an anderen
Quellengattungen überprüft werden können.
II. 5. Für welche Fragestellungen eignen sich Karten besonders?
Grundsätzlich können wir zwei Ebenen des Quellencharakters
unterscheiden:
Erstens, die Karte selbst als Artefakt und zweitens, die Karte als
Informationsträger für geographische Gegebenheiten oder
Ansichten, die der oder die Verfertiger festhalten bzw. überliefern
wollten.
Auf der ersten Ebene können wir, wie bei jedem Artefakt, eine
Analyse nach verwendetem Material, Herstellungstechnik,
Gebrauchsspuren usw. vornehmen (selbst wenn wir mit der
Interpretation "dieses ist eine Karte" falsch liegen, ändert
sich nichts an den Untersuchungsergebnissen in diesem Bereich).
Sodann ist die Karte auch eine Quelle für die Kulturgeschichte,
bzw. die Geschichte der Kartographie. Wenn wir eine solche Karte,
z.B. in eine Tontafel geritzt auffinden, können wir, auch wenn
wir den Karteninhalt nicht genau einer Landschaft zuordnen können,
doch bestimmte Aussagen machen.
Für wissenschaftliche Fragestellungen, bei denen wir auf den
Karteninhalt als Quelle angewiesen sind, sozusagen auf die zweite
Ebene, bekommen wir mehr Probleme. So brauchen wir die Gewißheit,
daß das Kartenbild die Landschaft wiedergibt, die wir untersuchen
wollen, d.h. es muß überhaupt eine Karte geben, die unser
Untersuchungsgebiet abbildet, bzw. für Fragestellungen zur
Entwicklung einer Landschaft brauchen wir mehrere Karten aus
unterschiedlichen Zeiten (oder andere Quellen ). Sodann müssen
wir den Karteninhalt verstehen können, d.h. die Möglichkeiten
und Grenzen der jeweiligen Darstellungsart erkennen. Bei Karten
schriftloser Kulturen bzw. Karten ohne Beschriftung, fehlt uns ein
wichtiger Punkt des "Kartenprinzips", nämlich die Erläuterung.
Wenn wir den Karteninhalt nicht verstehen können, ist die Karte für
Aussagen auf dieser Quellenebene nicht brauchbar. Insbesondere müssen
wir, genau wie bei Schriftquellen, klären, was abgebildet ist:
eine Tatsache, (das hieße für Karten eine reale Landschaft), ein
wünschenswerter Zustand, (z.B. eine Grenze oder eine Ortsgröße
wie man sie gerne hätte) oder eine Idee oder Fiktion (z.B. eine
Landschaft aus der Mythologie).
Besonders wichtig wären Karten natürlich zur Rekonstruktion von
Landschaften, die heute nicht mehr vorhanden sind. So etwa zur
Rekonstruktion der Nordseeküstenbesiedlung in den Teilen, die von
den Sturmfluten des Mittelalters und der frühen Neuzeit zerstört
wurden. Da uns neben den bis heute im jetzigen Meeresboden
erhaltenen Überresten und den Aussagen in Schriftquellen, nur
Karten der damaligen Landschaft und Besiedelung zur Verfügung
stehen. Die damaligen Küstenverläufe sind aus dem heutigen
Relief nicht in jedem Fall zu erschließen. Da durch Erosion und
Akkumulation im Laufe der Zeit und sich ändernde Meeresströmungen
das Relief des Meeresbodens starken Veränderungen unterworfen
ist. Dieses gilt natürlich auch für Siedlungsüberreste der
damaligen Zeit. Um diese Siedlungsüberreste zu finden, ist eine möglichst
genaue Ortsangabe nötig, will man sich nicht auf den Zufall
verlassen bzw. einen großen Zeit-, Personal- und Sachaufwand für
die Prospektion investieren. Auch für die Rekonstruktion von
Verkehrs- und Kommunikationswegen in diesen "verlorenen
Landschaften" würden sich neben Schriftquellen Karten
eignen. Eine Karte die Nordfriesland um 1240 darstellen soll, aber
erst 1652 von Johann Mejer hergestellt wurde, ist zumindest
teilweise ungenau, Abbildung in PETERSEN / ROHDE, 1979, S. 35,
bzw. LANG, 1985, hier sind auch Deich und Deichbruchskarten
verzeichnet, so etwa J. C. MUSCULUS "Particularabriß der
Oldenburgischen Wasserteych", 1627, einer der ältesten
Deichatlanten Norddeutschlands.
In heute noch vorhandenen Landschaften sind Karten für eine
breite Palette von Fragestellungen als Quelle von nutzen.
Außer den oben angeführten Gesichtspunkten können z.B.
Einzelbauwerke außerhalb von Orten, sofern sie in der Karte
eingezeichnet sind, entweder ihre Überreste oder Spuren in der
Landschaft gesucht oder, wenn sie schon bekannt sind, in ihrer
Funktion und evtl. Zugehörigkeit bestimmt werden. Auch Zusammenhänge,
die sich aus archäologischen Funden und Befunden nicht ohne
weiteres erschließen lassen, können durch großmaßstäbliche
Karten oder Pläne erkannt werden. Etwa der Zusammenhang von
Zwangsmühlen(7), Mühlenwegen, Mühlenkrügen und Mühlenteichen
und damit in Zusammenhang stehenden wasserbautechnischen Anlagen
wie Wehre und Kanäle.
Karten können auch Angaben über Bewuchs bzw. Nutzung des Geländes
enthalten, so etwa Wälder oder Gärten in der Nähe von
Ansiedlungen oder Weinbau an Berghängen(8). Stehen mehrere Karten
unterschiedlichen Alters zur Verfügung, die sich ganz oder
teilweise überschneiden und in ihren Angaben etwa vergleichbar
sind, lassen sich Aussagen über die Veränderung der Landschaft
und ihrer Besiedlung bzw. Nutzung machen.(9) Gesichtspunkte
hierbei wären z.B. die Aufgabe von Ortschaften bzw. ihre
Zusammenlegung, das Zusammenwachsen von Siedlungen, Änderungen im
Waldbestand, der Nutzung bestimmter Areale, z.B. Umwandlung von
Weiden in Ackerland sowie die Änderung oder der Ausbau des
Wegenetzes. Auch Veränderungen an den Gewässern können
vorkommen, so etwa Verlagerungen von Flußläufen, Änderungen von
Seespiegeln durch Verlandung oder Verminderung des Zuflusses.
Auch die Nutzung des Wassers durch den Menschen könnte sich hier
abbilden, z.B. Stauseen zur Nutzung der Wasserkraft für Mühlen
(hiermit sind alle Arten von wasserkraftgetriebener Anlagen
gemeint) oder die Anlage von Fischteichen.
Ein weiteres Anwendungsgebiet ist die archäologische
Landesaufnahme. Hier lassen sich durch den Vergleich Alte Karte /
Moderne Karte bzw. umgekehrt vor einer Geländebegehung besonders
vielversprechende Gebiete lokalisieren bzw. erste Anhaltspunkte
gewinnen. Wobei dieses nicht dazu führen sollte, daß nicht das
gesamte Gebiet begangen wird um eine komplette Aufnahme aller
sichtbaren Fundstellen zu erreichen, sondern nur um eine möglichst
effiziente Vorgehensweise zu planen.
Mit den methodischen Aspekten beschäftigt sich Klaus FEEN, 1988,
in "Auswertungsmöglichkeit von Altkarten unter besonderer
Berücksichtigung der historischen Geographie. Grundsätzliche Überlegungen
anhand von Beispielen aus unterschiedlichen mitteleuropäischen Räumen",
dort auch weitere Literaturangaben. Er weist darauf hin, daß
Karten immer zusammen mit anderen Quellen benutzt werden sollen
und er erwähnt, daß Karten immer noch zu wenig als historische
Quellen genutzt werden.
Weiterhin könnte man alte Karten für die Modellbildung und
Gedankenexperimente nutzen, wenn man ausgehend von einem
Kulturmodell und den Bedürfnissen des Menschen im Sinne einer
"Site - Catchment - Analysis" überprüft, welche Bedürfnisse
sich wo decken lassen bzw. welcher Aufwand und welche Technologien
nötig sind. So können z.B. hypothetische Reisen unternommen bzw.
geplant werden, man könnte Absatzmärkte für bestimmte Produkte
suchen und die Transportlogistik planen, man könnte überlegen,
welche Eingriffe in die Umwelt unternommen werden könnten (mit
der damaligen Technologie und dem damaligen Wissen) um die
Produktivität in Bezug auf Nahrung zu erhöhen, um die Bevölkerungszahl
zu steigern (Entwässerung von Mooren, Rohdung von Waldgebieten,
Bau von Kanälen, Anlage von Teichen etc.). Diese Simulationen ließen
sich mit der realen Landschaftsentwicklung vergleichen.
II. 6. Die Karteninterpretation
Die Interpretation von Karten (genauer: des Karteninhaltes) weist
Ähnlichkeiten mit der Interpretation von literarischen Werken
auf. Um zu interpretieren muß man die Karte wie das Buch lesen können,
d.h. man muß wissen, was die Signaturen der Karte bedeuten
sollen. Ist dieses nicht überliefert, so müssen wir versuchen,
die Inhalte dieser Zeichen zu rekonstruieren. Dieses bedeutet eine
erste Ebene der Interpretation, da wir von unserem heutigen Wissen
und Denkinhalten ausgehend, bzw. durch Vergleich mit Bekanntem aus
jener Zeit, auf das Tun des damaligen Kartographen rückzuschließen
versuchen. Dann bei der eigentlichen Interpretation der Karte, im
Hinblick auf unsere Fragestellung, eine zweite Ebene auf diese
erste Interpretation aufstülpen. Dieses führt zu größeren
Unsicherheiten, d.h. die Wahrscheinlichkeit der Fehl- oder Überinterpretation
steigt.
Bei Karten, von denen wir Aufnahmetechnik und Darstellungsweise
(Signaturen) überliefert haben, können wir nach der inneren und
äußeren Quellenkritik, der die Karte wie alle Quellen
unterworfen werden sollte, mit der Interpretation beginnen. Die
Interpretation ist ein Vergleich des Textes mit schon bekannten
Informationen, sie ist deshalb immer individuell vom Interpreten,
dessen Kenntnissen und Ansichten abhängig. Sie schwebt nicht im
leeren Raum, sondern ist mit der jeweiligen Wirklichkeit eng
verwoben, so werden sich keine "ewigen Wahrheiten"
finden lassen, sondern je nach Zeit (ein Werk des 18. Jh. wird von
einem Zeitgenossen des Verfassers anders gesehen als von einem
heutigen Leser), Ort (eine Interpretation von Karl Marx
"Kapital" von einem Studenten in der DDR und der BRD aus
dem Jahre 1960 wird vermutlich unterschiedlich ausfallen) und
Fragestellung anders bewertet werden. So wie auch bei der
Literaturinterpretation immer von einer (oder mehreren)
Fragestellung(en) ausgegangen wird, z.B. spiegeln sich
biographische Besonderheiten des Autors in diesem seinen Werk
wider? Wie verhält sich dieses Werk zu anderen Werken derselben
Zeit? Für die Beantwortung dieser Fragen brauchen wir zusätzliche
Informationen aus anderen Quellen, es sind also vergleichende
Fragestellungen. Andere Fragen lassen sich aus dem Buch heraus
beantworten, z.B. welche Eigenschaften gibt der Autor den männlichen
und welche den weiblichen Charaktären?
Genauso brauchen auch wir Fragestellungen an die Karte. Je nach
Fragestellung lassen sich Antworten in der alten Karte finden oder
aber im Vergleich: heutige Karte / alte Karte. Auch unsere
Ergebnisse werden sich nach unserem Vorwissen, unseren
Grundannahmen und Arbeitshypothesen und dem Erkenntnisziel
unterscheiden. Die Interpretation wird immer subjektiv sein,
deshalb ist eine Überprüfung anhand anderer Quellen mit anderen
Methoden wichtig. Eine systematische Vorgehensweise für die
Interpretation von Karten wird auf Seite XXX beschrieben.
Wenn wir Plätze für Ausgrabungen suchen, könnten wir zum einen
so vorgehen: wir suchen uns aus alten Karten entsprechende Stellen
aus und überprüfen anhand der neuesten topographischen Karte ob
und wie sich der vermutete Fundplatz heute darstellt. Hier kann
sich eine Karte von 1960 schon als "alte" Karte
erweisen, wenn damalige unbebaute Flächen in den letzten 35
Jahren überbaut wurden.
Theoretisch wäre auch der umgekehrte Weg möglich, d.h. wir
suchen uns Flächen, auf denen wir graben können bzw. wollen und
prüfen anhand alter Karten was wir dort finden könnten. Dieses
Vorgehen ist nur sinnvoll, wenn Veränderungen an solchen Stellen
geplant sind, wie z.B. große Baumaßnahmen, und im Vorwege geprüft
werden soll, welche archäologischen Funde und Befunde dort zu
erwarten sind.
Es wird am Günstigsten sein, bei der Interpretation einer alten
Karte zusätzlich zu dieser Karte, jeweils eine etwa gleichmaßstäbliche
aktuelle topographische Karte zu benutzen. Aus dieser können mit
Hilfe der Höhenlinien zuverlässige und benutzerfreundliche
Informationen über das Relief des jeweiligen Gebietes entnommen
werden, da in alten Karten die Höhen entweder in Maulwurfsmanier
oder durch Schraffen nur angedeutet sind. In den meisten Fällen
wird davon auszugehen sein, daß sich das Relief in historischen
Zeiten nicht wesentlich geändert hat. Für den Vergleich aller
anderen Darstellungen beider Karten gilt, daß bei abweichender
Darstellung jeweils zu prüfen ist, ob es sich um Ungenauigkeiten
in der Darstellung auf der alten Karte oder um Veränderungen im
Laufe der Zeit handelt und wenn dieses so ist, ob es sich um natürliche
oder anthropogen verursachte Vorgänge handelt?. Diese Überprüfungen
wird man nicht am Schreibtisch sondern nur im Gelände vornehmen können,
z.B. durch Bohrserien, um die ehemalige Lage eines Gewässers
festzustellen. Gleiches gilt auch für die Lage von Ortschaften,
wenn diese in beiden Karten voneinander abweicht. Es wäre möglich,
daß die Lage der Ortschaft sich im Laufe der Zeit geändert hat
oder aber, daß ihre Lage in der alten Karte ungenau eingezeichnet
ist. Ein weiteres Problem in diesem Zusammenhang ist die
Feststellung des Maßstabes, sofern dieser nicht als Bruchzahl (1
: n), sondern als Maßstabslineal und der Angabe in Meilen
vorliegt. Jetzt haben wir nämlich das Problem, die Meile in unser
heutiges Maß --den Kilometer-- umzurechnen, da die Meile sehr
unterschiedlich lang sein kann. Wir haben es nun mit einer
Gleichung mit mindestens zwei Unbekannten, die Maß- und
Zeichengenauigkeit der Karte und das genaue Verhältnis Meile /
Kilometer zu tun. Weitere Problempunkte sind: die Maßänderung
des Zeichnungsträgers im Laufe der Zeit bzw. bei Änderung seines
Umgebungsmilieus sodann die jeweilige Projektionsart, die evtl. zu
merkbaren Verzerrungen führt.
Mit diesen Problemen beschäftigt sich Rüdiger FINSTERWALDER in
seinem Beitrag: "Maßstab und Genauigkeit alter Karten -
Gezeigt an einigen Kartierungen Bayerns", dessen Ergebnisse
hier dargestellt werden sollen.
Beim Maßstab unterscheidet er zwischen vom Kartographen
angestrebtem und tatsächlich erreichtem Maßstab, wobei Karten
auch Gebiete unterschiedlicher Genauigkeit aufweisen können.
Meist wurde vor der Einführung des metrischen Systems (Napoleon,
Beginn des 19. Jh.) der Passus (Doppelschritt), die Rute sowie die
Meile für Wegemaße verwandt. Diese stehen zueinander in dem Verhältnis:
1 Meile entspricht 1500 Ruten entspricht 4000 Passus. Wenn die Maße
in der Karte einen Bezug auf den damals weit verbreiteten Zoll
haben, ergeben sich folgende Brüche (heutige Maßstabsangaben):
1 Meile entspricht 1 Zoll, entspricht Kartenmaßstab 1:288.000
1 Meile entspricht 2 Zoll, entspricht Kartenmaßstab 1:144.000
1 Meile entspricht 4 Zoll, entspricht Kartenmaßstab 1: 72.000.
Ein weiteres altes Maß ist die (Pariser)Linie (1''' entspricht
2,256 mm).
So entspricht der Maßstab französischer Karten 1:86.400 dem Verhältnis
Die Möglichkeiten zur Maßstabsbestimmung alter Karten wären:
Bestimmung aus einer Maßstabsleiste, sofern vorhanden, dazu muß
die Länge der benutzten Meile bekannt sein, weiterhin sind
Zeichengenauigkeit und Maßänderungen des Zeichnungsträgers zu
bedenken.(10)
Bestimmung aus dem Gradnetz, dazu muß ein solches vorhanden sein.
Da die Länge eines Breitengrades in der Natur 111 km beträgt,
kann man durch Ausmessen in der Karte und Division durch
111.000.000 mm den Maßstab ohne Kenntnis der verwendeten
Einheiten berechnen. Ebenso hier sind Zeichengenauigkeit und Maßänderung
des Zeichnungsträgers Fehlerquellen. Auch die Genauigkeit des
Gradnetzes hat natürlich Einfluß auf das Ergebnis.
Es gibt Karten in denen Maßstab des Gradnetzes und Maßstab des
Karteninhaltes unterschiedlich sind!
Maßstabsbestimmung durch Streckenvergleich. In der Karte gleichmäßig
verteilt werden möglichst in verschiedene Richtungen Strecken
zwischen zwei bekannten Punkten bestimmt und mit den Strecken, die
in einer modernen Karte gemessen werden, verglichen. So kann man
auch Koordinaten zwischen alter und neuer Karte vergleichen
mittels der sog. Helmert-Transformation. Zur Prüfung der
Genauigkeit alter Karten können verschiedene Parameter untersucht
werden. Zum einen kann der mittlere Streckenfehler ermittelt
werden, dieses ist leicht zusammen mit der Maßstabsbestimmung
durch Streckenvergleich durchzuführen. Nach der Umrechnung auf
denselben Maßstab werden die Differenzen d1 zwischen den
jeweiligen Strecken in der alten und der neuen Karte gemessen,
dann kann der mittlere Streckenfehler dm nach der Gleichung dm =
± .XXXXXX.
(n = Anzahl der Vergleichsstrecken) berechnet werden.
Dieses Maß hat den Nachteil von der jeweiligen Streckenlänge
beeinflußt zu werden.
Weiter kann der mittlere Punktfehler berechnet werden. Hierzu ist
die schon erwähnte Helmert-Transformation durchzuführen.
Ein weiteres Maß bilden Fehlervektoren, auch hierzu bedarf es
einer Helmert -Transformation, nach der dann die Soll- und die
Ist-Lage von Punkten in der alten Karte durch Striche verbunden
werden, deren Länge und Richtung ein über die ganze Karte
verteiltes Vektorenfeld bilden. Ein weiterer Schritt wäre die
Erstellung eines Verzerrungsgitters nach IMHOF, bei dem sich die
Verteilung der Genauigkeiten in der alten Karte sehr anschaulich
durch die Krümmung der Gitterlinien zeigen. Für diese Verfahren
ist aber die Digitalisierung der alten Karte erforderlich.
Außerdem kann noch die Genauigkeit der Lage des ganzen
Kartenbildes in Bezug auf das Gradnetz der Karte untersucht
werden.
Es werden Ergebnisse der Untersuchung an Bayerischen Karten
gegeben. Untersucht wurden:
Die Bayern-Karte von Johannes Aventinus von 1523
Die Bayern-Karte von Wolfgang Lazius von 1561
Die Bayerischen Landtafeln von Philipp Apian von 1568
Die Schmittsche Karte von Südwest-Deutschland von 1797
Aventinus-Karte
Es gibt zwei Maßstabsbestimmungen, die zu unterschiedlichen
Ergebnissen geführt haben:
Einmal durch den Vergleich von 10 Strecken von im Schnitt 160 km Länge
an einem 1899 hergestellten Faximilie-Druck mit dem Ergebnis
1:720.000.
Zum zweiten nach Digitalisierung von 74 Vergleichspunkten in einer
vor etwa zwanzig Jahren herausgebrachten Kopie des
Faximilie-Druckes von 1899 und Vergleich mit der Übersichtskarte
von Bayern 1:500.000 über eine Helmert - Transformation mit dem
Ergebnis 1:732.500 (± 1,1 %).
Der Wert von 1:720.000 ist wahrscheinlicher, da er einem Verhältnis
von
Aus den 74 Punkten ergab sich ein mittlerer Punktfehler von ± 11
km und aus dem Vergleich von 20 Strecken mit einer Durchschnittslänge
von 130 km ergab sich ein mittlerer Streckenfehler von 9,4 km, was
gut miteinander harmoniert. Fehlervektoren- und
Verzerrungsgitter-Analyse zeigen, daß es Bereiche
unterschiedlicher Genauigkeit in der Einhaltung des Maßstabes
gibt. Die Analyse des Gradnetzes zeigt, daß dieses mit 1:850.000
einen etwa 11 % kleineren Maßstab als das Kartenbild hat. Dieses
erklärt sich vermutlich dadurch, daß man im 16. Jh. den
Erdradius etwa 10 % zu klein angenommen hat. Die Bezifferung des
Netzes ist falsch, das abgebildete Gebiet liegt 2 weiter nördlich
und 3 weiter westlich als angegeben.
Die Lazius-Karte
Der mittlere Maßstab nach 394 Punkten liegt bei 1:518.000 und
streut ziemlich stark über das Kartenblatt verteilt, wie man an
dem mittleren Punktfehler ± 23 km sehen kann. Teile des
Kartenbildes sind verdreht bzw. verschoben, wie an den
Fehlervektoren feststellbar ist. Dem Verfertiger ging es wohl
nicht um Lagegenauigkeit, sondern um ein inhaltsreiches,
anschauliches Bild. Das Kartenbild ist um etwa 18 verdreht.
So sehr diese Karte geometrisch gegenüber der Aventin-Karte abfällt,
hat sie doch eine fast 10mal so hohe Inhaltsdichte wie folgende
Tabelle zeigt:
Vergleichsobjekte Aventin-Karte Lazius-Karte
Benannte Orte 85 936
Benannte Flüsse 15 129
Benannte Seen 9 46
Sonstige Namen 23 194
Länge des Flußnetzes 1720 km 4630 km
Apians Landtafeln
Durch die Geländeaufnahme 1:45.000 und der Durchführung von
Dreiecksmessungen konnte eine hohe Genauigkeit erreicht werden. In
der gedruckten Ausführung ergibt sich ein mittlerer Punktfehler
von ± 2,7 km (± 1,9 cm in der Karte bei dem hier vorliegenden Maßstab
1:144.000). Auch die Konstanz des Maßstabes ist sehr gut, ebenso
die Drehung von nur 20' des Kartenbildes gegenüber dem Netz. Außerdem
ist der Karteninhalt 5' nach Süden verschoben. In den von Apian
gut vermessenen Gebieten ist die Genauigkeit höher, in den Flußtälern
± 500 m, auf den Höhenrücken zwischen den Flüssen hingegen ±
2 km. Die Karte weist fast 10.000 Orts- und Flurnamen auf. Somit
sind die Landtafeln in Inhalt und Darstellung wiederum eine 10er
Potenz besser als ihr Vorgänger.
Sie enthält auch thematische Informationen, so etwa Signaturen für
Glashütte, Salzpfanne, Wildbad und Erzgrube. [ KRETSCHMER, 1993,
S. 147]
Auch Weinberge sind gekennzeichnet. Wichtige Orte sind durch
individuelle Ortsviduten hervorgehoben, die genaue Lage dieser
Orte wird durch einen kleinen Kreis angegeben.
Die Genauigkeit liegt mit einem mittleren Punktfehler von ± 2,5
km und einem mittleren Streckenfehler von ± 1 km ähnlich wie bei
der Apian Karte. Die Orientierung ist mit einer Abweichung von 2,5
sogar schlechter.
Aufgrund des Maßstabes ist der dargestellte Karteninhalt natürlich
besser, es sind z.B. neben dem Straßen- und Wegenetz die
Vegetation und z.T. auch die Siedlungen in Einzelhausdarstellung
ausgeführt.
Bei den Fehlern, die in alten Karten auftreten, kann man, wie im
Vermessungswesen verbreitet, zwischen groben, systematischen und
zufälligen Fehlern unterscheiden.
Grobe Fehler sind z.B. Verwechselungen von Ortsnamen, falsche Flußverläufe,
fehlen ganzer Orte und ähnliches. Systematische Fehler sind etwa
ein zu kleines Gradnetz oder eine falsche Orientierung des
Kartenbildes, diese Fehler lassen sich, einmal erkannt, meist
durch Berechnung korrigieren. Zufällige Fehler lassen sich nur
schwer erkennen, haben meist aber keine großen Auswirkungen, sie
neigen auch nicht dazu sich fortzupflanzen.
Unter Berücksichtigung dieser Probleme kann man nun an die
eigentliche Interpretation des Karteninhaltes gehen. Die
Interpretation von Karten ist eine Methode der Geographie, dort
aber nicht primär unter historischen Fragestellungen. Diese
bilden
Die nachfolgende Darstellung aus HÜTTERMANN, 1993, S. 40 ff, soll
das methodische Vorgehen erläutern. Für unsere Zwecke sollten
zusätzlich zu den Geofaktoren jeweils der Mensch mit seinem
Kulturverhalten (und dessen Äußerungen in der
"Abb. 4 gibt in einfacher Form ein Raster von
Grundfragestellungen, die sowohl zum Verständnis der jeweiligen
Einzelphänomene als auch zur Erkenntnis von Zusammenhängen
beitragen. Abfolge Beschreibung, Benennung, Erklärung, Prognose,
Wertung sinnvollerweise einzuhalten; dem läßt sich Studium der
Legende, Lesen der Karteninhalte, Karteninterpretation als
Komplexanalyse und Karteninterpretation als Potentialanalyse
zuordnen.
Lesen topographischer Karten ... ermöglicht Erfassen (Erkennen)
der Verbreitung bestimmter Geofaktoren und Geofaktorenkomplexe
nach Art, Häufigkeit und Größenordnung. Erkannt werden kann
nur, was bereits verstanden ist. Verstehendes Erkennen
geographisch relevanter Faktoren durch systematische Ausbildung in
Geographie zu erlernen [Verstehendes Erkennen kulturhistorisch
relevanter Faktoren durch systematische Ausbildung in Archäologie
zu erlernen [D.S.]].
Auf Erkennen folgt ... Beschreibung der Geofaktoren und
Geofaktorenkomplexe, ihrer Verbreitung, Häufigkeit und Größenordnung.
...
Dritter Schritt ist Erklärung des Formenschatzes, seiner
Verbreitung, Häufigkeit, Größenordnung, der funktionalen
Zusammenhänge und der Genese. Funktionale Zusammenhänge sind
sowohl Vorwärts- als auch Rückwärtsbindungen, Abhängigkeiten
von und Einflüsse auf andere Faktoren. Gerade diese
geographischen Probleme nur aufgrund geographischen Problembewußtseins
zu erklären. Zu Terminologieverständnis und -gebrauch kommt
Einblick in Struktur, Funktion und Genese der geographischen
Substanz.
Abschließender Schritt, Darstellung ..., muß auch aus
Beschreibung und Erklärung des Formenschatzes, seiner
Verbreitung, Häufigkeit, Größenordnung, der funktionalen
Zusammenhänge und der Genese bestehen.
...
Mit Hilfe der einfachen Fragestellungen (Abb. 4) kann Karte
systematisch durchmustert werden (Abb. 5). [aus Copyrightgründen
Abbildungen entfernt] [HÜTTERMANN, 1993, S. 41]
Arbeitsgang der Kartendurchmusterung:
1. Feststellung des Maßstabs und Einordnung des Kartenblatts
2. Einordnung des Kartenblatts in Grad- und Gitternetz nach
3. Feststellung der landschaftlichen und politischen Zugehörigkeit
Reihenfolge der zu analysierenden und interpretierenden
Einzelelemente während der Analyse wahrscheinlich am günstigsten
nach 'Länderkundlichem Schema' (11) ... . Bietet beste Garantie
dafür, daß nichts ausgelassen wird und baut auf sinnvoller
stufenweiser Integration der Geofaktoren auf. ...
Bei Erarbeitung der Interpretation eines gesamten Kartenblattes
sollte Vorgehen nach Sachbereichen (Durchmusterung des ganzen
Blattes) oder nach Raumeinheiten unterschieden werden (Abb. 6).
Gewählter Weg richtet sich nach Raumstruktur der Karte."
[aus Copyrightgründen Abbildungen entfernt] [HÜTTERMANN, 1993,
S. 43]
Für kulturhistorische Fragestellungen wird man am Zweckmäßigsten
aus einem Lebensmodell einen Fragen- bzw. Merkmalskatalog ableiten
und diesen zusätzlich bzw. alternativ während der Interpretation
benutzen.
HÜTTERMANN, 1993, S. 15 unterscheidet nach HAKE, 1970, primäre
und sekundäre Informationen:
"Primäre Informationen sind Angaben der inneren
Objektmerkmale durch qualitative und quantitative Daten sowie
Angaben der äußeren räumlichen Bezogenheit zu anderen Objekten.
Sekundäre Informationen nur durch Verarbeitung primärer
Informationen bei der Karteninterpretation zu gewinnen. Sie
bleiben in der Kartengestaltung unberücksichtigt und sind nahezu
unbegrenzt. Alle abgebildeten Informationen sind primäre
Informationen, alle aus der geographischen Interpretation der primären
Informationen gewonnenen Erkenntnisse sind sekundäre
Informationen. Interpretation kann nicht mehr primäre
Informationen als Karte haben. Interpretationsleistung: Aufdecken
von sekundären Informationen."
III. Älteste Karten
III. 1. Prähistorische Karten
Diverse Felsmalereien und Gravierungen sowie Malerei und
Ritzverzierungen auf transportablen Objekten, wie etwa Keramik,
sind als Landkarten im weitesten Sinne gedeutet worden. Catherine
Delano SMITH geht in ihrer Arbeit "Cartography in the
Prehistoric Period in the Old World: Europe, the Middle East, and
North Africa" auf zahlreiche Beispiele ein und gibt einen
kurzen forschungsgeschichtlichen Überblick, dort listet sie auch
46 als Landkarten gedeutete Darstellungen nebst den
Originalpublikationen auf. [siehe Anhang, S. XX]
Weitere Kartendarstellungen, auf die hier nicht näher eingegangen
wird, wären Himmels- bzw. Sternkarten, sei es zur Darstellung von
"Forschungsergebnissen" oder als "Notizbuch"
früher Astronomen.
Von mir sollen hier nur allgemeine methodische Probleme anhand
einzelner Beispiele angesprochen werden.
Selbst wenn wir annehmen, daß geographische Tatsachen oder
Vorstellungen über die (geographische) Umwelt der damaligen
Menschen in diesen Darstellungen sich manifestieren, bleiben
Probleme bei der Interpretation.
Zum einen, in der räumlichen Zuordnung, d.h. was wurde
abgebildet?
Zum zweiten, sind weitergehende Informationen in der
"Karte" enthalten?
Das erste Problem können wir methodisch angehen, indem wir das
Kartenbild mit der Umgebung vergleichen, wenn wir davon ausgehen,
daß der Lebensraum der damaligen Menschen nicht zu groß war.
Liegt der dargestellte Raum weiter entfernt, so nimmt mit der
Entfernung die Wahrscheinlichkeit eine Zuordnungsmöglichkeit zu
finden im Quadrat ab. Weiterhin müssen Landschaftsänderungen im
Laufe der Zeit bei der Suche berücksichtigt werden, d.h. wir müssen
eine Urlandschaftsrekonstruktion durchführen. Zum zweiten
Problemkreis, bzw., wenn eine Landschaft in abstrakten Zeichen
dargestellt ist, haben wir keinen methodischen Zugang zu der
Geistes- und Ideenwelt der damaligen Menschen, um ihre
Ikonographie oder "Kunsttheorie" zu rekonstruieren und
so zu nachvollziehbaren Interpretationen zu gelangen. Wir könnten
zur "Interpretation", die ja schon mit der Aussage
"dieses könnte eine Karte sein" stattgefunden hat, nur
auf unsere heutigen Denkinhalte aus den Bereichen Kunst, im
weitesten Sinne, und geographisch-kartographischem Wissen zurückgreifen.
Ob wir damit zu annähernd richtigen Aussagen und Zuordnungen
gelangen, ist nicht überprüfbar und daher rein subjektiv, d.h.
man kann es glauben oder auch nicht. Ein weiterer methodischer
Ansatz bietet der ethnographische Vergleich, wobei auch hier das
Problem auftritt, daß in den rezenten und subrezenten
kartographischen Konzepten der "Naturvölker" auch nur
ein Teil aller denkbaren Möglichkeiten realisiert ist.
Als Beispiele mögen zum einen die Verzierung einer Vase dienen,
die als kartenartige Landschaftsdarstellung gedeutet wird.
"Ein Gebirge, vielleicht der Kaukasus, und zwei Flüsse sind
auf einer um 3000 v.Chr. entstandenen Vase aus dem russischen
Maikop wiedergegeben."
Zum anderen die sogenannte große Scheibe von Talat N'iisk in
Marokko [aus Copyrightgründen Abbildungen entfernt]
Diese Interpretationen setzen natürlich stillschweigend voraus,
daß die Hersteller (oder Auftraggeber) das Prinzip
"Karte" zur Darstellung einer Landschaft als ihren
Grundriß sowie diesen selbst kannten. Kannten sie sie nämlich
nicht, so wäre es auch möglich, daß lediglich in verschiedene
Ornamentformen bzw. in die Landschaftsdarstellung vom Interpreten
die Landkarte "hineingesehen" wurde, da er natürlich
als heutiger Mensch mit dem Prinzip "Landkarte" vertraut
ist. Würden wir unterstellen, daß Hersteller oder Auftraggeber
dieser Silbervase das Prinzip "Marketing" kannten, könnten
wir auch interpretieren, das es sich um eine Art verkaufsförderndes
"Etikett", handeln könne. Die meisten Menschen würden
eine solche Unterstellung (und damit diese Interpretation) wohl
als absurd ablehnen.
Weitere Möglichkeiten der Interpretation dieser Verzierung wären
z.B., daß es sich nicht um eine konkrete Landschaft, sondern um
die Darstellung einer Idee handelt, z.B. um das
"Weltbild" der Kultur oder Gruppe, bzw. einzelner
Individuen, von der diese Felsmalerei stammt. Hier gäbe es wieder
mindestens zwei Möglichkeiten, zum einen könnte die reale Welt
gemeint sein. In der Mitte Flüsse, daneben Ebenen und am Rand der
Welt Berge, außer wo die Flüsse an den Rand oder über den Rand
fließen.
Oder es sind Diesseits und Jenseits dargestellt, die durch Wasser
getrennt sind, wie etwa in der griechischen Mythologie durch den
Fluß Styx. Oder ein anderer (z.B. magischer) Gedankeninhalt ist
hier versinnbildlicht, der uns aus Unkenntnis der damaligen
Gedankenwelt nicht zugänglich ist und daher bei einer
Interpretation nicht berücksichtigt werden kann.
Ein weiteres Problem bei Felsbildern ist die Gleichzeitigkeit bzw.
Abfolge der Darstellungen zu überprüfen um Zusammengehöriges zu
erfassen bzw. Ergänzungen oder Störungen zu erkennen. Ein Ansatz
hierzu ist die Stratigraphieanalyse anhand von Überschneidungen
sowie die Analyse der verwendeten Techniken und Materialien.
Auch mehr an Tektiformen erinnernde Felsgravierungen oder Bilder,
[SAMMET, 1990, S. 47, 49], die als Lageplan von Feldern gedeutet
werden, unterliegen den gleichen Einschränkungen wie oben. Hier könnte
man auch z.B. interpretieren, es handle sich um ein Brettspiel
bzw. Spielbrett.
Um hier den "Kartencharakter" wahrscheinlich zu machen,
können einige Sachverhalte herangezogen werden wie sie im LEXIKON
(Prähistorische Karte, S. 633 f) vorgeschlagen werden.
"1) Die Zeichnungen müssen eine Anordnung zeigen und
2) die verwendeten Bilder (Zeichen) müssen kartographisch sein
bzw. bildliche oder mimetische[nachahmende] Darstellungen von
Landschaftsmerkmalen;
3) es muß eine Vielfalt von Zeichen vorhanden sein,
4) die gesamte Anordnung sollte unregelmäßig, nicht
Ein weiteres Beispiel wäre die Wandmalerei im türkischen Catal Hüyük.
Diese gilt als die älteste erhaltene sicher datierte echte
kartographische Darstellung (6.200 ± 97 B.C.). Sollte es sich
tatsächlich um den Plan der Siedlung zum Zeitpunkt der
Herstellung handeln und die Datierung der Wandmalerei zum einen
richtig sein zum anderen sich die Gebäude auch datieren lassen,
so hätte man den besonderen Fall, daß sich dann die
Gleichzeitigkeit von Gebäuden und Strukturen (Wege) nachweisen
ließe. Bei feinstratigraphischen Untersuchungen könnten bei der
Ausgrabung die Bauphasen einzelner Gebäude evtl. parallelisiert
werden, so daß eine Überprüfung des Planes möglich wäre.
Ein Problem ergibt sich aus der Gleichartigkeit bzw. Ähnlichkeit
in Form und Größe der Gebäude, sowie der Frage der Maßstäblichkeit
und Genauigkeit der Darstellung bei der Übertragung von der
Abbildung ins Gelände.
Beim ethnologischen Vergleich stellen wir fest, daß viele der
unter Punkt IV. (S. xx) beschriebenen Karten nicht erhaltungsfähig
sind. Organische Materialien mit einer Bemalung wären nur bei
dauernd trockener Lagerung länger erhaltungsfähig, organische
Materialien mit Ritzungen auch bei feuchter Lagerung. Sandkarten wären
überhaupt nicht erhaltungsfähig. Wenn wir unterstellen, daß
gerade diese beiden Materialgruppen bzw. Material für die
Abbildung der realen Welt der jeweiligen Menschen benutzt wurde,
da sie transportabel bzw. einfach und schnell am jeweiligen Ort
herzustellen sind (Sandkarten) um z.B. Wanderungen oder
Treffpunkte zu besprechen. Die Felsbilder hingegen, da sie nicht
transportabel sind, sind eher für die Darstellung von dauerhaften
Sachverhalten, z.B. als Kataster zum Eigentumsnachweis oder aber für
die Darstellung abstrakter Sachverhalte, wie etwa Weltbilder oder
für religiöse Zwecke, im weitesten Sinne geeignet.
Ein generelles Problem, nicht nur bei der Erforschung der
Orientierung des prähistorischen Menschen in seinem Lebensraum
sondern für alle Zeiten ist, daß es verschiedene Konzepte für
die Orientierung gibt. Neben der Orientierung nach der Karte, bei
der die verkleinerte Aufsicht aus der Karte in das reale Gelände
im Geiste umgesetzt wird, durch Vergleich der Kartenzeichen anhand
bekannter Beispiele aus der realen Umwelt mit dem jeweils aktuell
Gesehenem und daraus Bestimmung des Standortes in Karte bzw. Gelände
und Rückschlüsse auf andere Sachverhalte (Distanzen zu anderen
Orten bzw. Zeitbedarf um diese zu erreichen zusammen mit
Informationen über Wege und Relief) . Hierbei können auch (noch)
nicht sichtbare Geländeteile berücksichtigt werden, sofern sie
uns aus der Karte bekannt werden. Wir denken bzw. berücksichtigen
bei unserer Planung alle Informationen, also die Landschaft in
ihrer Gesamtheit. Dem gegenüber steht die Orientierung anhand von
Einzelphänomenen als Land- bzw. Wegmarken denen man Namen gibt
und sie dann in Listenform nach ihrem Erscheinen auf dem Weg sich
merkt und dann "abläuft".
Wir benutzen in unserem Alltag beide Verfahren. Sie haben jeweils
Vor- und Nachteile. Beim zweiten Verfahren ist der einzige
Vorteil, daß man keine Karte haben muß, dafür braucht man aber
einen "Erklärer", der einem den Weg beschreibt. Ein
typisches Beispiel wäre, daß man mit jemandem telefoniert, den
man aufsuchen will und der einem den Weg erklärt. Typische
Wegmarkierungen in der Zivilisation wären z.B. "bei der
Aral-Tankstelle rechts oder nach der 3. Ampel hinter dem
Ortsschild links". Da man keine weiteren Informationen über
den Rest der jeweiligen Umwelt hat, kommt man in allergrößte
Probleme, sollte man den Weg verlieren und den falsch zurückgelegten
Teil nicht rekonstruieren können.
Nach der Kartenmethode haben wir dieses Problem nicht
(vorausgesetzt die Karte ist genau), da wir zum einen den Weg
laufend kontrollieren können, auch anhand von Merkmalen, die uns
nicht mitgeteilt wurden wir jedoch in Karte und Umwelt sehen.
Sollten wir den Weg trotzdem verlieren, so können wir den
aktuellen Standort auf der Karte ermitteln und das weitere
Vorgehen um ans Ziel zu gelangen neu planen.
Die Kartenmethode setzt natürlich das Vorhandensein hinreichend
genauer Karten voraus, welche natürlich nur bei hinreichender
Technologie und Bedarf hergestellt wurden bzw. werden. Das gleiche
gilt für die Aktualisierung alter Kartenwerke, so daß auch heute
für große Teile der Erde keine exakten aktuellen großmaßstäbliche
Karten existieren oder zumindest erhältlich sind, so daß man
meist auf eine Mischform beider Verfahren angewiesen ist. Als
neues Verfahren kommt die satelitengestützte Navigation hinzu,
die aber auch neben der funktionierenden Hardware die Kenntnis der
Lage des Zielpunktes nach Länge und Breite bzw. bei neueren Geräten
die UTMREF-Koordinaten(12) voraussetzt.
Für ältere Zeiten können wir unterstellen, daß überwiegend
Orientierung ohne Karten betrieben wurde, d.h. aber auch, daß die
Kenntnis über die Umwelt nicht in Karten festgehalten war,
sondern durch eigene Anschauung erworben bzw. durch mündliche
Mitteilung und Überlieferung verbreitet und erhalten werden mußte.
Es ist davon auszugehen, daß mit zunehmender Entfernung vom
Hauptsiedlungsgebiet einer Gruppe die Informationen über die
dortige Landschaft immer ungenauer, bruchstückhafter und
unaktueller werden, je nachdem welche Aktivitäten dort durchgeführt
wurden.
Diese Landschaftsinformationen in den Köpfen von Menschen
bestehen natürlich auch in den Zeiten und Orten in denen Karten
benutzt werden. Nur das sie ohne Karten nicht unabhängig überprüft
werden können, sondern nur durch gegenseitige Schilderung des
eigenen Wissens bzw. Glaubens über bestimmte Sachverhalte, was
eine hierfür untaugliche Methode ist. Die im Gedächtnis des
Einzelnen bzw. der Gruppe gespeicherten Informationen sind
selektiv nach den eigenen Interessen bzw. Fähigkeiten und zufällig.
Würde man die Vorstellungen jedes Einzelnen in eine Karte
gleichen Maßstabs umsetzen, würden diese sich in Größe und
Inhalt sicher stark unterscheiden, sowohl was die Genauigkeit wie
auch die Informationsdichte anbelangt. HOFSTAEDTER, 1985, S. 400
ff, gibt in Zusammenhang mit der Frage in wie weit menschliche
Gehirne isomorph sind ein "geographisches Beispiel", das
auch im Hinblick auf unsere Fragestellung interessant ist.
"Stellen Sie sich vor, man gibt Ihnen einen seltsamen Atlas
der BRD, in dem alle natürlichen physischen Merkmale - Flüsse,
Berge, Seen usw. eingezeichnet sind -
Ihre persönliche ARD wird mit der BRD in dem Teil, in dem Sie zu
Hause sind, ziemlich ähnlich sein. Wo Ihre Reisen Sie auch hingeführt
haben mögen und wovon immer Sie sich mit Interesse Landkarten
angeschaut haben, weist Ihre ARD Eigenheiten auf, die mit der BRD
auffällig übereinstimmen.: vielleicht ein paar Kleinstädte in
Hessen oder Bayern oder auch ganz Hamburg können in Ihrer ARD höchst
getreulich repräsentiert sein."
(Im Folgenden versetzt HOFSTAEDTER den Verfertiger der ARD in
dieses Land und läßt ihn dort herumreisen, allerdings mit einem
Straßenatlas der BRD. Der Reisende bemerkt, daß bestimmte
Tatsachen und zentrale Orte in beiden Ländern gleich sind, andere
hingegen nicht, vor allem wenn sie weniger zentral sind. Dieses überträgt
H. nun auf die Ebene des Gehirns, insofern als bestimmte wichtige
Strukturen und Inhalte in allen Gehirnen gleich seien andere sich
eben unterscheiden, je weniger zentral desto mehr und häufiger.)
Uns interessieren hier mehr die geographischen Aspekte dieser
Analogie. So werden aus den Kenntnissen und Vorstellungen der
Menschen über ihre Umwelt viele persönliche "ARD's"
entstehen, mit denen der Verfertiger sich dann in der
"BRD" zurechtfinden muß (also genau umgekehrt wie bei
H.), bzw. mit anderen Menschen und deren abweichenden "ARD's"
sowohl über die reale "BRD" und über die eigene bzw.
fremde(n) "ARD's" und die jeweiligen Beziehungen
dazwischen kommunizieren muß. Dieses kann zusammen mit der
bekannten Unschärfe der menschlichen Sprache zu erheblichen
Fehlern und Problemen führen. Je nach der zu bewältigenden
Aufgabenstellung können die sich ergebenden Konsequenzen von
einem verpaßten Rendezvous bis zum Tod einer ganzen Armee
reichen.
III. 2. Babylonische Karten
Der älteste, großformatige Plan ist in die Robe der Statue des Königs
Gudea von Lagash (Sumer, ca. 2100 v.Chr.) eingraviert und befindet
sich heute im Louvre, Paris. Dargestellt ist eine Festung oder ein
Tempel. In Tontafeln geritzte weitere Pläne haben sich zumindest
in Bruchstücken bis heute erhalten. Der bekannteste ist ein Plan
von Nippur ca. 1000 v.Chr., dargestellt sind der Euphrat, zwei
Kamele, der Haupttempel und zwei weitere Anlagen sowie die
Stadtmauer mit sieben namentlich aufgeführten Toren. Für einige
Gebäude sind auch Maßangaben in Einheiten von je 12 Cubits (ca.
6 m) angegeben. Dieses legt nahe, daß der ganze Plan maßstäblich
ausgeführt ist, was jedoch umstritten ist. [nach DILKE, 1985, S.
12]
Auch Karten kleineren Maßstabs sind überliefert. Neben der
bekannten Weltkarte (heute im britischen Museum) gibt es z.B. eine
Tontafel, die neun Städte oder Ortschaften zeigt, die durch Straßen
und Kanäle verbunden sind. Eine weitere Tontafel aus Yorghantepe,
(nahe Kirkuk) ca. 2300 v.Chr., zeigt die Gegend um Gazur (das spätere
Nuzi). Hier sind zum ersten Mal die Himmelsrichtungen angegeben:
Westen an der Unterseite, Osten an der Oberkante und Norden an der
linken Seite.
Anmerkungen!
III. 3. Ägyptische Karten
Die bekannteste ägyptische Karte ist der sogenannte "Turiner
Goldminen Papyrus". Es handelt sich um eine mehrfarbig ausgeführte
Karte, die Hügel zwischen dem Nil und dem Roten Meer sowie Straßen,
Gold- und Silberminen dieser Gegend zeigt. Weiterhin sind
schriftliche Anmerkungen (in hieratisch) auf der Karte vorhanden.
Es handelt sich um die Minen von Umn Fawakhir im Wadi Hammamat.
[nach DILKE, 1985, S. 14-15]
III. 4. Phönizische Karten
Solche Karten sind nicht bekannt. Ob die Phönizier, als ein Volk
von Händlern und Seefahrern, Karten herstellten und benutzten,
wissen wir nicht. Es ist festzustellen, daß ihre Kenntnisse in
die griechische Geographie einflossen.
[nach DILKE, 1985, S. 14]
III. 5. Griechische Karten
Originale griechischer Karten sind nicht bekannt. Es sind
lediglich Gebäudepläne, wohl als Bauzeichnung, erhalten, da sie
in Stein gemeißelt oder geritzt wurden. Ferner sind Weltkarten
nach Beschreibungen griechischer Autoren rekonstruiert worden.
Diese Weltkarten (sog. "O"- bzw. "T"-Karten,
nach der Aufteilung der bekannten Welt) sind zwar im Hinblick auf
das Weltbild und die Vorstellungen der griechischen Geographen
wichtig, aber für kleinräumigere Fragestellungen als Quelle kaum
brauchbar. Ob auch Karten in größerem Maßstab angefertigt
wurden, ist nicht bekannt. Man weiß, daß auf dem Feldzug
Alexander des Großen zwei Vermesser mitzogen, die die Distanzen
zwischen allen Rastplätzen festzuhalten hatten, und daß Gelehrte
und Sekretäre alle verfügbaren Daten über die Geographie, Böden,
Flora und Fauna sammelten. Diese Informationen waren in einem
Expeditionstagebuch festgehalten, das von einem Eumenes von Cardia
zusammengestellt worden war. Es ist uns leider nicht überliefert,
aber spätere antike Autoren haben wahrscheinlich Gebrauch von
diesen Angaben gemacht.
[DILKE, 1985, S. 29]
Als Quellen für unsere heutigen Fragestellungen brauchbarer als
griechische Weltkarten bzw. ihre Rekonstruktionen sind die
Beschreibungen der einzelnen Geographen, sofern sie uns überliefert
sind, was meist nur als Zitat in anderen Werken der Fall ist.
Weiterhin wohl als Kompilation verschiedendster Quellen, die
Segelhandbücher oder Periploi, die seit dem 7. Jh. vChr. für die
Küstenschiffahrt im Mittelmeer in Gebrauch kamen (bzw. uns überliefert
sind) und alle für die Seefahrt relevanten Daten der Küstenregionen,
so etwa Orte, Süßwasservorkommen oder Untiefen, verzeichneten.
Diese Informationen sind für die archäologische Forschung, z.B.
Exploration neuer Fundplätze oder Rekonstruktion ehemaliger
Landschaften und ihrer Besiedelung, der Rekonstruktion von
Wirtschaft und Handel, wesentlich brauchbarer. Diese Quellenart
ist aber nicht Gegenstand dieser Untersuchung.
III. 6. Römische Karten
Neben dem Gebrauch der Periploi für die Seefahrt wurde für den
Landverkehr auf den römischen Straßen ein ähnliches Instrument
in Form des Itinerarium (eigentlich itinerarium adnotatum, d.h.
kommentierte Wegbeschreibung). Mit diesem Begriff ist:
"Jede Form schriftlicher Aufzeichnung über die Logistik von
Reisen über Land mit Angaben von Stationen, Streckenmaßen, Straßenbeschaffenheit,
Zolltaxen und Unterkünften gemeint - ganz gleich, ob die Reise
von einer Privatperson zu touristischen oder zu Handelszwecken,
von einem Beamten im Dienste der Verwaltung oder etwa von einem römischen
Kaiser unternommen wurde. Sie alle benötigten, um den
reibungslosen Verlauf ihrer Reisen sicherzustellen, einen solchen
Reiseplan, der den Zweck der Reise sowie ihre zeitliche, und
besonders ihre räumliche, Disposition verzeichnete."
[OLSHAUSEN, 1991, S.87]
Es scheint, als habe sich aus diesen itineraria auch eine Art
"Straßenatlas" entwickelt. Eine mittelalterliche Kopie
eines solchen Werkes ist wohl die sogenannte "Tabula
Peutingeriana", ein 6,82 m langes und 34 cm breites, auf
Leinen aufgezogenes Pergamentband aus 11 Blättern bestehend, daß
eine Straßenkarte von der Ostküste Britanniens bis nach China
zeigt (104.000 Straßen-km). Die Darstellung ist aufgrund des
Formates sehr verzerrt, es sind nur die größten Flüsse und
Gebirge schematisch eingezeichnet. Die Straßen weisen in ihrem
Verlauf Zacken auf, die Länge zwischen den Zacken ist jeweils
angegeben. Orte, Raststationen usw. sind wahrscheinlich mit
schematischen Gebäudedarstellungen angegeben, deren genaue
Zuordnung aber nicht bekannt ist. Den angegebenen Ortsnamen nach
stammt die Vorlage zu diesem Kartenwerk aus dem 4. Jh. nChr. Die
erhaltene Ausgabe stammt wohl aus dem Mittelalter (11./12. Jh. ?).
Eine weitere Quellengattung wären die Verwaltungshandbücher, von
denen leider nur ein einziges Exemplar überliefert worden ist,
die "Notitia dignitatum omnium, tam civilium quam militarium".
Julius Cäsar gab vier Griechen im Jahre 44 v.Chr. den Auftrag,
die bekannte Welt darzustellen. Ob dieses in Form einer Weltkarte
geschah, ist nicht sicher. Auf jeden Fall ist eine solche Karte
nicht überliefert. Wir haben aber einige Angaben aus späteren
antiken Quellen(13) zu den Personen und der Dauer der Arbeit.
Da das Imperium Romanum sich zum Ende der römischen Republik
immer mehr ausweitete, waren genaue geographische Kenntnisse für
"geopolitische" Fragestellungen natürlich wichtig. Ob
die Darstellung in Kartenform oder als Iteneriar erfolgte, oder
beides, weiß man nicht. Da wir heute hauptsächlich an Hand von
Kartendarstellungen zu planen gewohnt sind, erscheint uns diese
Darstellungsform näherliegend und "angemessener". Aber
auch eine Beschreibung in Worten ist für diese Zwecke brauchbar,
wenn nicht sogar besser, da leichter durch Abschrift zu vervielfältigen
und wesentlich mehr und eindeutigere Informationen enthaltend als
eine kleinmaßstäbliche Karte. Zu dem war die militärische und
verwaltungsmäßige Kommunikation und Logistik der Römer an die
Straßen und Wasserwege gebunden, so daß für die meisten Zwecke
die genaue Geländekenntnis außerhalb der großen Orte und
Verbindungswege nicht nötig war. Für die antiken Zivilisationen
und ihre Expansion mit Kolonisation der erreichbaren Welt können
wir hinsichtlich der Verwaltung , Organisation und Ausbeutung
nicht dieselben Maßstäbe und technischen Voraussetzungen
annehmen, wie in der imperialistischen Phase der europäischen
Kolonial-Mächte in den letzten Jahrhunderten mit der genauen
kartographischen Aufnahme der annektierten Gebiete für die
"Erschließung" d.h. Besiedelung und Ausbeutung der
Rohstoffe. So daß man sich die römische Verwaltung und Kriegführung
gut ohne klein- oder mittelmaßstäbliche Kartenwerke vorstellen
kann.
Region
Kartograph
Anfertigungszeit
(Jahre, Monate)
Jahr der
Fertigstellung
Osten
Nicodemus (Nicodoxus)
21,5
30 v.Chr.
Westen
Didymus
26,3
27 v.Chr.
Norden
Theodotus (Theodocus)
29,8
24 v.Chr.
Süden
Polyclitus
32,1
--
[nach DILKE, 1985, S. 40]
Weiterhin sind Fragmente eines Stadtplans von Rom erhalten, der
zwischen 203 und 208 n.Chr. fertiggestellt wurde. Der Plan war in
Marmor graviert, 18,30 m hoch und 13,03 breit. Der Maßstab ist im
Durchschnitt 1:300, variiert aber zwischen 1:189 und 1:413.
[nach DILKE, 1985, S. 104, 105(14)]
Ein weiterer Gesichtspunkt in diesem Zusammenhang ist das römische
Landvermessungssystem, bei dem ein Gebiet in Quadrate, die
sogenannten Centuriae, von je 2400 x 2400 römische Fuß(15)
eingeteilt wurde (entspricht 50,36 ha), diese wurde in Flächen
von 100 Heredia oder 200 Iugera unterteilt, wobei letzteres ein
Rechteck von 120 x 240 römischen Fuß ist. Die kurze Seite dieses
Rechteckes nennt sich auch Actus und stellt die Länge einer
Ackerfurche eines Feldes dar. [nach DILKE, 1985, S. 88, 89]
Es gibt auch andere Maße bei der Limitation, so beschreibt
SCHWEITZER 1983
Es finden sich sowohl auf Luftbildern, wie auch an Landschafts-
und Siedlungsstrukturen, (wenn auch nicht auf den ersten Blick),
Orientierungen an dem Limitationsraster, auch archäologische
Befunde, wie römische Kastelle und Gutshöfe, befinden sich in
unmittelbarer Nähe der Rasterlinien und auch der dortige Limes läuft
geradlinig auf einer "praktikablen Diagonalen" im
Raster. Des weiteren versucht SCHWEITZER anhand von Flurnamen, die
sich aus römischen Fachtermini der Limitation herleiten lassen,
einen weiteren Ansatz um seine Ergebnisse zu überprüfen.
DILKE, 1985, geht in Kapitel VI "Land Surveying" ausführlich
auf das Thema Limitation ein (dort auch weitere Literatur).
Die Kenntnis des römischen Vermessungssystems kann sich bei der
Prospektion und Ausgrabung römischer Befunde natürlich günstig
auswirken, wenngleich sich sicher nicht alle Spuren und Überreste
daran orientieren werden.
Ein Sonderfall römischer Kartographie ist der 1976 etwa in der
Mitte des römischen Lagers von Mauchamp (Frankreich) ausgegrabene
Sandsteinblock (56 x 47 x 14 cm) der, wie der Ausgräber meint,
eine Karte Galliens darstellt. Die Westküste sei klar erkennbar
und drei Löcher zeigen die Lage der gallischen religiösen
Zentren in Puy de Dome, Autun und Grand. Abb. in: HARLEY /
WOODWORD, S. 207.
IV. Karten der Naturvölker
Um Modelle für frühere schriftlose Zeiten im Hinblick auf deren
Kartographie im weitesten Sinne zu gewinnen und Anhaltspunkte für
das Erkennen von Funden und Befunden aus diesem Bereich zu
bekommen ist es wichtig, die "Kartographischen Vorstellungen,
Dimensionen und Objekte nichtindustrieller Gesellschaften Außereuropas"
[LEXIKON 1986, S. 515] zu untersuchen.
Die folgenden Ausführungen stützen sich auf den Artikel: Naturvölker,
Kartogaphie der, in diesem Lexikon.
[S. 515 - 520]:
"... Die N. läßt sich nicht auf Kartenwerke oder ähnl.
Produkte reduzieren, sie muß themat. weiter gefaßt werden und
auch a) Raumvorstellungen incl. Weltbilder, b) Ortungen, c)
Astronomie und Kalenderkenntnisse sowie d) Orientierungs- und
Navigationshilfen berücksichtigen, ehe man e) kartenähnl. Werke
und Karten selbst anführen kann.
Voraussetzung für Raumvorstellungen incl. Weltbilderkonzeptionen
(a) ist ein sehr ausgeprägter Orientierungssinn, der für die
sogenannten Naturvölker unabdingbar war.
Die Kenntnis der Umwelt führte in den verschiedenen Ökozonen zu
differenzierten Raumvorstellungskonzeptionen mit unterschiedl.
Ausformung. So bestehen Unterschiede sowohl zwischen der
Raumordnung von Insel-, Küsten- oder Festlandbewohnern. Als auch
von Jäger- und Sammlerpopulationen, Bodenbauern oder Viehzüchtern
gemäß den Vorstellungen, die auf den ökonom. Voraussetzungen
basieren. In jedem Fall wird ein der Ökologie und Ökonomie
entsprechendes Raumwissen, mit polit./ sozialen und religiösen
Dimensionen verbunden, entstehen, das Friedens- von
Kriegsgebieten, Fremd- von Eigenraum, Heimat von Ausland, den
autochthonen Bezugspunkt berücksichtigen, unterscheidet. Die
Einheimischen verfügen über terminologische Kataloge von Örtlichkeiten,
die naturgemäß ethnozentr. ausgerichtet sind. Durch die
Trennlinie von Innen- und Außenland ergibt sich der Horizont, der
oft auch durch Kulturkontakte mit Nachbarethnien überschritten
wird, was zu einer Wissenserweiterung führen kann. Der
Umweltbezug ist aber nicht allein Zweidimensional - horizontal -
als Raumsicht zu werten, es muß auch die 3. Dimension des
Transzendenten in verschiedenen kulturdeterminierten Ausprägungen
berücksichtigt werden. Der Bezugsrahmen zu dem 'Land der Ahnen'
zu 'Geistersitzen', 'Geisterpfaden', zur 'Topograhpie des
Unsichtbaren'... ist ebenso anzuführen wie die Problematik der
Jetztzeit und der myth. Traumzeit (z.B. bei den Australiern).
Darauf bauen wiederum die Weltbildvorstellungen der Einheim. auf,
die als Interpretation der oft nicht mit rationalen Mitteln erklärbaren
Umwelt zu deuten sind, für die betroffenen Menschen aber histor.
gewonnene Realität und Raumbewältigung bzw. -erklärung
darstellen. Kosmologien von der Entstehung der auf ihren Horizont
hin orientierten Welt Hinterfragung der Gründe und meist
naturalist. Erklärungen dafür sind Realitäten, wie z.B. bei den
Polynesiern die Schaffung des Kosmos aus einem 'Weltei', das sich
in Himmelglocke und Erdscheibe mit Inseln, umgeben von Weltmeere,
teilte. Hierbei spielen myth. Vorzeitwesen, Kulturheroen, Götter
(männl. und weibl., Paarungen, Befruchtungskonzeptionen) eine
wesentl. Rolle; die Aufgliederung der Welt - bzw.
Himmelsschichten, Unterwelten (Eingänge sind oft Schluchten,
Vulkankrater etc.), in Dualsysteme von oben und un-
ten, rechts und links, in Himmelrichtungen, Horizontaufteilungen
und die Beachtung der Sonnen- und Mondbahn sowie des
Sternenhimmels sind weitere Raumbezugs- und
-interpretationsebenen. Diese kartograph. Vorstellungen sind meist
mit spirituel-mag. und myth. Komponenten verbunden, die nicht nur
für die 'Naturvölker', sondern auch für archaische Hochkulturen
unter Berücksichtigung von Astronomie und Kalendererkenntnissen
wichtig sind oder waren.
Ortung (b) hängt mit 'orten', 'einrichten', 'ausfluchten' und
'abstecken' wie mit 'Ortsbestimmungen' nach 'Richtpunkten'
zusammen, die für die Menschheit von jeher von Wichtigkeit waren;
daher finden wir sowohl Belege aus der Ur- und Frühgeschichte wie
aus der Ethnologie. Es sei hier nur auf das stark entwickelte räuml.
Vorstellungsvermögen der Eskimo verwiesen, die die
Wintersonnenwende aus der Bestrahlung der Felsen auf etl. Tage
genau bestimmen können und mit dem Sonnenfest ihr neues Jahr
beginnen. Die Ortungslinie geht von einem festen Standpunkt aus über
eine Felsenspitze zum Winterwende-Aufgangspunkt und dient so der
Zeitrechnung und Festlegung des Festbeginns. Aus neuerer Zeit wird
von den Hudson-Bay-Eskimo berichtet, daß sie die Zeiten beider
Wenden mit Hilfe von festen Landmarken ermittelten. ...
... Als Orientierungs- und Navigationshilfen (d) dienten
zahlreichen Ethnien die Erkenntnisse über den 'Lauf' (Bahn) von
Sonne und Mond, wie auch der Sternenhimmel. Man teilte den
Horizont vom Aufgangspunkt der Sonne im E in Segmente oder bezog,
wenn vorhanden, Gebirgsketten oder deren Schattenbildungen mit
ein. Den Polynesiern war z.B. die Tatsache bekannt, daß die
Sterne jeweils am gleichen Punkt des Horizontes erscheinen. Sie
kannten eine große Anzahl von Gestirnen und wußten auch, an
welcher Stelle des Horizontes und zu welcher Zeit des Jahres jeder
dieser Sterne aufging. Das wichtigste war jedoch, daß die
Polynesier beobachtet hatten, über welche Inseln die einzelnen
Sterne 'hinwegzogen'. Sie kannten das Positionsverhältnis der
Sterne zueinander und wußten, daß jeweils etl. Gestirne auf
einem imaginären Pfad' am Himmelsgewölbe einander folgten. Sie
teilten das Jahr in 13 Monate zu 28 bzw. 29 Tagen und den Horizont
in 16 Teile als Himmelsrichtungen ein (Windrose). Die Zeichen der
Natur wurden bei Tag, ebenso wie der Sternenhimmel bei Nacht, zur
Orientierung zu Hilfe genommen. Dennoch konnte es zu
Kursabweichungen bis zu 50 Seemeilen kommen. Jenseits des
Horizontes liegende Atolle erkannten sie tagsüber im wolkenlosen
Himmel am 'Licht des Landes', einen Dunstflimmer über der Lagune.
Bergige, noch unsichtbare Inseln waren an einer über diesen
stehenden Wolke zu bemerken, an der andere Wolken vorbeizogen.
Nicht seefahrende Ethnien hatten als Orientierungshilfen einfache
Wegweiser, wie mit Kerben versehene Bäume (Nordamerika, Afrika),
kleine Steinsetzungen, das Anbringen von Wimpeln etc., um damit
den Weg, die Richtung der Wanderung anzudeuten und zu fixieren.
Solche Pfadzeichen, oft mehrere auf Rinden aufgetragen
(Australien), können als eine Übergangsform zu den kartenähnl.
Werken und Karten gelten.
Von Karten (e) bei Naturvölkern kann man dann sprechen, wenn man
Karte mit 'verebnete', verkleinerte, vereinfachte Abbildung eines
Teiles der Erdoberfläche 'umschreibt'. Hiezu [sic!] gehören sog.
'Sandkarten', d.h. in den Sand oder in die Erde eingekratzte
Skizzen von Gegenden zum Verständnis und zur Interpretation des
Gesagten. So konnten z.B. die Bakuba Zentralafrikas mit großer
Genauigkeit die verschiedenen Flußläufe des Kongobeckens
aufzeichnen, oder die Maori Neuseelands Küsten- oder
Inlandsgebiete durch einfaches Ritzen in den Boden als
kartograph.-topograph. Information darstellen. Gleich den
Indianern Nordamerikas (Sandzeichnungen von Stammesgebieten und
Wanderwegen) zeichneten auch die Eingeborenen Südamerikas Karten
in den Sand; so wird von den Stämmen im Xingu-Quellgebiet
berichtet, daß sie dieses sofort auf Anfrage aus dem Kopf
zeichnen konnten. 'Reliefartige Darstellungen' wurden u.a. von den
Eskimo berichtet: Erst wurde mit einem Stock die Küstenlinie
gezogen und nach Tagereise abgeteilt. Hierauf setzten sie
Bergketten mit Sand und Steinen auf und stellten die Inseln, mit
Berücksichtigung der Größe und Gestalt, durch Kreishaufen dar.
Danach wurden die Dörfer und Fischerstationen durch eine Anzahl
in die Erde gesteckter Stöcke bezeichnet, so daß eine Nachahmung
der Wirklichkeit entstand. Ein Marabout bei den Tuareg im Hongga (N-Afrika)
hatte die Fähigkeit, im Sande sein ganzes Gebiet mit Zeichnungen
und Steinsetzungen darzustellen. Die Südseebewohner konnten
ebenfalls Sandzeichnungen mit Relief in Kombination zur
Darstellung bringen, um damit Insel-, Atoll- und Rifflage zu
dokumentieren. Eine Weiterentwicklung daraus scheint die
Spezifikation der 'Stabkarten' der Marschall-Insulaner gewesen zu
sein.
Unter Karten im engeren Sinne verstehen wir solche die obiger
Defination entsprechen und transportabel sind. Der Zeichnungsträger
ist der Umwelt angepaßt; so kommen unter anderem Holz, Knochen,
Tierhäute, Tuche, Bastpapier und seit dem Kontakt mit dem Europäer
und dem E-asiat. Hochkulturen immer mehr Papier als
Ausgangsmaterial für Karten infrage. Die Eskimo Gröndlands
stellten Karten aus Holz her, die in zwei Formen vorliegen:
1) Holzstäbe, in die der Küstenverlauf eingeschnitzt ist und so
den Einheimischen als Orientierungshilfe in ihrer näheren und
weiteren Umgebung bei Fischzügen oder sonstigen Wanderungen
dienen.
2) Holzplatten, auf denen in erhabenem Relief Küstengebiete mit
Halbinseln, vorgelagerten Inseln, Fjorden etc. plast. (über dem
Meer) dargestellt sind. Die Genauigkeit ist frappierend, und es
wird behauptet, daß die Eskimo solche 'Holzkarten' aus dem Kopf
schnitzen oder, in späterer Zeit, auf Papier oder auch auf Fell
zeichnen konnten. ... [Nordamerika]... Ein erster Blick auf indian.
Skizzen macht deutl., daß es vor allem topolog. und topograph.
Karten sind, die z.T. sehr große Territorien abbilden. Ein Fünftel
der Karten dürften indian. Originale sein. Der Hauptanteil stammt
jedoch aus dem Zusammentreffen und dem Kommunikationsprozeß
zwischen Eingeborenen und Personen europ. Herkunft. In der
Darstellung überwiegen linienhafte Elemente. Die Materialien, auf
denen gezeichnet wurde, waren primär Birkenrinde, Tierhäute,
Tuch und später Papier. Teilw. wurden Karten auch in weichen
Stein und Ton, bisweilen in die Oberfläche von Knochen und
Muscheln eingeritzt. Beispiele für die Benutzung dieser
Materialien sind jedoch sehr selten erhalten geblieben. Auch auf
entschälten Bäumen wurden derartige Zeichnungen angebracht.
Gezeichnet wurde mit den Fingern, gefärbten Holzstöcken und
Holzkohle. Messer dienten zum Einkerben. ... Nur vereinzelt findet
man farbl. gestaltete Karten. Das Darstellungsmaterial umfaßt
alle Teile Nordamerikas aus dem Zeitraum vom 16. bis 19. Jh.
... Auch im tägl. indian. Leben waren Karten kein unbekanntes
Verständigungsmittel. Sie waren oft verknüpft mit Botschaften
(Warnungen, Jagdberichte) und dienten als Wegweiser für
nachkommende Gruppen. Auch zur Vorbereitung eines Kriegszuges
wurden sie benutzt. Wenn Entfernungen angegeben wurden, teilte man
sie in Tagesabschnitte ein. Die Dauer eines Unternehmens wurde
nach verbrachten Nächten berechnet. ... Neben diesen topograph.
Einzel- oder Detailkarten und den weiträumigen (oft ins Detail
hineinreichenden) Übersichtskarten sei auch auf Himmelskarten der
Indianer verwiesen. Auf Leder sind die wichtigsten Sternbilder des
nördl. Himmels dargestellt. Die wiederum als Orientierungshilfe
den Indianern in den Weiten des Nordamerikanischen Teilkontinents
dienten.
Auch bei den mesoamerikan. Hochkulturen spielten Karten eine
besondere Rolle; aus der Zeit der Conquista sind uns aufgrund der
überkommenen Codices (z.B. Codex, Vindobonensis, Mex. I.; österr.
Nationalbibl., Wien) kartograph. Informationen übermittelt
worden. Den Azteken dienten z.B. speziell angefertige Karten zur
Verwaltungsorganisation, der Anlage und Einteilung der Felder
(Flurkarten) etc., sowohl im ländl. wie auch im städt. Raum. Bei
der Eroberung Mexikos spielten von den Einheimischen den Spaniern
übergebene Karte eine wesentl. Rolle. CORTEZ und seine Truppen
konnten eine planmäßige Einnahme des Landes und der
Reichsmetropole aufgrund der indian. Karten gut vorbereiten. Diese
bilden u.a. einen wesentl. Quellenbestandteil der Mexikanistik.
Ein Blick nach Afrika zeigt uns, daß es auch hier kartograph.
Leistungen gab, wenn diese auch im wesentl. erst durch den Kontakt
mit den Europäern oder Muslims entstanden, die selbst eine
bedeutende kartograph. Tradition .... aufzuweisen haben. Als
Beispiel sei die Wegaufnahme des Königs NJOYA erwähnt, die als
topograph. Aufnahme des Raumes zwischen der Stadt Fumban
(Kameruner Grasland) und der königl. Farm mit allen
phys.-geograph. und kulturgeograph. Einzelheiten anzusprechen ist.
Ebenso finden wir Übersichts- (z.B. Ovambo-Land) und Detailkarten
sowie spezielle Siedlungskarten (Dorf-, Gehöft- und
Verteidigungsanlagen). ... Bis heute existieren keine umfassenden
Darstellungen der 'Kartographie der Naturvölker' sieht man von DRÖBER
(1903)[1] ab ... Die Bedeutung von Dröbers Darstellung liegt
darin, daß er erstmals versuchte, sowohl die Voraussetzungen für
kartograph. Werke als auch die verschiedenen Kartentypen
aufzuzeigen."
[1] DRÖBER, W., Kartographie bei den Naturvölkern, Diss.
Erlangen, 1903. (Reprint 1964).
V. Mittelalterliche Karten
Neben den Kopien antiker Karten, nach griechischen (Ptolemaios)
oder römischen
Am Ende des lateinischen Mittelalters kommen auf dem Gebiet der
Seekarten die sogenannten Portulane oder Portulan-Karten in
Gebrauch. Die folgenden Aussagen stammen , wenn nicht anders
angegeben, aus dem Vortrag über Portulane von Frau Professor Uta
Lindgren vom 16.01.1995, im Rahmen des Seminars über neuere
Forschungen zur Geschichte der Naturwissenschaften, Mathematik und
Technik.
Wohl nach 1154, (Datierung der sog. Idrisi-Karte), aber vor 1260,
da um diese Zeit Bacon und Rogers in ihren Schriften fordern, der
Darstellung des Binnenlandes die gleiche Sorgfalt zu widmen wie
den Küstenlinien, was in den meisten Portulanen nicht der Fall
ist. Es sind mehrere 100 Karten dieses Typs erhalten, die meisten
zeigen das Mittelmeer, die jüngeren auch einen Teil der
Atlantik-Küste. Sie sind auf Pergament gezeichnet und meist eine
Schafshaut groß. Es gibt noch keine 14-C-Datierungen (was
wahrscheinlich auch zu keinen neuen Erkenntnissen in der Abfolge
der Karten führen würde, da die Ungenauigkeiten zu groß wären
[D.S.]). Auf den Karten konnten cirka 400 Orte identifiziert
werden, die erstaunlich genau eingezeichnet sind. Die größte
Abweichung betrug 40 Kilometer, die meisten Orte waren wesentlich
genauer eingezeichnet. Bezogen auf einen Großkreis beträgt die
Abweichung maximal ein Drittel Grad. Wie man diese Genauigkeit der
geographischen Breiten- und vor allem Längenangaben erreichen
konnte, ist noch nicht abschließend geklärt. Bei der Größe des
erfaßten Gebietes kommen eigentlich nur astronomische
Standortbestimmungen infrage. Um das Jahr 1000 gelangt aus Indien
die Kenntnis der Winkelfunktionen, insbesondere der Sinusfunktion,
zu den Arabern. Es gibt keine Hinweise, daß es schon zu
Dreiecksmessungen (im Sinne echter Triangulation) zur
Kartenherstellung kam. Außerdem gibt es im Arabischen keine
Vorbilder für die Portulan-Karten, von denen solche Angaben übernommen
worden sein konnten. Hingegen waren Methoden zur Bestimmung der
Lage eines Ortes nach Länge und Breite bekannt. Zum einen, die
antike Methode (nach Ptolemaios), wo zwei Beobachter an
verschiedenen Orten eine Mondfinsternis beobachten und die
jeweilige Ortszeit messen, eine Stunde Differenz entsprechen 15°
Längenunterschied (bei gleicher geographischer Breite). Diese
Methode ist aber für die Portulan-Anfertigung zu ungenau.
Geeignet wäre die Arabische Mond-Distanzen-Methode, die im 8.
oder 9. Jh. entwickelt wurde, da es für die Muslime wichtig war,
für jeden Ort jeweils die genaue Gebetsrichtung nach Mekka
festzustellen. Diese Methode wurde im Abendland im 12. oder 13.
Jh. bekannt und bietet eine hinreichende Genauigkeit, benötigt
aber mehr Hilfsmittel. So benötigt man neben dem Rechenverfahren
selbst, das schon auf der sphärischen Trigonometrie beruht, möglichst
genaue Mondlauftabellen, Tabellen für den Stand der der Ekliptik
nahen Fixsterne, eine Technik um nachts die Ortszeit zu bestimmen,
sowie möglichst genaue Winkelmeßgeräte.
Einen weiteren Ansatz stellt Helmut MIROW in seinem Beitrag
"Sind die frühen Portolankarten das Ergebnis antiker großräumiger
Vermessungen?" zur Diskussion.
Er führt aus, daß die Portolankarten ungefähr das Gebiet des römichen
Imperiums abbilden. Das während der römichen Kaiserzeit sowohl
eine Organisation sowie mit den alexandrinischen Gelehrten die nötigen
Kenntnisse vorhanden waren um astronomische Ortsbestimmungen, und
großräumige Winkelmessungen z.B. zwischen nächtlichen
Leuchtfeuern, die an den Küsten für die Schiffahrt sowieso
vorhanden waren, durchzuführen. Diese konnten mit den schon
vorhandenen Limitationsvermessungen vernetzt werden.
Die Küstenlinien sind nur stilisiert eingezeichnet, man muß
deshalb bei der Untersuchung der Karten Punkte miteinander
vergleichen und nicht Umrißlinien. Für die Benutzung als
Navigationshilfe ist jeweils ein Sehnennetz eingezeichnet, so sind
beispielsweise sechzehn Punkte auf der Karte festgelegt, die
untereinander jeder mit jedem verbunden sind. Bei allen bisher
untersuchten Portulanen wurden keine mit identischem Sehnennetz
festgestellt, was zu erwarten wäre, wenn man von einer Karte
Kopien hergestellt hätte. Die Karten haben z.T. kleine
Einzeichnungen, wie etwa Punkte und Kreuze, deren Funktion und
Bedeutung (noch) unbekannt sind. Es sind auch keine zu einer Karte
gehörenden erläuternde Texte bekannt. Was eigentlich
verwunderlich ist, da sich sicher nicht alle für eine sichere
Schiffahrt erforderlichen Angaben aus einer solchen Karte
entnehmen lassen. {Auch heute, bei größermaßstäblichen
Seekarten, sind zusätzlich schriftliche Ergänzungen, die in den
sogenannten "Seebüchern" (nautische Bücher), die heute
mehr als 80 Bände umfassen, (Ausgabe des Deutschen
Hydrographischen Instituts), und durch die wöchentlich
erscheinenden "Nachrichten für Seefahrer" (je cirka 30
Seiten) ergänzt und aktualisiert werden, auf jedem seegehendem
Schiff mitzuführen. Vor der Verbreitung des Buchdruckes wird sich
jeder Kapitän mit den Informationen und Notizen begnügt haben müssen,
die für ihn auf seinen Hauptrouten wichtig waren und durch
aktuelle mündliche Informationen in den verschiedenen Häfen ergänzt
wurden. Schriftliche Aufzeichnungen solcher Art haben sich nicht
erhalten. [D.S.]}
Die älteste Gebrauchsanweisung zu den Portulanen stammt aus dem
16. Jh., nach ihr soll man die Kompaßrichtung der Sehne auf der
man reisen will, d.h. die dem Zielort am nächsten kommt, peilen
und dann diesen Kurs steuern. Zu den Preisen solcher Karten ist
nur eine Schriftquelle bekannt. Nach ihr hätte ein Italiener, der
in Portugal eine Sondergenehmigung für die Anfertigung einer
solchen Karte erwirkt hatte, im 15. Jh. nach heutiger Kaufkraft
mehrere 100.000 DM bezahlen müssen. Inwieweit solche Angaben
glaubhaft und repräsentativ sind, sei dahingestellt. Ein hoher
Preis und damit "Wert" würde aber das Vorhandensein so
vieler Exemplare bis zum heutigen Tage erklären.
Auf Abbildungen wird in dieser Arbeit verzichtet, da die
fotographischen Reproduktionen in den Büchern bereits so
verkleinert und so gefärbt sind, das Kopien davon undeutlich
werden. Abbildungen und weiterführende Literatur zu diesem Thema
finden sich in de la RONCIERE, Monique / du JOURDIN, Michel Mollat,
1984 Portulane, Seekarten vom 13. - 17. Jahrhundert.
VI. Karten der (Frühen) Neuzeit
Allgemeine Aspekte der Kartographie werden in Kapitel VII
behandelt.
An dieser Stelle soll jedoch auf die sogenannte Landtafelmalerei
eingegangen werden. Diese zwischen Landschaftsmalerei und
Kartographie anzusiedelnden Darstellungen erfreuten sich im 16.
und 17. Jh. großer Beliebtheit. Hierbei handelt es sich um
bildhafte, relativ großmaßstäbige gemischt perspektivische
Darstellungen, die Gelände, Siedlungen und Wälder im Aufriß
oder aus Schrägsicht in naturnaher oder sogar naturgetreuer Form
wiedergeben. Lediglich Gewässernetz, Grenzen und Wege sind im
Grundriß dargestellt. Als Thema könnten kleinere oder größere
territoriale Einheiten, einzelne Herrschaften, aber auch eng
umgrenzte Landschaftsteile auftreten. Sie geben so einen
plastischen Eindruck der damaligen Zustände.
Ein berühmtes Beispiel ist das Visier des bayerisch-bömischen
Grenzgebiets von 1514, eine aquarellierte Federzeichnung des
bayerisch-bömischen Grenzgebietes von Furth im Wald bis zum
Arber, ein 47 cm hohes und über 4 m langes Landschaftspanorama,
das der Straubinger Maler "Wolfgang" (Milfurter ?) im
Auftrag der Bayerischen Herzöge Wilhelm und Ludwig anfertigte,
die wegen diverser Grenzstreitigkeiten genaue Unterlagen über den
Verlauf der Grenze erhalten wollten. Das bayerische Gebiet ist
detailliert und koloriert in seinen Bergen, Fluren, Gewässern,
Ortschaften und Straßen dargestellt, die böhmischen Berge sind
hingegen nur in ihren Umrissen skizziert, wodurch eine
luftperspektivische Tiefenwirkung entsteht. Die Grenze ist als
rote Linie eingezeichnet, Ortsnamen und sonstige Beschriftungen
mit Hinweisen über den Grenzverlauf sowie Rechte des Bayerischen
Herzogs finden sich auf weißen Schildchen eingetragen.
[nach WOLFF, 1988, S. 76-77]
VI. 1. Die Elbkarte von 1568 von Melchior Lorichs
Diese im Original über 12 m lange und 1 m breite Karte wurde vom
Hamburger Rat bei dem Maler Melchior Lorichs (*1526/27 nach 1583)
in Auftrag gegeben um ein eindrucksvolles "Beweismittel"
für den Reichskammerprozeß zwischen der Stadt Hamburg und den
Herzögen von Braunschweig-Lüneburg zu erlangen.
Die Hamburger wollten bei dem Prozeß ihr Stapelrecht für die
Niederelbe verteidigen.
Da Harburg ab 1527 eine Welfische Residenz geworden war,
versuchten diese in Harburg einen Hafen- und Handelsplatz zu
schaffen, der mit Hamburg konkurrieren sollte. Die
Hauptstreitfrage bei dem Prozeß war, ob die Norder- oder die Süderelbe
den Hauptstrom bildete und somit der Hamburger (Norderelbe) oder
der Harburger Hafen (Süderelbe) das Stapelrecht und damit den größten
Warenumschlag erhält.
Lorichs zeichnete in seiner Karte auch die von Hamburg
finanzierten und unterhaltenen Tonnen und Seezeichen in und an der
Elbe ein, um das Engagement und die Unkosten der Hansestadt gebührend
herauszustellen.
Die Darstellung der Landschaft am Flußlauf der Elbe ist nur ein
Nebenprodukt. So sind die Windmühlen in gleichmäßigem Abstand
eingezeichnet und mit genau gleichen Bildern einer hölzernen
Bockwindmühle. Die Kirchen gleichen sich ebenfalls in der
Darstellung, stehen also als Symbol und nicht für das
individuelle Bauwerk. Die Elbe mit ihren Nebenflüssen ist
eingedeicht dargestellt, allerdings ohne Hinterdeiche. Auch der
Verlauf der Nebenflüsse ist nur schematisch eingezeichnet. Genaue
Untersuchungen zum Maßstab und seiner Konsistenz über das
Kartenbild sind meines Wissens nicht vorgenommen worden. Da die
Darstellung nicht auf genauen Vermessungen des Landes beruht,
werden sicher auch keine für die archäologische Feldforschung
hinreichende Genauigkeiten vorliegen.
VI. 2. Die "Stader Elbkarte"
VII. Erste systematische Landesaufnahmen und die Herausbildung der
modernen topographischen Karte
VII. 1. Topographische Karten
Zwei Neuerungen verbesserten die Genauigkeit der topographischen
Aufnahme. Die Triangulation (Dreiecksmessung) wurde zuerst 1617
vom Niederländer Willibrord Snellius angewandt. Die Erfindung des
Meßtisches, vermutlich durch Johannes Prätorius oder durch
Mitglieder der sogenannten Züricher Schule, um 1600. Die
Triangulation wurde erstmals bei den 56 Blättern im Maßstab
1:32.000 des Kantons Zürich von Hans Konrad Gyger (1599-1674) und
der nur (noch?) im Entwurf vorhandenen 13 Blätter 1:140.000 der Württembergischen
Landtafeln von Wilhelm Schickhart (1592-1635) angewendet. Für
dieses Kartenwerk wurde ebenfalls schon die Meßtischmethode
angewendet.
Ende des 18. Beginn des 19. Jh. wurden in allen Ländern
Landesaufnahmen nach modernen Gesichtspunkten durchgeführt. Diese
konnten entweder als topographische Landesvermessung aus militärischen
Erwägungen durchgeführt werden (in Norddeutschland erst etwa
nach 1740) im Maßstab 1:15.000 bis 100.000 oder als ökonomische
Landesvermessung zu steuerlichen und wirtschaftlichen Zwecken,
hier bürgerte sich erst nach 1750 eine Kartierung ein, meist in
kleinen Maßstäben 1:1.000 bis 10.000, da sich ohne Kartierung zu
viele Unklarheiten und Mängel ergaben. Hierbei wurde meist
gemeindeweise vorgegangen und die Karten wurden nicht in ein übergeordnetes
Vermessungssystem eingehängt, sie sind also
"Inselkarten".
Da eine Vielzahl von Geländeaufnahmen von unterschiedlichen
Personen durchgeführt werden mußte, war es wichtig, ein
standardisiertes Aufnahmeschema zu verwenden, um vergleichbare
Ergebnisse zu erzielen. Es wurden daher genaue Anweisungen
erarbeitet, nach denen die Geländearbeit auszuführen war. Ein
Beispiel von 1761 zitiert nach KAHLFUß, 1969, S. 97,
"... der Ursprung, der Lauf der Flüsse und Bäche, die darübergehenden
Brücken, den etwa darinnen befindlichen Furthen, ferner die
Rudera alter Schantzen und Redouten wie auch die Kennzeichen
ehemalig bezogener Lagers, anbey die Moräste, die Seen, die
Teiche, die Anhöhen und die Höhtzungen, sodann die Anzahl der
Feuer Stellen [in den jeweiligen Dörfern], zunebst den Feld
Scheiden eines jeglichen Dorfes, so viel möglich bemerket und
bezeichnet stehen; und haben diesselbe ein Journal über alles bey
dieser Aufmessung vorkommende Merkwürdige und welches durch eine
Zeichnung nicht kann angegeben werden; als zum Exempel die
Beschaffenheit der Wege, der Brücken, und des Bodens, die Tiefe
der Flüsse, ob solche zuweilen austrocknen und ob sie festes oder
weiches Ufer haben? zu halten."
Es handelte sich hierbei um eine militärische Geländeaufnahme,
die mit Meßtisch, Meßkette und Meßstangen im Maßstab 1 :
10.000 durchgeführt wurde. Außerdem sollten ortsansässige
Hilfskräfte zur Vermessung hinzugezogen werden, so daß auch
weitere Auskünfte von diesen eingeholt werden konnten.
In der Darstellung des Geländebildes wurde von der
vogelschauartigen Siedlungsdarstellung und der Darstellung von Geländeerhebungen
(Hügel und Berge) in "Maulwurfsmanier" abgegangen und
eine Darstellung als Grundriß durchgeführt.
Als Beispiel soll hier auf Bayern näher eingegangen werden.
Nachdem Herzog Albrecht V. neue Württembergische Karten gesehen
hatte, wünschte er sich ähnliches auch für Bayern und
beauftragte im Jahre 1554 Philipp Apian damit, das ganze Land
Bayern zu vermessen und eine große Karte herzustellen (siehe auch
S XX). Philipps Vater, Peter Apian (1495-1552), war Professor für
Mathematik und Astronomie an der Universität Ingolstadt, wo er
sich sowohl mit astronomischen Lageberechnungen wie auch mit der
Trigonometrie, beschäftigte. Er brachte dort 1533 ein Buch über
Meßinstrumente "Instrument Buch" heraus. Philipp übernahm
1552 nach dem Tod seines Vaters schon mit 21 Jahren dessen
Lehrstuhl. Nachdem er den Auftrag von Herzog Albrecht V. erhalten
hatte, war er mit zwei Gehilfen acht Jahre unterwegs um die
Vermessung vorzunehmen. 1563 überreichte er dem Herzog ein über
25 m2 großes handgezeichnetes Exemplar seiner Bayern-Karte,
(diese verbrannte 1782). Einen Bericht über seine Vorgehensweise
gibt es nicht. Soweit man diese rekonstruieren kann, benutzte er
drei Techniken der Ortsbestimmung:
Sein Grundnetz lieferten atronomisch bestimmte Orte, (sein Vater
hatte für 50 Orte in Bayern diese Daten bestimmt). Um die
Zwischenräume zu füllen, reiste er mit seinen Meßgehilfen die
Flußläufe entlang und vermaß diese trigonometrisch durch
Bussolenzüge. Das dazwischenliegende gebirgige Gelände ließ er
sich von älteren erfahrenen Bewohnern beschreiben. Kurz nach
Vollendung seiner Karte erhielt Philipp vom Herzog den Auftrag,
diese Karte etwas verkleinert zu publizieren.
Die erste Auflage kam als Holzschnitt 1568 in 24 Blättern heraus,
die sogen. (bayerischen) "Landtafeln". Die Ortsnamen
konnten nicht in Holz geschnitten werden, da sie zu klein waren,
und sie wurden in Metall eingefügt. (Diese fielen leicht heraus
und wurden gelegentlich falsch wieder eingesetzt). Die Karte hatte
auch andere Fehler. So ist die Form des Walchensees falsch,
offenbar wurden hier zu wenig Meßpunkte angelegt. 1579 wurden die
Landtafeln als Kupferstich herausgebracht, hierauf erscheint der
Name Apians nicht mehr. [nach LINDGREN, 1986, S. 41-45]
Neben seinen Landtafeln verfaßte Appian eine "Topographie
von Bayern und bayerische Wappensammlung" und erstellte viele
Skizzen und Aquarelle als Vorbereitung für die Landtafeln. Die
"Topographie" erschien erst 1880 im Druck (München?).
Gertrud DIEPOLDER geht in der Arbeit "Philipp Apians
Landesbeschreibung als historische Quelle" auch auf die
Landtafeln ein und zitiert dort den 1983 verstorbenen Archäologen
Rainer CHRISTLEIN "Wo immer man einen Burgstall auf die Spur
komme, solle man gucken, ob das Objekt bei Apian als Burg oder
Edelsitz verzeichnet ist, oder hat er es schon rudera, vestigia
antiquara gesehen, die in seinen Landtafeln mit schwarzer
Punktsignatur erscheinen und in der "Topographie"
oftmals mit genauer Lagebeschreibung aufgeführt sind. Wenn nicht,
könne man annehmen, daß die Burg lange vor Apians Zeit
aufgegeben worden sei".
VII. 2. Thematische Karten
Auch kartographische Darstellungen spezieller Themen gab es schon,
so wurden beispielsweise von dem Kartographen Johann Christoph
Stierlein (1759-1827) zwischen 1782 und 1792 die von alten
Kirchen- und Burgruinen geprägten Landschaften des Frankenwaldes,
des Vogtlandes, des Fichtelgebirges und der Fränkischen Schweiz
in 37 Blättern, jeweils mit Ansichten und Grundrissen der Ruinen,
aufgenommen. [WOLF, 1988, S. 156]
Auch historische Karten sind schon früh erstellt worden, so etwa
schon vor 1618 eine Karte des Lobdengaues (das alte Ladenburg und
Umgebung) und zwar von Marquard Freher, einem Professor in
Heidelberg, in ihr sind römische Funde, antikes und
mittelalterliches Namensgut und alte Landschaftsgrenzen
verzeichnet.
[OEHME, 1961a, S. 36]
Ein weiteres Beispiel für eine alte historische Karte wäre die
Karte der römischen Straßen um Rottweil von 1824 [OEHME, 1986]
Der Pfarrer M. Johann Mayer verfertigte eine Karte der Ausgrabung
des römischen Lagers bei Benningen. [OEHME, 1961b, S. 136]
Ein weiterer Aspekt, der in diesem Zusammenhang erwähnt werden
soll, ist die Auswertung von Elementen alter Karten als
Bildquellen, insbesondere der Verzierungen. Hier gibt es z.B. eine
Dissertation über die Abbildungen von Arzneipflanzen und eine
weitere Arbeit über abgebildete Schiffe auf alten Karten. (16)
Hans HARMS, 1979, hat in seinem Buch "Themen alter
Karten" 111 Beispiele aus der Zeit zwischen etwa 1515 bis
1800 gesammelt, die von den Salzstraßen durch und um das
Hochstift Passau (um 1515) über Heringszäune im Schleistrom
(1649/52) bis zur Ausbreitung [Verbreitung] der Menschenrasse [über
die Erde] von 1780 reichen.
Im 19. Jh. wurden auch Karten von Medizinern gezeichnet, die die
Ausbreitung von Infektionskrankheiten in Städten zeigten THROWER,
1995. Dort wird auch eine Karte der Ausbreitung der Cholera in
Hamburg von einem gewissen J. N. C.
VIII. Alte Dorf- und Stadtansichten
Unter einer Stadtansicht versteht man im allgemeinen die
graphische Wiedergabe der gesamten (ummauerten) Stadt als selbständiges
Bildmotiv. Diese kommen in großer Zahl als Holzschnitt oder
Kupferstich bzw. Radierung in den Welt-, Länder- und
Reisebeschreibungen, vor allem des 16. bis 18. Jh., vor sowie als
Einzelblätter oder im Rahmen der dekorativen Ausgestaltung der
damaligen Karten.
Je nach Blickrichtung bzw. Standpunkt des (angenommenen)
Beobachters bzw. Zeichners und Anwendung von Zentral- oder
Parallelprojektion ergeben sich die Aufnahmearten: bei
horizontaler Blickrichtung auf die Stadt von einem Punkt aus die
(zentralperspektivische) Seitenansicht, die bei starker
Erweiterung des Blickwinkels zum Panorama wird. Liegt der
Blickpunkt im Unendlichen (Parallelprojektion) entsteht ein Aufriß
(Profil). Fällt der Blick mehr oder weniger schräg von oben auf
die Stadt, entstehen die Schrägansichten (Drauf- und Übersichten).
In diesem Fall können je nach der gewählten Projektionsart
(Vogelperspektiven, Kavalierperspektiven, Militärperspektiven)
unterschiedliche Verzerrungen auftreten. Wenn verschiedene
Projektionsarten verwandt wurden ist die Berechnung des
"wahren" Standortes eines Gebäudes (= Lage auf dem
heutigen Plan) nahezu unmöglich. Ein weiteres Problem bei
Messungen in solchen Ansichten ist, daß bei Schrägeinblicken die
Straßen übertrieben breit gezeichnet wurden um die Darstellung
übersichtlicher zu gestalten, auch wurden wichtige Gebäude überbetont.
[nach LEXIKON, S. 768 ff]
Eine weitere Arbeit zu den Stadtansichten ist Frank-Dietrich
JACOB, 1982, "Historische Stadtansichten.
Entwicklungsgeschichtliche und quellenkundliche Momente",
Joseph MILZ gibt in seinem Aufsatz "Der Duisburger Stadtplan
von 1566 des Johannes Corputius und seine
Vermessungsgrundlagen" einen Einblick in die Konstruktion
eines Stadtplanes. Außerdem weist er darauf hin, daß vor 1550
viele Stadtansichten Phantasieprodukte sind, so auch in Sebastian
Münsters "Cosmographie" von 1544, diese seien erst in
den Ausgaben ab 1550 durch echte Ansichten ersetzt worden.
Johannes Corputius lebte von 1542 bis 1611. Skizzen und Notizen
von Vermessungsarbeiten sind in Heidelberger Bibliotheken erhalten
(Codex Palatinus Germanicus 8, fol 313). Corputius nahm vom Turm
der Salvator-Kirche sowie von anderen Türmen Winkelmessungen zu
Gebäuden vor, die sich teilweise überschneiden und so
Standpunkte dieser Gebäude bilden. Über weitere (Strecken-)
Messungen in der Stadt ist nichts bekannt. Anzumerken ist noch, daß
der Plan um etwa 7 gedreht ist, genau wie die Salvatorkirche auch,
Corputius hat die Kirche wahrscheinlich für genau geostet
gehalten, dieses aber nicht überprüft. Im Mauerring beträgt der
Maßstab ungefähr 1:1785, außerhalb ist er kleiner.
Die Genauigkeit von Stadtansichten wurde in verschiedenen Arbeiten
überprüft, z.B. JUNK, Heinz-K., 1985, "Zum Quellenwert
zweier 'Vogelschauen' von Groningen aus dem 17. Jahrhundert",
in der zwei Vogelschauen von 1616 und 1634 mit dem Urkataster von
ca. 1825 verglichen wurden, wobei sich zwischen den Plänen selbst
und beim Vergleich mit dem Urkataster Abweichungen zeigten, die
sich nicht mit in der Zwischenzeit sicherlich vorgenommenen
Umbauten erklären lassen.
Oder in LINGENBERG, Heinz, 1983, "Die baugeschichtliche
Entwicklung Danzigs im Spiegel seiner ältestesten Veduten (bis
zum Anfang des 17. Jahrhunderts) bzw. ders. 1985, "Die drei
ältesten Stadtgrundrisse Danzigs in ihrem historischen
Wert".
SCHOLLE, 1987, versuchte aus der um 1610 von Detmar MUCHER
gezeichneten Vogelschau von Dortmund und dem Urkataster von 1826
bis 1828 das Stadtbild zu rekonstruieren, dabei zeigte sich unter
anderem, daß MUCHER alle Fachwerkhäuser zweistöckig gezeichnet
hatte, obwohl es auch höhere gab.
Es gibt auch Abbildungen, die nur einen mehr oder minder großen
Teil einer Siedlung, z.B. einen Marktplatz oder einen Straßenzug,
zeigen. Nach der Abbildungstechnik als Zeichnung bzw. Stich oder
in einer Maltechnik (Aquarell, Öl etc.); in neuerer Zeit, als
Fotographie. Auch hier sind die Abbildungen, wie oben, unterteilt.
Zusätzlich wären hier noch senkrechte Luftaufnahmen denkbar, die
dann den großmaßstäblichen Karten bzw. Plänen ähneln würden.
Die ersten Luftaufnahmen in diesem Zusammenhang waren die
sogenannten "Ballon-Ansichten" (z.B. London 1851,
Dresden 1865), die zum Teil als echte Vogelperspektiven angelegt
waren. Der Vorteil der Fotographien ist, daß auf dem Film alles
das abgebildet wird, was sich im Augenblick der Aufnahme im
Bildausschnitt befindet, (sofern es ein Licht reflektiert, dessen
Wellenlänge und Intensität den Film belichten kann), und somit
eine "künstlerische Freiheit" des Weglassens von störenden
Einzelheiten oder ein Hinzufügen von Details ausgeschlossen ist.
Bei anderen abbildenden Techniken kann eine Abweichung des Bildes
von der jeweiligen Realität nicht ausgeschlossen werden. Gleiches
gilt für die Proportionen der einzelnen Bildteile. Eine
Fotographie ist immer eine Zentralprojektion. Wenn einige
Faktoren, z.B. Brennweite des Objektivs und Aufnahmeabstand,
bekannt sind, lassen sich Abmessungen von Aufnahmegegenständen
berechnen (oder umgekehrt).
Dieses gilt aber nur für Senkrechtluftaufnahmen bzw. waagerechte
Aufnahmen, bei denen die Filmebene parallel zur Bildebene ist und
nicht für Schrägaufnahmen, da diese, abgesehen von der
Bildmitte, zu den Rändern zunehmend verzerrt sind. Fotographien
haben gegenüber Zeichnungen und auch Karten sowohl Vor- wie
Nachteile. Die Fotographie ist aktuell und gibt die Fülle der
abgebildeten Objekte in allen Einzelheiten objektiv wieder, (ohne
Generalisierung wie bei Karten), so wie sie im Augenblick der
Aufnahme sichtbar sind, (abhängig von der Tages- bzw. Jahreszeit,
Sonnenstand, Witterung, soweit das Auflösungsvermögen des Filmes
und die Abbildungsleistung des Objektives reichen), einschließlich
der nur zeitweilig dort befindlichen Objekte (Menschen, Fahrzeuge,
Müllhaufen etc.), ohne Unterscheidung ihrer Wichtigkeit und
Wertigkeit. So werden auch für den eigentlichen Aufnahmezweck,
(Sinn des Bildes), unwesentliche Objekte mit wiedergegeben. Dieses
kann sich günstig oder ungünstig auf die Beantwortung unserer
Fragestellung auswirken. So können etwa Teile des für uns
wichtigen Abbildungsgegenstandes hinter Vegetation oder im
Schatten verborgen und nicht erkennbar sein. Ein Künstler hätte
hier nachträglich die im Schatten liegenden Teile ergänzen, bzw.
die Vegetation im Vordergrund weglassen, und die Teile von einem
anderen Standort aus einfügen können.
Günstig wiederum ist die Authentizität der Fotos, was abgebildet
ist war da, was nicht abgebildet ist, nicht. Bei Bildern -- wie
bei Karten -- besteht die Tendenz zur Generalisierung, nur was dem
Künstler wichtig erscheint oder schön ist, wird abgebildet,
evtl. sogar "überzeichnet", während sich auch beim Bemühen
um eine genaue Darstellung der Wirklichkeit das was man nicht
sieht (wahrnimmt) nicht gezeichnet wird, auch wenn es sich im
jeweiligen Bildausschnitt befindet. Es besteht also eine gewisse
Unsicherheit, was im jeweiligen Bild fehlt oder zuviel ist bzw.,
was den Künstler in seinen Darstellungen interessiert hat und was
nicht. Dieses gilt insbesondere für unansehnliche Objekte wie
etwa Schuppen, Holzanbauten an Gebäuden, Holzstapel und und
verfallene Gebäude und Gebäudeteile. Bei repräsentativen
Stadtansichten hatte der Auftraggeber sicher kein Interesse an der
Abbildung von "Slums", Behelfsbauten und ähnlichem den
Gesamteindruck verschandelnden Tatsachen.
Weiterhin sind durch die Zentralprojektion bei Fotographien außerhalb
des Bildmittelpunktes immer auch ein Teil der senkrechten Linien
von Gebäuden, Bewuchs und anderen Landschaftsteilen sichtbar, so
daß meist Aussagen über Gebäudehöhen (absolut und
proportional) möglich sind, was bei Plänen und Karten, wo ja nur
der Grundriß dargestellt wird, nicht möglich ist. [Abb. 110 in:
JESCHOR, S. 268]
Man könnte sich fragen, ob Fotographien als Quellen archäologischer
Untersuchungen nicht zu jung sind. Dem kann entgegen gehalten
werden, daß Fotographien ab 1839 hergestellt wurden. Zu diesem
Zeitpunkt hatten viele Orte noch einen Großteil mittelalterlicher
oder frühneuzeitlicher Bausubstanz, die alte Stadtanlage und
deren Strukturen im Umland (Verkehrswege, Felder, Bleichen usw.)
zeichneten sich noch deutlich ab. Da die fotographischen Platten
noch relativ unempfindlich waren und eine Belichtungszeit von
mehreren Sekunden bis Minuten brauchten, waren Motive ohne
Bewegung, wie sie Architektur und Landschaft bieten, beliebte
Aufnahmeobjekte. Auch spätere Luftaufnahmen, (und natürlich auch
andere Fotos), aus der Zeit bis nach dem 2. Weltkrieg zeigen noch
alte Zustände und können für historische Fragegestellungen als
Quellen dienen. Für Fragen der Landschaftsentwicklung können
auch noch spätere Aufnahmen, sofern sie vor der Zeit von Grünem
Plan und Flurbereinigung gemacht wurden, brauchbar sein und können
- auch wenn sie nur dreißig Jahre alt sind - in unserer sich
schnell verändernden Welt als "alt" gelten.
Für welche Bereiche der Siedlungsarchäologie lassen sich alte
Dorf- und Stadtansichten als Quellen heranziehen?
1. Anlage der Siedlung
Einteilung der Siedlung, z.B. in Viertel oder
in Dörfern Anlage der Hofstelle
Hauptstraßen und Plätze
Prominente Gebäude, z.B. Kirchen
Verkehrswege, z.B. Kanäle, Häfen, Brücken
Verteidigungsanlagen, z.B. Stadtmauern oder
2. Siedlung und Umland
Verhältnis bebautes und unbebautes Gelände
Anlage von Friedhöfen
Nutzung des Umlandes, z.B. Gärten, Weiden, Obstwiesen,
Fischteiche,
Steinbrüche, Sand- und Tongruben, Be- und Entwässerungsgräben
Wege, Straßen und Flüsse
die Lage von Siedlungen zueinander und die Verbindung
untereinander
Erschließungsmaßnahmen, wie etwa Knüpppeldämme durch Moore, Fähren
oder Kanalbauten und andere Wasserbaumaßnahmen wie etwa Deiche
oder Dämme. Anlage von Stau- oder Regenwasserückhaltebecken.
3. Detailinformationen
Bevorzugte Ausrichtung der Häuser (Giebelstellung)
Bauweise, z.B. Fachwerk oder Massivziegelbau,
Art und Form der Bedachung
Proportionen und relative Größe der Gebäude
Baustile und Architekturmerkmale
Brunnen, Stadtbäche und Entwässerungsanlagen
Technische Details von Anlagen, wie z.B. Uferbefestigungen, Brücken
und
Stege, Kräne, Wasserräder und Mühlen (insbesondere auch
Schiffsmühlen),
Besonderheiten, wie etwa Wege die scheinbar ins Nichts führen
oder Teiche ohne dazugehörige Siedlung
Für die archäologische Forschung ist neben der Identifizierung
von Grabungsbefunden, (z.B. Zuordnung von Fundamentresten zu
bestimmten Gebäuden in der Abbildung), vor allem in der
Planungsphase vor Ausgrabungen wichtig zu prüfen, ob
Vorabinformationen aus solchen Ansichten gewonnen werden können.
So läßt sich z.B. schon in der Planungsphase von größeren
Bauvorhaben prüfen, mit welchen Funden und Befunden zu rechnen
ist.
Dieses verhindert z.B., daß man im Bereich ehemaliger größerer
geschleifter frühneuzeitlicher Befestigungsanlagen versucht,
mittelalterliche Fragestellungen zu untersuchen und sich wundert,
warum man nur Schüttschichten findet.
Beispiele für die Nutzung von Stadtansichten und ähnlichen
Bildquellen sind z.B. die Erforschung der baulichen Veränderungen
am Harburger Schloß seit 1577, dargestellt in ELLERMEYER u.a.,
1988, S. 27 ff , Abb.,
oder die Beiträge im Abschnitt "Die Städteportraits"
in: STADTLUFT; HIRSEBREI UND BETTELMÖNCH, S. 44 - 224, in denen
sowohl von Bildern wie alten Karten reichlich Gebrauch gemacht
wird.
IX. Der Aspekt der Landschafts- und Besiedelungsgeschichte in unterschiedlich alten Karten und Ansichten
Voraussetzung, um diese Aspekte untersuchen zu können, ist, neben
dem Vorhandensein mehrerer hinreichend aussagekräftiger Karten
des zu untersuchenden Gebietes aus unterschiedlichen Zeiten auch,
daß es möglich sein muß, die Genauigkeit der einzelnen Karten
zu beurteilen. Ist dieses nicht gegeben, kann nicht unterschieden
werden, ob Veränderungen im Kartenbild wirklich Veränderungen in
der Landschaft abbilden oder lediglich auf Fehlern, Auslassungen
oder Hinzudichtungen der Kartographen beruhen. Auch die
Karteninhalte müssen vergleichbar sein. So lassen sich Veränderungen
in der Landschaft, (außer bei den Orten selbst), nicht
untersuchen, wenn auf einer Karte z.B. nur Orte und Straßen, auf
einer anderen Orte, Gewässer und Bewuchs, dargestellt sind. Auch
der Maßstab sollte ähnlich sein, da großmaßstäbliche Karten
natürlich weniger vereinfacht sind und mehr Details zeigen als
kleinmaßstäbliche.
Ein Beispiel, das auch Karten als Quellen benutzt, wäre
MUSALL,Heinz, 1969 "Die Entwicklung der Kulturlandschaft der
Rheinniederung zwischen Karlsruhe und Speyer vom Ende des 16. bis
zum Ende des 19. Jahrhunderts".
Für die Landschaftsentwicklung seit dem Beginn der jeweiligen
amtlichen Kartographie sind die jeweiligen Kartenwerke und ihre
Nachfolgegenerationen sicher gut brauchbar. Insbesondere wenn
weitere damit in Zusammenhang stehende Quellen wie etwa die
originalen Geländeaufnahmen und Protokolle erhalten sind. Für
die Zeit vor der amtlichen Karthographie werden sich nur punktuell
Pläne und Karten finden lassen, die den gleichen Raum zu
unterschiedlichen Zeiten mit überprüfbarer Genauigkeit abbilden.
Abgesehen von größeren Orten oder dichtbesiedelten Landschaften
wird der Rest eines Landes nur selten in Karten dargestellt worden
sein, so daß für Fragestellungen in diesen Gebieten andere
Quellen herangezogen werden müssen.
Die Fragen, die sich im Zusammenhang mit der Entwicklung einer
Landschaft stellen, benötigen zu ihrer Beantwortung den Einsatz
aller geeigneten Methoden einer möglichst breiten Palette von
Wissenschaften an allen verfügbaren Quellen(gattungen). Zu
einzelnen Fragen oder Teilen von Fragen mögen alte Karten nicht
nur für die Erforschung mit archäologischen Methoden Antworten
enthalten, sondern auch für Geologie, Hydrologie, Biologie
aufschlußreiche Informationen enthalten. Trotzdem würde niemand
auf den Gedanken kommen, daß die Naturwissenschaftler ihre
Methoden nur auf die Karte anwenden und nicht auf die Landschaft.
Dieses gilt natürlich auch für die Archäologie, so kann die
methodische Bearbeitung alter Karten nur ein Abschnitt im gesamten
Forschungsprozeß sein, dessen Ergbnisse kritisch mit den
Ergebnissen der methodischen Bearbeitung von z.B. Schriftquellen
und Sachüberresten (wenn wir Karten als Bildquellen werten)
verglichen werden muß.
Dazu müssen die Ergebnisse der anderen (Natur und Sozial)
Wissenschaften kommen, um die komplexen Wechselwirkungen zwischen
Mensch und Umwelt erkennen und darstellen zu können. Nur so kann
über das Stadium des "Scherbenzählens"(17)
hinausgegangen werden.
Ausgehend von den jeweiligen naturräumlichen Gegebenheiten, zu
denen auch das jeweilige Klima gehört, den dort lebenden
Menschen, mit ihrer jeweiligen Ökonomie, Technologie und
sonstigem Kulturverhalten, muß versucht werden, die
Wechselwirkungen aufzuzeigen und die Ergebnisse dieses Prozesses
sowohl in der Umwelt wie auch im Kulturverhalten nachzuweisen.
Unser Ziel sollte nicht sein zu erforschen in welcher
Variationsbreite -- in Form und Größe -- von Keramik der Mensch
gekocht hat, sondern wie er diesen Topf möglichst immer gefüllt
zu halten versucht hat. Denn nur durch Erforschung des gesamten
Kulturverhaltens beim Versuch in dieser Umwelt zu (über)leben und
dem daraus resultierenden Wechselspiel mit dieser Umwelt können
wir auch für unser heutiges und zukünftiges Verhalten relevante
Tatsachen erfahren.
X. Zusammenfassung
Abschließend läßt sich sagen, daß alle Kartenwerke, die vor
einer großmaßstäblichen (etwa 1 : 25.000) mit zuverlässigen
Instrumenten (Meßtisch) durchgeführten Geländeaufnahme(18)
hergestellt wurden, am besten als Bildquellen behandelt werden.
Lagemessungen, die in ihnen vorgenommen werden, sollten immer
unabhängig überprüft bzw. nur als Anhaltspunkte zur Suche im
Gelände benutzt werden, da die Genauigkeit nicht mit der heutiger
Karten vergleichbar ist (vgl. auch S. XX).
Auch Bilder und Ansichten sollten nicht unkritisch verwendet
werden.
In einer historischen Disziplin sollte die Quellenkritik
eigentlich selbstverständlich sein, dazu müssen aber die
Schwachpunkte bekannt sein. Ein Teil von ihnen wurden in dieser
Arbeit aufgezeigt. Ebenso die Möglichkeiten, die diese
Quellengattungen bieten sowie ein sehr kurzer Überblick, was aus
den unterschiedlichen Kulturen und Epochen bekannt ist.
MROCZEK und ZÖGNER geben in ihrem Aufsatz "Die Erschließung
alter Karten in der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz.
Ein Erfahrungsbericht" Zahlen über das Kartenmaterial.
Nach ZÖGNER, 1983, gibt es in 470 erfaßten Kartensammlungen (nur
alte Bundesrepublik) etwa 6 Millionen Karten, davon etwa 1 Mio.
Handzeichnungen. Davon liegen 34,3 % in Archiven, 23,2 % in
Hochschulinstituten, 22,1 % in Bibliotheken, 20,1 % bei Behörden
und Instituten, 0,3 % in Museen und privaten Sammlungen. Für die
Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz verteilen sich die
Karten wie folgt:
ungefähr 400.000 gedrucke Karten
20.000 Handzeichnungen
10.000 Atlanten.
Hierunter befinden sich nur e i n i g e Karten aus der Zeit vor
1500,
cirka 25 % aus der Zeit 1500 bis 1800
35 % 1800 bis 1945
40 % nach 1945.
Inzwischen sind die von ZÖGNER nicht erfaßten Bestände der
damaligen DDR wieder leicht zugänglich. Es steht also reichlich
Material für die Forschung zur Verfügung, wenn auch sicher nicht
für jede Fragestellung oder jeden zu untersuchenden Ort
passend. Reichlich Material ist also vorhanden um damit zu
arbeiten. Es ist nur zu hoffen, daß es zu den jeweiligen
Fragestellungen paßt.
XI. Literaturverzeichnis
BACHMANN, Hans
1960 Zur Methodik der Auswertung der Siedlungs- und Flurkarte
BEHR, Hans-Joachim / HEYEN, Franz-Joseph
1985 Geschichte in Karten. Historische Ansichten aus den
BIALLAS, Volker
1970 Praxis Geometrica. Zur Geschichte der Geodäsie
CORPUS AGRIMENSORUM ROMANORUM, herausgegeben von: THULIN, Carl
Olof,
de la RONCIERE, Monique / du JOURDIN, Michel Mollart,
1984 Portulane , Seekarten vom 13. - 17. Jahrhundert, München
DIE HAMBURGER ELBKARTE AUS DEM JAHRE 1568,
Hamburg, 1985, 3. Aufl.
DIEPOLDER, Gertrud
1989 Philipp Apians Landesbeschreibung als historische Quelle In:
PHILIPP APIAN und die Kartographie der Renaissance,
DILKE, O. A. W.
1985 Greek and Roman Maps,
DÜRER, Albrecht
1525 Underweysung der Messung ...,
ELLERMEYER, Jürgen / RICHTER, Klaus /
1988 Harburg: Von der Burg zur Industriestadt.
ERSCHLIEßUNG UND AUSWERTUNG HISTORISCHER LANDKARTEN
1983 Toponyme als Limitationshinweise in Südwestdeutschland In:
SCHARFE u.a., S.41-52
STADTLUFT, HIRSEBREI UND BETTELMÖNCH.
1992 Die Stadt um 1300.
STOCHDORPH, Otto
1983 Faßreif und Daube - eine verschollene Wirtshaussignatur In:
SCHARFE u.a., S. 97-102
THROWER, Norman J.W.
1972 Maps and Man: an examination of cartographie in
THROWER, Norman J.W.
1995 Doctors and maps In: The Map collector
VON DEN BRINCKEN, Anna-Dorothee
1988 Kartographische Quellen.
WITT, Reimer
1982 Die Anfänge der Kartographie und Topographie
WOLFF, Hans
1988 Bayern im Bild der Karte,
ZÖGNER, Lothar
1983 Verzeichnis der Kartensammlungen in der Bundesrepublik
Deutschland
ZÖGNER, Lothar
1984 Bibliographie zur Geschichte der deutschen Kartographie
Anmerkungen:
1. Er gibt leider keine Berechnungsgrundlage für seine Zahlen an
2. Hier muß man anmerken, daß anscheinend mit der gesamten
Erdoberfläche, einschließlich Meeresoberfläche, gerechnet
wurde, da allein die Landmasse Europas 7 % der Festlandoberfläche
ausmacht und europäischen Völkern auch Teile Afrikas und Asiens
schon bekannt waren. Oder meint er nur die uns überlieferten
Kenntnisse der Griechen?
3. John P. SNYDER untersucht in seinem Buch "Flattening the
Earth: two thousand years of map projections", Chicago und
London 1993 die angewandten Projektionstechniken. Danach waren bis
zum Ende des 19. Jh. etwa 200 verschiedene Projektionstechniken
bekannt.
4. Es sei denn, es waren Meilensteine oder ähnliche sichere
Wegweisungen vorhanden wie etwa bei den Römerstraßen.
5. Solche staatlichen Vermessungen (wenn auch nicht eines ganzen
Staatsgebietes) gab es auch schon in der Antike, so z.B. in Altägypten,
Mesopotamien und im Römischen Reich.
6. Zum Teil mit "Bastelbögen", gedruckten Skalen und
Kurven, die man sich ausschneiden und auf Holz aufkleben konnte um
sich seine eigenen Meßinstrumente leicht herstellen zu können,
ohne komplizierte Rechnungen und genaue Zeichnungen ausführen zu
müssen. Ein Beispiel wäre Apians "Instrumentbuch" von
1533.
7. Bis zur Mitte des 19. Jh. herrschte in vielen Gebieten ein
Mahlzwang, d.h. daß die Bauern verpflichtet waren, ihr Getreide
in einer bestimmten Mühle (oden Mühlen) mahlen zu lassen,
insbesondere war es verboten auf den Höfen in eigenen Mühlen zu
mahlen. Da die Zwangsmühlen meist vom Grundherrn betrieben oder
verpachtet wurden, hatte dieser daraus eine Zusatzeinnahme. Außerdem
war so eine gewisse Gegenkontrolle der Naturalabgaben der Bauern möglich.
Da die Bauern z.T. erhebliche Wege zu den Mühlen zurücklegen mußten
und das Mahlen selbst auch einige Zeit in Anspruch nahm,
insbesondere wenn mehrere Bauern zugleich kamen "wer zuerst
kommt, mahlt zuerst" wurden in der Nähe von Mühlen gerne
Gastwirtschaften eröffnet, was auch zur Versorgung der Zugtiere
diente.
8. So etwa in den Bairischen Landtafeln von P. APIAN
9. Leider wird hierbei die ungenauere Karte das Maß der möglichen
Informationen begrenzen
10. Dieses ließe sich durch Messungen an Druckvorlagen z.B.
Kupferstichen vermeiden, wenn die Druckplatten erhalten sind.
11. "Geofaktoren werden in konstanter Reihenfolge
abgehandelt: Gesteinsuntergrund, Oberflächenformen, Böden, Gewässer,
Klima, Vegetation, Bevölkerung, Siedlung, Wirtschaft, Verkehr;
Variationen nur begrenzt möglich; auf anorganische folgen
biotische und menschliche Geofaktoren." [HÜTTERMANN 1993, S.
127] Anmerkung gehört nicht zum Originaltext!
Dieses System erstreckt sich von 80°Süd bis 84°Nord rund um die
Erde, es bezweckt Linien sowie Groß- und Kleinflächen in
einfachster Weise zu benennen. Eine ausführliche Erklärung mit
Beispielen findet sich in KAHL, 1991, S. 139 ff
13. Zum einen Cosmographia Iulii Caesaris zum anderen einer
anonymen Cosmographia, (beide ediert in: Geographi Latini minoris,
Alexander Riese (Hg.), Heilbronn 1878, Reprint Hildesheim 1964) Außerdem
wird in der Herforder Weltkarte Cäsar (oder Augustus) auf einem
Tron gezeigt, wie er das Mandat für diese Forschung erteilt.
(Angaben aus Harley / Woodward, 1987, S. 205 - 206)
14. Originalpublikation: ALMEIDA, E.Rodriguez, Forma Urbis
marmorea: aggornamento generale 1980, 2 Bde. (Rom,1981)
15. Ein Römischer Fuß entspricht 29,57 cm bzw. als Pes Drusianus
33,3 bis 33,5 cm.
16. EWE, Herbert, Abbild oder Phantasie? Schiffe auf historischen
Karten, Rostock 1978 GÖPFERT, Walter, Drogen auf alten Landkarten
und das zeitgenössische Wissen um ihre Herkunft (3 Bde.) Diss. Düsseldorf,
1985
17. Mit "Scherbenzählen" ist hier gemeint, die Fundorte
anhand der gefundenen Keramik zeitlich zuzuordnen evtl. einige
Hausgrundrisse zu rekonstruieren und dann die
"Besiedelungsgeschichte" eines Gebietes womöglich noch
nach heutigen Verwaltungsgrenzen abgesteckt zu beschreiben.
Beziehungen werden durch Vergleich von Objekten postuliert nach dem
Schema "diesen Typ gibt es da und da auch und dort ist er
auch noch gefunden worden". Dazu kommen vielleicht noch die
ältesten (überlieferten) Schriftquellen und einige allgemeine
Spekulationen.
18. Für die Erforschung von Landschaft und Besiedlung dürften
vor allem die Originalzeichnungen und die bei der Aufnahme im Gelände
geführten Journale hochinteressant sein, da sie wahrscheinlich
mehr Informationen als die aus ihnen abgeleiteten gedruckten
Karten enthalten, insbesondere wenn sie unter den auf Seite 42
aufgeführten Gesichtspunkten erstellt wurden. Einen Hinweis, daß
solche Quellen noch existieren und auch genutzt werden, war der für
diese Arbeit benutzten Literatur nicht zu entnehmen, hier wäre
eine weitere Untersuchung sicher lohnend.